Bundeswehr startet Hilfseinsatz Portugal kämpft mit der dritten Welle
03.02.2021, 21:32 Uhr
Portugal droht von einer dritten Corona-Welle überrollt zu werden. Alleine im Januar starben über 6000 Menschen an Covid-19, die Kliniken sind teils über die Belastungsgrenze hinaus mit Patienten belegt. Ein Hilfstrupp der Bundeswehr landet in Lissabon - von großen Emotionen begleitet.
Als sich vor Lissabons größtem Krankenhaus die Krankenwagen mit Covid-19-Patienten stauten, weil die Klinik völlig überfüllt war, wusste die portugiesische Regierung sich nicht mehr anders zu helfen - sie bat um internationale Hilfe. Deutschland sprang dem südeuropäischen Land mit einem Hilfseinsatz bei. Ein 26-köpfiges Team aus Ärzten, Pflegefachkräften und Hygiene-Experten landete nun auf dem Militärflughafen Figo Maduro in Lissabon - und mit ihnen 50 Beatmungsgeräte und jeweils 150 Infusionsgeräte und Krankenbetten. Das deutsche Hilfsteam soll demnach für drei Wochen in Portugal bleiben und den Kampf gegen das Coronavirus dort in einem Krankenhaus unterstützen.
"Emotionen pur", twitterte die Luftwaffe nach der Landung. Der Chef der portugiesischen Luftwaffe, General Joaquim Borrego, habe den deutschen Helfern mit Tränen in den Augen "von der Dankbarkeit der Menschen" in seinem Land für die Hilfe des Sanitätsdiensts der Bundeswehr berichtet. Der Airbus A400M war am Vormittag vom Fliegerhorst Wunstorf nach Lissabon gestartet. Vor dem Abflug hatte der Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Ulrich Baumgärtner, den Einsatz als "Zeichen für die europäische Solidarität" bezeichnet. "Ein Volk allein kann das nicht bewältigen, wir müssen zusammenstehen", sagte Baumgärtner.
Krankenhäuser unter "gigantischem Druck"
Die dritte Corona-Welle hat das Land mit voller Wucht getroffen. Lässt man Kleinststaaten außen vor, ist Portugal mit seinen zehn Millionen Einwohnern seit zwei Wochen das am stärksten von der Pandemie betroffene Land der Welt hinsichtlich der Zahl der Todesfälle und Neuinfektionen pro Kopf. Seit Beginn der Pandemie starben dort insgesamt mehr als 13.000 Menschen nach einer Corona-Infektion, fast die Hälfte davon im Januar. Regierungschef António Costa sprach von einem "gigantischen Druck", der auf den Krankenhäusern laste. Österreich und das Nachbarland Spanien haben angeboten, Intensivpatienten aus Portugal aufzunehmen.
Im Hospital de Santa Maria in Lissabon, einem der größten Krankenhäuser des Landes, sind derzeit 333 der 350 für Corona-Patienten vorgesehenen Betten belegt - auf der Intensivstation sind nur noch sechs Plätze frei. In einem Krankenhaus, das im Einzugsgebiet der Lissabonner Vororte Amadora und Sintra liegt, ist die Lage seit einem Zwischenfall vergangene Woche besonders angespannt. Als im Sauerstoffnetz des Krankenhauses wegen Überlastung ein Problem mit dem Druck auftrat, sei Chaos ausgebrochen, hieß es aus Kreisen des Hospitals. Zu dem Zeitpunkt wurde eine Rekordzahl von 363 Covid-19-Patienten dort behandelt - drei Mal so viele wie das Krankenhaus eigentlich aufnehmen kann.
Rund 150 Patienten mussten mit tragbaren Sauerstoffflaschen beatmet werden, mehr als 100 weitere wurden rasch in andere, ebenso überfüllte Krankenhäuser verlegt. Landesweit liegen derzeit rund 6700 Covid-19-Patienten im Krankenhaus, davon etwa 850 auf der Intensivstation. Die Lage in Portugal sei "unvergleichlich schwieriger" als in Deutschland, so Generaloberstabsarzt Baumgärtner. "Die Krankenhäuser laufen über. Deshalb werden wir dort gebraucht." Die Kapazitäten der Intensivmedizin seien am "Rand der Möglichkeiten und darüber hinaus".
Strikter Lockdown kam zu spät
Nachdem Portugal die erste Corona-Welle vergleichsweise gut überstanden hatte, verhängte die Regierung lediglich Teil-Lockdowns. Als die Corona-Beschränkungen zu Weihnachten noch mal gelockert wurden und sich die deutlich ansteckendere britische Virusvariante im Land ausbreitete, stiegen die Fallzahlen explosionsartig an. Mitte Januar reagierte die Regierung und verhängte einen strikten Lockdown. Zu spät, aus Sicht des Virologen Pedro Simas vom Institut für molekulare Medizin in Lissabon. "Der strenge Lockdown hätte schon vor Weihnachten beginnen müssen, so wie in anderen Ländern", sagt er.
Portugal sei von der dritten Welle getroffen worden, als es fast noch in der zweiten Welle steckte und die Ansteckungszahlen viel zu hoch gewesen seien. Nun sei es "das am schlimmsten betroffene Land der Welt, aber wir sehen bereits erste positive Anzeichen", sagt Simas. "Die Zahl der täglichen Neuinfektionen stabilisiert sich." Zudem sei ein rückläufiger Trend zu erkennen. Auch andere Experten berichten, einige Regionen Portugals hätten den Höhepunkt der dritten Welle erreicht - in den kommenden Tagen dürfte dies nach Expertenmeinung auch für die Region Lissabon eintreten. Am Dienstag meldeten die Gesundheitsbehörden für den zweiten Tag in Folge landesweit weniger als 6000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden - seit Anfang Januar hatten die Zahlen immer deutlich darüber gelegen.
Quelle: ntv.de, jhe/AFP