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Nach einer Ehe … Muss ich mich als "geschieden" bezeichnen?

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Müssen sie sich bald als geschieden bezeichnen? Bei Jennifer Lopz und Ben Affleck soll der Haussegen gewaltig schief hängen.

Müssen sie sich bald als geschieden bezeichnen? Bei Jennifer Lopz und Ben Affleck soll der Haussegen gewaltig schief hängen.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Einmal "geschieden", immer "geschieden" - bis man sich wieder traut. So war es schon in Preußen, und so steht es noch im Gesetz. Wer den - zweifelsohne negativ konnotierten - Personenstand nicht mag, muss sich übrigens nicht "geschieden" nennen.

Es war die Schlüsselszene des mittlerweile 14 Jahre alten Hollywood-Films "The Social Network", der die Anfänge von Facebook zeigt. Kurz bevor das Netzwerk 2004 live ging, entschied sich der Gründer Mark Zuckerberg für eine Ergänzung im Nutzerprofil: den "Beziehungsstatus". Der sei es, was Menschen am meisten an anderen interessiert und was sie auszeichnet. Jeder frage sich irgendwann über andere: Sind sie zu haben, gebunden oder vielleicht gescheitert? The good, the bad and the ugly!

Wer "geschieden" ist, weiß mindestens ein Lied von der Hässlichkeit des Personenstands zu singen: Beim Finanzamt bedeutet er unweigerlich das Ende steuerlicher Vorteile. Bei der Bank vielleicht einen schlechteren oder gar keinen Kredit. Bei manchen Arbeitgebern kann es ungemütlich werden und in seltenen Fällen sogar zur Kündigung kommen. Und beim Dating stören Gedanken und Rechtfertigungen: Die einen halten Geschiedene für unfähig, eine ernsthafte Beziehung zu führen. Die anderen wittern vielleicht eine Menge Verpflichtungen gegenüber Ex-Partner(n) und Kinder(n). Wieviel leichter wäre es, könnte man sich in diesen Momenten einfach wieder als "ledig" vorstellen?

Ist der Personenstand "geschieden" diskriminierend?

Zunächst drängt sich die Frage auf, ob die Bezeichnung "geschieden" womöglich diskriminierend ist. Genau genommen informiert sie nur über eins: eine missglückte Ehe. Dieser Makel bleibt so lange als Negativmerkmal an der geschiedenen Person haften, bis sie wieder eine Ehe wagt. Für die Mut- und Glücklosen im Zweifel also ein Leben lang.

Für eine kompetente Antwort erscheint das Bundesministerium für Familie wie die richtige Stelle, doch der Pressestab lehnt gegenüber ntv.de die Zuständigkeit ab. Deutlich mehr hat der vom selben Ministerium finanzierte, aber unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes mitzuteilen. Dessen Sprecher Sebastian Bickerich weist darauf hin, dass Auskünfte zum Personenstand in Deutschland kein offizielles "Diskriminierungsmerkmal" darstellen. Im Klartext: Während gemäß des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes niemand wegen Hautfarbe und Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, Geschlecht oder sexueller Identität benachteiligt werden darf, kann es passieren, dass ledige, verheiratete, geschiedene oder verwitwete Menschen genau aus diesen Umständen schlechter behandelt werden. Wenngleich eine Scheidung arbeitsrechtlich kaum noch als Kündigungsgrund durchzusetzen ist, könnte sie die Ablehnung einer Einstellung, eines Mietverhältnisses oder eines anderen Vertrags begründen.

