Tote Zehnjährige Noch ist unklar, was in Wunsiedel passiert ist


Das Mädchen wurde in der Kinder- und Jugendeinrichtung betreut.
(Foto: RTL/ntv)
Eine Zehnjährige stirbt in einem Kinderheim in Wunsiedel unter noch "ungeklärten Umständen". Es gibt Anzeichen für ein Fremdverschulden. Doch noch sind viele Fragen offen.
Wann wurde die Zehnjährige gefunden?
Mitarbeitende der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef in Wunsiedel fanden das Mädchen am Dienstagmorgen um 8.45 Uhr in einem der Zimmer. Das herbeigerufene Notarztteam konnte jedoch nur noch den Tod feststellen, gaben Polizei und Staatsanwaltschaft dann am Mittwoch bekannt.
Wurde die Zehnjährige getötet?
Nach dem Auffinden des Mädchens sperrte die Polizei das Gelände der Einrichtung weiträumig ab, um Spuren zu sichern. Gleichzeitig lief die gerichtsmedizinische Untersuchung des Kindes an. Eine erste Obduktion habe dann Anzeichen für ein "Fremdverschulden" ergeben, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. In einer neuen Pressemitteilung heißt es am Donnerstag, es gebe Ermittlungen zum Verdacht eines Tötungsdeliktes, man gehe jedoch nicht von einem Sexualdelikt aus.
Welche anderen Möglichkeiten kommen noch in Betracht?
Eine Möglichkeit wäre beispielsweise ein Suizid, eine andere ein Unfall. Die Formulierung "Fremdverschulden" spricht dafür, dass die Ermittler die Beteiligung mindestens einer weiteren Person vermuten. Juristisch liegt dabei die Bandbreite zwischen Körperverletzung mit Todesfolge und Mord. Möglich wären ein Streit, bei dem das Opfer durch unglückliche Umstände zu Tode kommt, eine Tat im Affekt oder auch eine geplante Tötung.
Was haben die Ermittlungen bisher ergeben?
Aus Sicherheitskreisen hieß es am Mittwoch, zwei Jungen im Alter von 11 Jahren und ein 16-Jähriger stünden im Fokus der Ermittler. Inzwischen widersprach die Staatsanwaltschaft aber ausdrücklich Mutmaßungen, dass es Indizien für eine Beteiligung der Kinder und des Jugendlichen in dem Fall gebe. Es gebe derzeit keinen konkreten Tatverdacht gegen eine oder mehrere Personen, es sei auch niemand in Gewahrsam.
Wie gehen die Ermittlungen jetzt weiter?
Derzeit laufen noch gerichtsmedizinische Untersuchungen, bestimmte Laborergebnisse benötigen beispielsweise mehr Zeit. Außerdem müssen die Spuren ausgewertet werden, die die Spurensicherung in dem Heim bisher gesichert hat. Daraus ergeben sich dann wiederum mögliche neue Ermittlungsansätze. Derzeit laufen auch noch immer Spurensicherungsmaßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung. Es gebe derzeit zudem "umfassende Befragungen und Überprüfungen auch im sozialen Umfeld des Opfers". Demnach werden alle Personen überprüft, die sich vor und zum Zeitpunkt des Auffindens des Leichnams in dem Gebäude der Einrichtung aufgehalten haben. Es wird versucht, den Ablauf der Ereignisse so genau wie möglich zu rekonstruieren, dazu wird auch das Umfeld des toten Kindes beleuchtet, seine Kontakte zu Gleichaltrigen oder Erwachsenen beispielsweise, aber auch eine eventuelle medizinische Vorgeschichte. "Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass sich jemand unberechtigt von außen Zutritt zur Einrichtung verschafft hat", so die Polizei.
Was ist das für eine Einrichtung, in der das Mädchen ums Leben kam?
Bei St. Josef handelt es sich nach Angaben auf der Webseite des Hauses um eine Facheinrichtung für junge Menschen und ihre Familien, die Hilfe zur Erziehung benötigen. Die Zahl verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher sei von früher 16 Prozent auf mittlerweile etwa 40 Prozent gestiegen, sagte die Psychologin Rüya Kocalevent ntv. Dazu gehörten der Expertin zufolge beispielsweise aggressives Verhalten, oppositionelles Verhalten oder Hyperaktivität. Normalerweise sind in Wunsiedel etwa 90 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene untergebracht. Die Kinder und Jugendlichen leben in meist altersgemischten Wohngruppen zusammen und werden von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen betreut. Zum Zeitpunkt des Todes des Kindes befand sich ein Großteil von ihnen auf einer Ski-Freizeit.
Warum sagen Polizei und Staatsanwaltschaft bisher eher wenig?
In Fällen, in denen Kinder als Opfer oder Täter beteiligt sind, stehen diese unter besonderem Schutz. Im Fall von Wunsiedel wartete die Polizei 24 Stunden nach dem Auffinden des toten Mädchens damit, die Öffentlichkeit zu informieren. Diese Zeit sei unter anderem genutzt worden, um die Spurensicherung in Ruhe vornehmen zu können. Außerdem sei die Sonderkommission "Park" eingerichtet worden, die nun die Ermittlungen führt. Die Soko sei inzwischen auf über 40 Ermittlerinnen und Ermittler aus mehreren Polizeidienststellen angewachsen, die "unter Hochdruck" arbeiteten.
Welche Reaktionen gibt es bisher auf den Fall?
Das Entsetzen über den Fall ist groß. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann teilte mit: "Diese schreckliche Tat hat mich zutiefst bestürzt und lässt mich fassungslos zurück." Auch Wunsiedels Zweiter Bürgermeister Manfred Söllner zeigte sich tief betroffen. Viele Bürger könnten "das gar nicht fassen".
Am Nachmittag kam Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf nach Wunsiedel. "Ich hoffe sehr, dass wir bald ein Ermittlungsergebnis haben, damit hier wieder Normalität einkehren kann", sagte die CSU-Politikerin nach Gesprächen in der Einrichtung in Wunsiedel. Sie legte weiße Blumen nieder und entzündete eine Kerze. Scharf sprach von einer "dramatischen Situation" für alle.
Die Kinder kämen aus schwierigen Lebenssituationen in die Einrichtung, die einen "vorbildlichen Ruf" habe. "Jetzt ist es wichtig, dass wir das aufarbeiten und die Kinder begleiten auf diesem Weg." Der Träger habe das Personal verstärkt, um Kinder, Jugendliche und Mitarbeiter zu unterstützen. Kurz nach dem Tod des Mädchens sprach sie zudem von einem "unglaublich schmerzhaften Verlust".
Quelle: ntv.de