Angespannte Sicherheitslage Karnevalisten feiern zwischen Polizei und Straßensperren
27.02.2025, 14:45 Uhr Artikel anhören
Polizisten patrouillieren auf der Zülpicher Straße in Köln. Die Sicherheitslage in der Domstadt sei "angespannter als in den Vorjahren".
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Anschläge der vergangenen Monate und ein Terroraufruf des IS überschatten den Auftakt des Straßenkarnevals. In den Hochburgen sind Tausende Einsatzkräfte präsent, in kleineren Städten müssen die Veranstalter mitunter kreativ werden. Doch es gibt auch einzelne Absagen.
Bunte Kostüme, Menschenmassen und viel Polizei: Der Straßenkarneval beginnt unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Gedämpft ist das unbeschwerte Feiern durch mehrere Anschläge in den vergangenen Monaten. Darüber hinaus kursierte in einem Propagandanetzwerk des Islamischen Staats (IS) ein Aufruf zu Attentaten unter anderem auf den Kölner Karneval und den Nürnberger Fasching. Das Bundeskriminalamt stufte diese Aufrufe als "Propagandaveröffentlichungen" ein und sieht keine konkrete Gefahr. Wie bei allen Großveranstaltungen gebe es aber eine abstrakte Gefährdungslage.
Die Drohung des IS sei ernstzunehmen, sagt ntv-Terrorismusexperte Michael Ortmann. Seiner Aussage nach haben die Verantwortlichen in Köln die Lage daraufhin nochmal analysiert und verändert. Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagte der Deutschen Welle, er gehe nicht davon aus, dass der IS einen konkreten Anschlag plant.
Vielmehr wolle der IS mit dem Aufruf ein Signal an seine Unterstützer senden, "die momentan ohnehin wegen der verschiedenen versuchten und durchgeführten Anschläge voll mobilisiert sind", so Neumann. Die zweite Absicht einer solchen Drohung sei es, die Bevölkerung zu verunsichern. "Bei Terrorismus geht es ja um Terror, und deswegen wäre es für den IS ein Erfolg, wenn er durch solch eine Mitteilung das gesamte öffentliche Leben paralysieren könnte."
In Nürnberg wird der große Fastnachtszug wie gewohnt stattfinden, der Faschingszug für Kinder am Rosenmontag allerdings nicht. Zahlreiche Einrichtungen, die an dem Zug normalerweise teilnehmen, hätten aufgrund ihres beeinträchtigten Sicherheitsgefühls vorsichtshalber ihre Teilnahme abgesagt, teilte die Stadt mit. Auch Mitarbeitende, Helferinnen und Helfer sowie Eltern hätten Bedenken geäußert - und dies unabhängig von der Einschätzung der Polizei.
Fokus auf Zufahrtsstraßen
Im Fokus der Sicherheitsbehörden steht nach den Anschlägen von Magdeburg und München der Schutz vor Angriffen mit Fahrzeugen. Ende Dezember und Mitte Februar war dort jeweils ein Attentäter mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren. Zum Schutz postieren in Bayern mehrere Kleinstädte Feuerwehrfahrzeuge oder schwere Baumaschinen im Bereich ihrer Umzüge, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Die zweite Säule ist ein großes Polizeiaufgebot. "Werden Einsatzkräfte der Polizei gebraucht, wird das Personal ausgewogen eingesetzt", sagt Heiko Teggatz, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu t-online. Doch "auch bei der Polizei ist das Personal endlich". Alternativ müssten die Ordnungsämter oder private Sicherheitsunternehmen herangezogen werden.
In der Karnevalshochburg Köln hält die Polizei die Sicherheitslage für "angespannter als in den Vorjahren". Sie will deshalb in der Spitze rund 1500 Beamte mehr aufbieten als an normalen Tagen. Das Ordnungsamt ist mit mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Einsatz, dazu kommen rund 1200 Beschäftigte einer privaten Sicherheitsfirma. Die Polizei will auch sogenannte Überfahrsperren zum Schutz gegen Angriffe mit Autos aufstellen. Zudem sind Messer-Kontrollen angekündigt.
Reul: "Genießen Sie die jecken Tage"
Ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei sagte, auch dort werde man im Vergleich zu den Vorjahren mit verstärkten Kräften auf der Straße sein. Laut Innenminister Herbert Reul sind an Weiberfastnacht in ganz NRW 9900 Polizisten im Einsatz, 2500 mehr als an einem regulären Donnerstag. "Gehen Sie raus, feiern Sie Karneval und genießen Sie die jecken Tage", sagte Reul der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".
In Rheinland-Pfalz sind nach Angaben des Innenministeriums 5000 Polizeibeamte in den Fastnachtstagen im Einsatz, allein Tausend sollen den Rosenmontagszug in Mainz begleiten. Die Landeshauptstadt hat nach eigenen Angaben ihr Sicherheitskonzept zuletzt nochmal überarbeitet und setzt mehr mobile Sperren ein, die vor Anschlägen mit Fahrzeugen schützen sollen.
Auch kleinere Städte wie Mayen, Montabaur oder Andernach wollen nach einem Bericht des SWR wichtige Zufahrtsstraßen zu den Umzügen mit Pollern blockieren. In Ramstein unterstützen demnach auch amerikanische Sicherheitskräfte. Zudem komme in mehreren Städten und Gemeinden des Bundeslands "polizeiliche Videotechnik" zum Einsatz.
Sicherheit verursacht Mehrkosten
Die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen gehen ins Geld: Laut den Mainzer Organisatoren sind die Kosten um 10 bis 20 Prozent gestiegen. Die Stadt unterstützt den Mainzer Carnevals-Verein bereits seit dem letzten Jahr mit 200.000 Euro. Im hessischen Marburg musste der Rosenmontagszug hingegen abgesagt werden. "Die Sicherheitsanforderungen der Stadt und die damit dramatisch gestiegenen Kosten ließen uns keine andere Wahl", teilte der Marburger Karnevalsverein mit.
Im nordrhein-westfälischen Moers beliefen sich die Kosten für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auf 30.000 Euro - zu viel für die ehrenamtlich organisierten Vereine. Die Stadt musste einspringen. Auch dieses Geld fließe in die Absicherung des Zugwegs in Form von zwei Bussen, drei LKW und Dutzenden Beton-Legosteinen, berichtet das ZDF.
In Kempten im Allgäu wurde der traditionelle Umzug bereits vor rund zwei Wochen abgesagt. Zum Schutz der 15.000 Besucher hätten alle Zufahrtswege abgesperrt werden müssen. Auf die Veranstalter wären Mehrkosten von 50.000 Euro zugekommen - zu teuer. "Der islamistische Terrorismus hat sein Ziel erreicht", schrieb der Verein "Rottach 97" dazu.
Der Präsident des Festausschusses des Aachener Karnevals rät Besuchern in diesem Jahr zudem von aggressiv wirkenden Kostümen ab. "Lasst irgendwelche komischen Verkleidungen, die auf martialische Verkleidungen hin schließen lassen", sagte Frank Pömpeler der ARD. "Zwar ist Karneval das Fest, wo sich jeder verkleiden kann, wie er will, aber man muss auch schon mal darauf achten", erklärte er mit Blick auf die angespannte Sicherheitslage. Auch Spielzeugpistolen oder Ähnliches sieht Pömpeler skeptisch. "Die Menschen achten da darauf und haben dann vielleicht auch nicht das Wohlgefühl."
Quelle: ntv.de, mdi/dpa