"Geschieden" im Lebenslauf ist freiwillig

In nicht wenigen Ländern der Europäischen Union ist das anders: In immerhin 17 von 27 Staaten, darunter in unseren Nachbarländern Polen, Tschechien, Österreich, Frankreich, Belgien und den Niederlanden, ist der Familienstand per Gesetz vor Diskriminierung geschützt. Für Deutschland, so Bickerich, habe man sich schon die Frage gestellt, ob der Katalog unerlaubter Diskriminierungen erweitert werden sollte, etwa auch um familiäre Angelegenheiten. Deswegen wurde 2019 ein Rechtsgutachten beauftragt, in dem das Wort "geschieden" immerhin erwähnt ist - mit Verweis auf die Lage im Vereinigten Königreich, wo bis heute Ehen geschützt sind, aber alle Arten von alleinstehenden Menschen nicht. Es kursierte deshalb ein Reformvorschlag, generell den Familienstand zu schützen. Dazu ist es weder in Großbritannien noch hierzulande gekommen. Die deutsche Beauftrage für Diskriminierung, Ferda Ataman, hat unterdessen vorgeschlagen, Personen ausdrücklich vor Diskriminierung zu schützen, die sich um andere Familienmitglieder kümmern. Dass darunter ausgerechnet Geschiedene fallen, ist indes nicht zu erwarten …

Das alles sind Gründe, sich gegen das Label "geschieden" zu entscheiden - und es sich nicht im Nutzer - und Kundenprofil von Unternehmen anheften zu lassen.

Das Gute: Eine Verpflichtung dafür gibt es meist nicht. Die Pflicht, über eine rechtskräftige Scheidung zu informieren, besteht nur gegenüber wenigen Stellen wie dem Finanzamt. Das ist folgerichtig, damit steuerliche Vorteile wie das "Ehegattensplitting" enden, die man aufgrund einer Ehe hatte. Dasselbe gilt für Angestellte gegenüber dem Arbeitgeber, der allerdings auch vom Finanzamt in Kenntnis gesetzt wird, sowie gegenüber der Krankenkasse und anderen Versicherungen, wenn Ehepartner familienversichert waren. Eine andere Behörde, die von Familiengerichten automatisch informiert wird, ist das Standesamt. Und sollte man nach einer Scheidung einen neuen Namen tragen, muss man das selbstverständlich auch bekannt machen.

Das Schlechte: Viele Geschiedene wissen das alles nicht! Deshalb nehmen sie die Bezeichnung "geschieden" nicht nur in allen möglichen privaten Rechtsbeziehungen in Kauf, sondern schreiben sie freiwillig in ihren Lebenslauf, obwohl sie dazu nicht verpflichtet sind.

"Single" statt "ledig" - das ist die informelle Empfehlung

Obwohl geschiedene Personen mit Fug und Recht von sich behaupten können, wieder alleinstehend zu sein, ist man nach deutschem Recht nicht "ledig", sobald man einmal geheiratet hat. Zuständig für das Personenstandsrecht ist übrigens das Bundesinnenministerium, wo man erklärt, dass "ledig" lediglich bedeutet, noch nie verheiratet gewesen zu. "Alleinstehend" sei unterdessen kein offizieller Familienstand.

Dasselbe gilt für die Bezeichnung "single", die in den USA oder in Großbritannien gängig ist - womit man wieder beim "relationship status" von Facebook ist. Spätestens seit dem Werbespruch "Singles mit Niveau" der Partnervermittlung Elite Partner gilt "Single" als salonfähig. Aus sprachlicher Sicht ist das perfektes Denglisch, also deutsch-englisches Mischmasch, da "single" im Englischen nicht als Substantiv gebraucht wird, sondern als Adjektiv und man daher sagen würde: "I am a single person", nicht "I am a single".

Der Ausdruck spiegelt die ohnehin stark anglisierte deutsche Alltagssprache - und gilt auch in juristischen Kreisen längst als "Best Practice", also beste informelle Variante für "geschiedene alleinstehende Personen". In keinem der abgefragten Ministerien will man das offiziell bestätigen, auch nicht im Bundesjustizministerium, wohin der Reporter vom Familienministerium verwiesen worden war. Aber es müsste ja mit dem Devil zugehen, wenn man in einem Haus unter Führung der FDP, also known as Freie Denglische Partei ("Digital first, Bedenken second"), nicht Sympathie für einen englischen Ausdruck hätte. Zugleich steht er für eine typisch deutsche Paradoxie: Strenge Gesetze - informelles Handling!

Quelle: ntv.de

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