Panorama

Augenzeugin bei AquaDom-Unglück "Mein erster Gedanke: Sieht aus wie bei 9/11"

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Das Großaquarium AquaDom nahe dem Berliner Dom mit 1000 Kubikmetern Wasser und 1500 Fischen ist geplatzt. Dabei wurden am Freitagmorgen Teile des umgebenden Hotels zerstört. Zu Gast war dort auch die 44-jährige Gwendolin Szyszkowitz-Schwingel - gegenüber ntv.de schildert sie, wie sie das Unglück miterlebt hat.

In der Nacht zum Freitag kommt Gwendolin Szyszkowitz-Schwingel kurz nach 1 Uhr in dem Hotel an, in dessen überdachtem Innenhof sich das Aquarium befindet. Sie ist auf Geschäftsreise in Berlin. "Ein sehr netter Mann an der Rezeption hat mich eingecheckt", erzählt die Filmproduzentin. Sie bezieht ein Zimmer im 5. Stock, mit einem Balkon hinaus zur mehrspurigen Karl-Liebknecht-Straße.

Nur wenige Stunden später wird sie von Lärm aus dem Schlaf gerissen. Es ist kurz vor 6 Uhr morgens. "Es war ein Geräusch, das sich anhörte, wie ein Gewittersturm. Oder wie ein Flugzeug, das nah vorbeifliegt. Ein dröhnendes, lautes Geräusch, das näherkommt. Dann war es schlagartig wieder leise."

Zunächst kann sie das Geräusch nicht zuordnen. "Ich dachte, es ist ein Sturm. Dann habe ich aus dem Fenster geschaut, und gesehen, dass es keinen Sturm gibt." Sie legt sich wieder hin. Doch kurz darauf wird ihr Zimmer in flackerndes Blaulicht getaucht. Sie steht auf und tritt auf den Balkon. "Ich sah, dass die Karl-Liebknecht-Straße voller Gebäudeteile und Einrichtungsgegenstände war. Eine Tür, ein Sofa." Einsatzwagen stehen vor dem Hotel. Ihr erster Gedanke: ein Sprengstoffanschlag.

"Dann habe ich Angst bekommen"

"Dann habe ich Angst bekommen", erzählt Szyszkowitz-Schwingel. Sie ruft einen Kollegen an, der in einem anderen Zimmer des Hotels wohnt - eines, von dem aus man einen Blick auf den Innenhof mit dem Aquarium hat. "Er hat mir dann gesagt, dass das Aquarium zerbrochen ist."

Mit dem Kollegen am Handy tritt sie auf den Flur vor ihrem Zimmer. Ihr steigt sofort Brandgeruch in die Nase. Dünner, feiner Rauch hängt in der Luft. Doch es ist unklar, wo er herkommt. Eine Feuerwehrfrau erreicht über das Treppenhaus den Flur im 5. Stock. Dort stehen mittlerweile viele weitere besorgte Hotelgäste in Bademänteln und Pyjamas. Die Feuerwehrfrau bittet alle, wieder in ihre Zimmer zu gehen.

Auch der Kollege, der in einem anderen Stockwerk wohnt, gelangt über das Treppenhaus zu Szyszkowitz-Schwingel - denn die Fahrstühle, die sich ebenfalls im Innenhof befinden, sind kaputt. Gemeinsam verschaffen sie sich ein Bild von der Lage. Auf Höhe der Fahrstühle kann man vom Flur aus durch eine hohe Scheibe den Bereich im Innenhof des Hotels einsehen, in dem das Aquarium stand.

"Die Trümmer stapelten sich mannshoch"

Es ist ein Bild der Verwüstung. "Mein erster Gedanke war, dass es aussieht wie bei 9/11", sagt Szyszkowitz-Schwingel. Von dem Aquarium ist nur noch ein Gerippe übrig. Überall liegen Trümmer. Auch die Lobby im Erdgeschoss ist zu sehen. "Sie war komplett verwüstet. Man hat den Boden nicht mehr gesehen. Die Trümmer stapelten sich mannshoch, alles lag übereinander. Große, dicke Glasscherben überall." Fische sieht sie von dort oben allerdings keine.

Es ist düster. Zwischen den Trümmern am Boden neben dem Aquarium-Gerippe sieht Szyszkowitz-Schwingel Feuerwehrleute, die sich mit Taschenlampen langsam vortasten und offenbar nach Verletzten suchen. Sie muss an den netten Mann von der Rezeption denken: "Ich habe gebetet, dass ihm nichts passiert ist."

Zwei andere Hotelgäste, Frauen aus Israel, haben unterdessen Zuflucht im Zimmer von Szyszkowitz-Schwingel gesucht. "Sie hatten sich aus ihrem Zimmer ausgeschlossen. Sie hatten wahnsinnige Angst, dass es sich um einen Anschlag handelt." Ihr Kollege drängt sie, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen. Die beiden Israelinnen wollen lieber bleiben. Sie haben keine Schuhe an den Füßen - die sind noch in ihrem Zimmer.

"Trümmer vor dem Haupteingang"

Auch Szyszkowitz-Schwingel zögert, doch dann gibt sie nach. Sie greift sich ihren Rucksack und läuft gemeinsam mit ihrem Kollegen das Treppenhaus hinunter. Zu ihrer Überraschung gelangen sie problemlos durch eine Seitentür ins Freie. Von der Seitenstraße aus erhaschen sie einen Blick auf die Karl-Liebknecht-Straße. "Die Trümmer lagen direkt vor dem Haupteingang. Wir wollten dorthin, um den beiden Israelinnen in meinem Zimmer zu signalisieren, dass wir unten sind. Aber man ließ uns nicht." Sie gibt einer Einsatzkraft ihre Zimmernummer und bittet sie, nach den beiden Frauen zu sehen.

Jetzt greift der Fluchtinstinkt. Szyszkowitz-Schwingel und ihr Kollege laufen über die nahe Spreebrücke zum Deutschen Dom am andern Ufer. Dann haben sie es geschafft. "Als wir über die Brücke waren, ist die Angst gewichen." Kurze Zeit später sitzt sie im Zug zurück in ihre Heimatstadt Frankfurt. Sie ist froh, dass sie entkommen ist. Doch sie muss immer noch an den netten Mann von der Rezeption denken - und hofft, bald zu erfahren, dass es ihm gut geht.

Nach Angaben eines Feuerwehrsprechers wurde das Hotel evakuiert und 35 Menschen vom Rettungsdienst gesichtet. Zwei Menschen wurden laut Polizei durch Glassplitter verletzt und in ein Krankenhaus gebracht.

Quelle: ntv.de

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