Panorama

Ukrainischer Pop-Star in Berlin Jerry Heil dichtet "Putin, du Arschloch" um

Jerry Heil bei ihrem Auftritt in Amsterdam: "Putin go home!"

Jerry Heil bei ihrem Auftritt in Amsterdam: "Putin go home!"

(Foto: IMAGO/Richard Wareham)

In der Ukraine ist Jerry Heil ein Star. Ende Februar muss die Sängerin ihre Heimat verlassen, genauso wie Millionen andere Ukrainer. Seitdem tourt sie durch Europa und sammelt Spenden für ihr Land. Mit einem neuen, auf der Flucht entstandenen Lied will sie alle Europäer vereinen. Und der Song hat es in sich.

Als sich vor wenigen Tagen Hunderte Menschen auf den Boden vor dem Reichstagsgebäude in Berlin legen, um mit einem "Menschenteppich" gegen den Krieg zu protestieren, ist auch Jerry Heil dabei. Die 26-Jährige ist eine berühmte Popsängerin aus der Ukraine, seit Wochen reist sie durch Europa, tritt auf Demonstrationen auf und sammelt Spenden für ihre Heimat.

"Ich kann nicht anders. Meine Follower schreiben mir, in welchem Land und in welcher Stadt die nächste Demo ist - ich kaufe ein Ticket und fahre los", erzählt die 26-Jährige im Gespräch ntv.de. "Viele Ukrainer haben ihre Heimat verloren, aber jetzt sind wir dank der Offenheit der Menschen auf der ganzen Welt, insbesondere in Deutschland, Teil der europäischen Familie geworden", sagt die Sängerin, die mit bürgerlichem Namen Yana Shemaeva heißt.

Jerry Heil startete ihre Karriere als Video-Bloggerin und Cover-Sängerin. Doch irgendwann fing sie an, eigene Musik zu machen. Der Song "Ochrana, otmena" aus ihrem Debüt-Studioalbum "Ja Yana" ("Ich bin Yana") machte sie 2019 zum Star. Das Video dazu wurde auf YouTube mehr als 18 Millionen Mal angeschaut.

Doch auf den Demos singt sie einen anderen Song - "Putin go home". Dieses Lied hat sie vor wenigen Wochen auf der Flucht geschrieben. "Als ich die Ukraine unter dem Lärm von Explosionen und Flugzeugen verließ, wurde mir klar, dass ich, wenn ich in Sicherheit bin, nicht einfach herumsitzen kann, dass ich etwas tun muss, um diesen Wahnsinn zu stoppen." Außerdem würden nicht alle europäischen Länder die Ukraine unterstützen, bemängelt die Sängerin. "Einige von ihnen, Ungarn zum Beispiel, beugen sich vor dem Putin-Regime. Meine Mission ist es, mit meinem Lied alle Europäer unter der Idee zu vereinen: 'Putin go home!'"

"Wer hätte gedacht, dass man sich an den Krieg gewöhnen kann?"

Mit dem neuen Song trat Jerry Heil bereits in Amsterdam, Kopenhagen, Warschau und Breslau auf. Jetzt plant die Sängerin Konzerte in Berlin, München und Frankfurt am Main. "Auf den Veranstaltungen, auf denen ich das Glück hatte, aufzutreten, wurden bereits mehr eine Million Euro Spenden für humanitäre Hilfsorganisationen gesammelt", freut sich die Musikerin.

Das Motiv des Songs basiert auf einem Lied der Charkiwer Fußballfans, das 2014 entstand, nach der Annexion der Krim und dem Angriff auf den Donbass. Im Original heißt es im Refrain allerdings nicht "Putin go home", sondern "Putin hujlo", was man als "Putin, du Arschloch" übersetzen kann. "Wenn die Europäer auf den Demos unser 'Volkslied' mitsingen, freuen sich die Ukrainer sehr", lächelt die Sängerin. Im Ausland fühlt sich die 26-Jährige mehr denn je als eine Ukrainerin. "Ukrainer zu sein - heutzutage ist es gleichbedeutend mit der Widerstandsfähigkeit und dem Mut, den das Volk im Kampf gegen die Russen zeigt", sagt die Sängerin.

Einen Gedanken möchte Jerry Heil den Menschen in Europa ganz besonders vermitteln: "Es passiert etwas Schreckliches: Innerhalb eines Monats gewöhnten sich die Menschen hier in Berlin und auch überall auf der Welt an den Krieg in der Ukraine. Die Leute sehen die Nachrichten, denken darüber nach, wie leid es ihnen tut. Dass man sich an bestimmte Sachen gewöhnt, ist natürlich. Aber wer hätte gedacht, dass man sich an den Krieg gewöhnen kann?", fragt sich die Sängerin.

"Das, was ich am besten kann"

Vor dem Krieg sei die Ukraine für die Welt das Land gewesen, in dem das Kernkraftwerk von Tschernobyl explodierte, fährt Jerry fort. "Jetzt weiß jeder, dass es ein Land ist, in dem Krieg herrscht. Aber meine Aufgabe ist es, die Aufmerksamkeit der Welt auf die ukrainische Kultur zu lenken."

"Trotz der Tatsache, dass Russland schon immer versucht hat, uns seine Sprache aufzuzwingen, Erinnerung an unsere Vorfahren auszulöschen und unser Land zu erobern, blieben wir immer vereint. Hört unsere Lieder, hört unsere Sprache! Seht, was für talentierte Künstler wir haben!", ruft die Sängerin auf. "Einen besonderen Schmerz bereiten uns die 25 verbrannten Gemälde von Marija Prymatschenko, einer der größten ukrainischen Künstlerinnen. Googelt sie! Nachdem ihr Butscha gegoogelt habt." Bei einem russischen Raketenangriff Ende Februar wurde in Iwankiw bei Kiew ein Museum zerstört, Dutzende Kunstwerke verbrannten dabei.

Als sie aus der Ukraine floh, konnte die 26-Jährige nur das Nötigste mitnehmen, nämlich ihre Musikausrüstung: "Also nahm ich unterwegs 'Putin go home' auf und mache auch weiterhin Musik. Das ist das, was ich am besten kann." Die Eltern der Sängerin bleiben in der Ukraine. Sie wollen das Land nicht verlassen und bleiben freiwillig: "Ich schreibe ihnen jeden Tag. Aber sie erzählen nicht viel - nur, dass alles in Ordnung ist. Sie wollen nicht, dass ich mir um sie Sorgen mache."

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 09. April 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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