Panorama

Eine für alle 'Ne ganz normale Diktatur halt ...

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Kein Hämmerchen zur Hand, dafür ein Glöckchen.

Kein Hämmerchen zur Hand, dafür ein Glöckchen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Kolumnistin erwägt, in die USA zu reisen. Dort würde sie gern mal wieder ihre Freunde in New York besuchen. In ihren WhatsApp-Verläufen und auf Insta befinden sich inzwischen natürlich nicht unbedingt nur politisch korrekte, also im Trump'schen Sinne, gefällige Nachrichten. Und dieser Text wird es nicht besser machen.

Wenn dem Präsidenten der USA etwas nicht passt und er es in seine Richtung ver(schlimm)bessern will, dann haut er auf den Tisch, und dann isses so. Ein kleines bisschen stelle ich mir immer vor, dass Julia Klöckner das auch so macht, sicher hätte sie gern so ein Hämmerchen wie Richter in US-Filmen zur Hand: Einmal kräftig klopfen und entschieden ist. Keine Regenbogenflagge: Klopf, zack, so ist es. Keine Kopfbedeckungen im Bundestag: Klopf, so soll es sein. Keine Sprüche auf T-Shirts: Hämmerchen, und fertig ist die Laube.

Dekret

Ein Dekret ist ein Beschluss oder eine Anordnung, die ohne Beteiligung des Parlaments erlassen wird. Das Wort stammt vom lateinischen "decretum" und bedeutet "Beschluss". Während in Deutschland dieser Begriff heute nicht mehr gebräuchlich ist und durch "Erlass" ersetzt wurde, ist das Dekret in anderen Rechtssystemen, wie den USA unter dem Präsidenten oder in historischen Kontexten, weiterhin von Bedeutung.

Zurück zu Trump: Er geht auf jeden Fall vor wie anderswo Autokraten und Diktatoren. Stellt sich ihm Widerstand in den Weg, erklärt er einfach einen Notstand. Einen umfassenden verfassungsmäßigen Notstand, wie in manch anderem Land, der Rechte und Regeln aussetzt, gibt es in den USA zwar nicht, wohl aber eine Handvoll, auf bestimmte Themenbereiche bezogene Gesetze, auf die er sich in seinen "Dekreten" beruft. Das eine oder andere Dekret (nicht zu verwechseln mit Sekret) möchte ich hier kurz anreißen, ansonsten verweise ich gern auf den Text meines Kollegen Roland Peters, der sich in New York tagtäglich ein Bild von allem macht.

  • Notstand an der Südgrenze zu Mexiko. Ausbau der Grenzanlagen und Einsatz des Militärs.
  • Nationaler Energienotstand.
  • Gesundheitsnotstand wegen Opioiden.
  • Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Brasilien.
  • Notstand wegen der Bedrohung der nationalen Sicherheit durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
    Laut Präsident nötig: Präsenz von Nationalgarde und Sicherheitsbehörden, Übernahme des Hauptbahnhofs.

    Laut Präsident nötig: Präsenz von Nationalgarde und Sicherheitsbehörden, Übernahme des Hauptbahnhofs.

    (Foto: REUTERS)

  • Kriminalitätsnotstand in der Hauptstadt Washington.
  • Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles wegen angeblicher Bedrohung von Bundesgebäuden und Mitarbeitern der Migrationsbehörde durch Demonstranten.

Und in solch ein Land möchte ich nun reisen? Ja, in die heimliche Hauptstadt, New York. Wie normal soll man das denn dort finden? Ich würde durch die Straßen New Yorks schlendern, wie immer, in Galerien und Museen gehen. Ich würde mich über die Architektur freuen, über den Duft, der aus dem Jo-Malone-Laden strömt, über eine neue Sonnenbrille von Cynthia Rowley nachdenken, ich gehe auf jeden Fall in die Ralph-Lauren-Filiale in Soho, weil Ralph Laurens lässige Eleganz für mich der Inbegriff des klassischen Amerikas ist. Des Amerikas, in dessen Sektor ich in Berlin aufgewachsen bin und das mir zeit meines Lebens ein Freund war.

