Stark steigende Fallzahlen RKI: Ohne Teil-Lockdown 400.000 Infektionen pro Tag
03.11.2020, 13:57 Uhr
"Unser Gesundheitssystem hat seine Grenzen", sagt RKI-Vize Schaade mit Blick auf die stark wachsende Zahl der Corona-Neuinfektionen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Zahl der Intensivpatienten wächst, Pflegepersonal fehlt: Ohne die aktuellen Corona-Regeln könnte es bis Weihnachten Hunderttausende Neuinfektionen geben, warnt RKI-Vize Schaade. Die Corona-Krise sei noch längst nicht ausgestanden, sagt auch Bundesgesundheitsminister Spahn. Wichtigstes Ziel sei, eine Überlastung der Krankenhäuser abzuwenden.
Ohne den aktuellen Teil-Lockdown des öffentlichen Lebens könnte es bis Weihnachten bis zu 400.000 tägliche Corona-Neuinfektionen geben, warnte Lars Schaade, Vize-Präsident des Robert-Koch-Instituts. Es habe zuletzt eine Verdoppelung der Corona-Neuinfektionen innerhalb von 10 Tagen gegeben. "Wenn das genauso weiter ginge, hätten wir bis Weihnachten über 400.000 gemeldete Neuinfektionen pro Tag", erklärte Schaade. "Noch können wir alle versorgen, noch reicht das medizinische Personal. Aber auch unser Gesundheitssystem hat seine Grenzen."
Daher seien die in der vergangenen Woche von Bund und Ländern intensivierten Maßnahmen notwendig, weil Deutschland sich in einem exponentiellen Wachstum befinde. Mit einer zeitlichen Verzögerung würde auch die Anzahl der schwer an Corona erkrankten Patienten und damit auch die Zahl der Intensivpatienten steigen. "Dies überlastet mit der Zeit jedes Gesundheitssystem. Wir müssen natürlich auch mit weiteren Todesfällen rechnen", so Schaade.
Der RKI-Vize zeigte sich allerdings auch überzeugt, dass es eine realistische Chance auf einen baldigen Impfstoff gegen das Virus gebe, denn es liefen vielversprechende Studien. "Viele Menschen zu impfen dauert aber seine Zeit", sagte Schaade. "Bis dahin müssen wir erreichen, dass es zu so wenig Todesfällen, schwereren Erkrankungen und Folgeschäden wie möglich kommt. Das ist uns bisher insgesamt gut gelungen."
"Die Lage ist ernst"
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte die Notwendigkeit der Maßnahmen, zu denen die Schließung von Gaststätten sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen im November gehören. "Um die Pandemie im Griff zu behalten, mussten wir die Notbremse ziehen. Denn wenn die Gesundheitsämter die Infektionen nicht mehr nachverfolgen können, gewinnt das Virus jeden Tag weiter an Schrecken. Und das wollen wir nicht zulassen", so Spahn auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Schaade, Virologen sowie Labor- und Intensivmedizinern.
"Diese Pandemie ist eine echte Mammutaufgabe für uns als Regierung und für jede und jeden einzelnen in der Gesellschaft", sagte Spahn. Der "Höhepunkt" dieser Aufgabe sei noch nicht erreicht. "Wir sind in einer entscheidenden Phase", betonte er. "Die Lage ist ernst."
Kritik daran, dass die Anti-Corona-Politik immer wieder geändert wird, wies Spahn zurück. "Dieses Virus ist tückisch, es lässt keine einfachen Antworten dazu", sagte er. "In einer dynamischen Lage gehört das Anpassen der Lage zur Strategie." Der November mit seinem Teil-Lockdown könne und werde helfen, das Virus besser in den Griff zu bekommen.
Quelle: ntv.de, hny/DJ/AFP