71 tote Flüchtlinge in Kühl-LKW Polizei hörte Schleuser bei Todesfahrt ab
14.06.2017, 20:49 Uhr
Der Lastwagen wurde auf der österreichischen A4 nahe Parndorf entdeckt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Medienberichten zufolge hatte die ungarische Polizei die Schlepper, die 71 Flüchtlinge zwischen Österreich und Ungarn ersticken ließen, bereits im Visier. Der Fahrer des Kühllasters und seine Komplizen wurden auch am Tag der Todesfahrt überwacht.
Die Schleuserbande, die für den Tod von 71 Flüchtlingen nahe der ungarisch-österreichischen Grenze verantwortlich ist, ist der ungarischen Polizei bekannt gewesen. Dies berichten NDR, WDR und die "SZ" unter Berufung auf die Ermittlungsakte des Falles aus dem August 2015. Demnach hörte die Polizei schon fast zwei Wochen Telefongespräche der späteren Täter ab, so auch am Tag der Tragödie. Die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran erstickten im Dunkeln und wurden in Österreich in dem verlassenen LKW entdeckt.
Die Ermittler zeichneten auch ein Gespräch zwischen dem Fahrer des Kühllastwagens und einem weiteren Mitglied des Schleusernetzwerks auf. In den Protokollen sind Hinweise auf die Situation im Ladebereich des Fahrzeugs enthalten. Dem Bericht zufolge übersetzte und wertete die ungarische Polizei die Aufzeichnungen erst aus, nachdem die Toten im LKW entdeckt worden waren. In den Berichten werden die Männer wie folgt zitiert:
Ivaylo S. (Fahrer): "Wenn sie weiter so klopfen, wird man es an der Grenze hören. Dort gibt es Polizei. Was soll ich machen, wenn ich dort bin?"
Metodi G.: "Scheiße. Man könnte meinen, dass dieses Mal einfach viel zu viele Leute drin sind. Aber das ist ein Kühlwagen und drinnen riecht es zu stark."
Ivaylo S.: "Es riecht wirklich sehr stark."
Metodi G.: "Ich denke, dass die Leute im Laster keine Luft bekommen, ich bin mir 100 Prozent sicher. Du musst nur weiterfahren! Das ist das Wichtigste."
Ivaylo S.: "Sie schreien einfach die ganze Zeit, du kannst dir gar nicht vorstellen, was hier los ist, wie sie schreien. Scheiße!"
Bei einem weiteren Gespräch schlug ein Mitglied der Schlepperbande vor, den Insassen Wasser zu geben. Sein Gesprächspartner erwiderte, der Fahrer dürfe nicht die Tür öffnen, nicht anhalten, sondern solle weiterfahren. "Falls die Leute sterben sollten, dann soll er sie in Deutschland im Wald abladen", wird ein Bandenmitglied aus der Akte zitiert.
Dem Bericht zufolge hatten die Ermittler zuvor bei Dutzenden Einsätzen Fahrer des Schleusernetzwerks gefasst und Beweismaterial sichergestellt. Deshalb hörten sie später die Telefone der Mitglieder ab. Die beiden Anführer der Schleuserbande seien der Polizei spätestens seit Juli 2015 bekannt gewesen, aber nicht verhaftet worden.
Quelle: ntv.de, rpe