Ich würde einen Bagel im Stehen essen und einen Tisch im Meatpacking District im "Pastis" reservieren, mit dem Fahrrad durch den Central Park fahren, ich würde ein irres Bild kaufen und für meinen Mann Schallplatten. Kerzenständer, die aussehen wie Papageien, die ich auch in Bonn oder Amsterdam bekomme, würde ich schweren Herzens doch nicht mitnehmen, aber ich würde ein paar tiefe Züge einatmen, denn an jeder Ecke riecht es nach Cannabis in allen Geschmacksrichtungen. Zu guter Letzt würde ich in einem Nagelstudio landen, weil das der ultimative Luxus ist, den ich mir zu Hause nie gönnen würde.

Wenn man mit sich im Reinen ist ...

Wenn man mit sich im Reinen ist ...

(Foto: IMAGO/UPI Photo)

Central Park in Mar-a-Lago?

Und während ich da nun so einen herrlichen Tag in New York verbracht hätte und bereits überlegen würde, was ich am nächsten Tag machen oder wann ich endlich wieder nach Kalifornien fliegen könnte, hätte der orange Mann im Weißen Haus vielleicht ein weiteres Dekret erlassen: "Fahrradfahren im Central Park verboten" vielleicht, oder den Park umbenannt, weil es einen Central Park nur in Florida nahe Mar-a-Lago geben kann.

Vielleicht würde vor meinen Augen eine Frau auf dem Broadway verhaftet werden, von Männern mit Masken und ohne Ausweise, die sie in ein Auto zerren. Vielleicht stünde ihre 14-jährige Tochter, mit der sie zu Besuch in New York ist, als ganz normale Touristin, nun weinend am Straßenrand und würde sich fragen, wie sie ohne ihre Mutter, von der sie tagelang nicht wissen würde, wohin sie gebracht wurde, wieder zurück nach Chile kommt. Oder Marokko. Die Mutter sah aber auch zu verdächtig aus, mit ihren dunklen Haaren und ihren dunklen Augen und ihrem unoperierten Gesicht, was reist die auch hierher?

Ich würde mich dann um das Mädchen kümmern und ihre Geschichte aufschreiben, die dann bei ntv.de von vielen Lesern gelesen werden würde. Diese Leserinnen und Leser würden sich aufregen und sagen: So ein verdammter Mist, was machen wir denn da? Und während ich schreibe und die Lesenden sich aufregen, würde Trump ein weiteres Dekret erlassen: JournalistInnen aus Deutschland, ach Quatsch, aus Europa, haben ab sofort gar keinen Zutritt mehr zu den heiligen Hallen der Unvereinigten Staaten. Wir müssen leider draußen bleiben!

Das ganze Leben ist ein Quiz ...

Und was machen wir jetzt? Ja, genau, was machen wir da? Wir protestieren, in Berlin, Hamburg und München, ändern wird sich aber nichts. Vielleicht holt die Julia dann ihr Hämmerchen wieder raus, klopft auf den Tisch und sagt: "So, jetzt Schluss hier mit Demo, das lassen wir mal fein sein, bringt ja eh nix, geht nach Hause, Leute." Zu Hause angekommen machen die Leute dann die Glotze an und sehen eine Quizsendung mit Jörg Pilawa. Gerade will er fragen: "Hat die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika 50 oder 52 Sterne?“, da setzt ein Rauschen ein.

So weit kommt's noch ...

So weit kommt's noch ...

(Foto: AP)

Ein großes, landesweites Rauschen: Fernseher gehen nicht, Handys auch nicht, nur ein einsames Klopfen ist zu hören. Es hallt durch Deutschland. Julia Klöckner hat ein neues Dekret beschlossen: Sie macht aus dem zweithöchsten Amt im Staat das höchste Amt im Staat. Why not? Genau, warum eigentlich nicht? Denn was Donald kann, kann man hier doch schon lange.

Quelle: ntv.de

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