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Ausdruck von Veränderung Reformiertes Bestattungsrecht gibt völlig neue Möglichkeiten

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Tote müssen weiterhin bestattet werden, aber nicht unbedingt auf dem Friedhof.

Tote müssen weiterhin bestattet werden, aber nicht unbedingt auf dem Friedhof.

(Foto: picture alliance/dpa)

Das Bestattungsrecht ist Ländersache und in einem Punkt waren sich die Länder bisher einig: Tote gehören auf den Friedhof. Doch Rheinland-Pfalz ändert sein Bestattungsrecht nun grundlegend und macht Beisetzungen möglich, die bisher undenkbar waren.

Wer in den vergangenen Jahren einen nahestehenden Menschen beerdigen musste, war vermutlich überrascht, wie sehr sich Beisetzungen im Laufe der Zeit verändert haben. Ein Abschied auf hoher See ist längst ebenso möglich wie eine von den Enkeln bunt bemalte Urne oder ein aus Weidenruten geflochtener Sarg.

Im Oktober tritt in Rheinland-Pfalz ein neues Bestattungsgesetz in Kraft, das noch weitere Möglichkeiten eröffnet. Dann werden auch Fluss- und Tuchbestattungen erlaubt sein, aus der Asche Verstorbener dürfen Diamanten hergestellt werden, die Asche kann unter bestimmten Umständen auch unter einem Apfelbaum verstreut oder sogar in der Urne zu Hause aufbewahrt werden. Zuvor hatte bereits Sachsen-Anhalt sein Bestattungsrecht modernisiert.

Für Stephan Neuser ist das zum einen Ausdruck einer immer stärker individualisierten Gesellschaft. "Wir sind es gewohnt, jeden Tag autonome Entscheidungen zu treffen", sagt der Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter ntv.de. "Diese Bedürfnisse spiegeln sich dann auch wider, wenn man über die eigene Endlichkeit nachdenkt oder einen konkreten Sterbefall hat." Hinzu kommt, dass sich immer weniger Menschen in religiösen Traditionen wiederfinden und neue Rituale suchen, um Abschied von ihren Toten zu nehmen.

Abschied von der Erdbestattung

Neuser sieht dies als Teil einer Entwicklung, die durch die Wiedervereinigung beschleunigt wurde. Vor 1990 war die Erdbestattung die häufigste Bestattungsart in Westdeutschland. "In der ehemaligen DDR war aber die Feuerbestattung die Hauptbestattungsart. Das ist sozusagen auf ganz Deutschland übertragen worden." Den Trend zeigen auch statistische Erhebungen. 2012 wurden noch 36 Prozent der Toten im Sarg bestattet, 2023 waren es nur noch 20 Prozent. Dadurch seien neue Unterformen der Feuerbestattung entstanden, sagt Neuser, "die zu einem vielfältigen Angebot geführt haben, wie man das vorher gar nicht kannte". Er nennt als Beispiele Seebestattungen, aber auch das Verstreuen von Asche auf dem Friedhof, die Beisetzung in einer Urnenstele, einem Kolumbarium oder auch Waldbestattungen.

Dem müssen die einzelnen Bundesländer wegen der föderalen Struktur des Bestattungsrechts nun Rechnung tragen. Diskutiert werden die Veränderungen oft leidenschaftlich. In Sachsen-Anhalt wurde der erste Entwurf für das neue Bestattungsgesetz schon 2001 vorgelegt und schließlich nach mehr als 20 Jahren der Beratungen darüber verabschiedet. Dabei war vielen längst klar, dass in anderen europäischen Ländern liberalere Gesetze gelten, die sich mit einem kleinen Umweg über das Krematorium eines Nachbarlands auch nutzen ließen.

Das liegt weniger an den großen Unterschieden in den Bestattungstraditionen als vielmehr daran, dass viele europäische Länder ähnliche Veränderungen erleben wie Deutschland. Wer heute einen nahen Angehörigen verliert, ist meist selbst auch schon nicht mehr ganz jung und schon deshalb kaum in der Lage, 30 Jahre lang ein Grab zu pflegen. "Außerdem sind die Familien nicht mehr an einen Ort gebunden, sondern sind in ganz Deutschland oder Europa verstreut", sagt auch Neuser. Das mache insbesondere im Sommer die Grabpflege schwierig.

Friedhöfe verlieren an Bedeutung

Die Lösung für das Problem heißt für viele "Pflegefreiheit" und das bedeutet häufig auch den Verzicht auf den Friedhof. Eine Entwicklung, auf die sich viele Friedhöfe möglicherweise zu spät eingestellt haben. In einer Umfrage gaben schon 2022 fast drei Viertel der Befragten an, dass sie den Friedhofszwang für eher veraltet oder sehr veraltet halten. Eine klassische Erdbestattung auf dem Friedhof wünschten sich noch 12 Prozent, ein Urnengrab weitere 14 Prozent. Spitzenreiter bei den Bestattungswünschen waren jedoch die pflegefreie Beisetzungsform auf einem Friedhof mit 18 Prozent und die Beerdigung in einem Bestattungswald, die 25 Prozent der Befragten wollten.

Deshalb sind die Neuregelungen für den Bestatterverband nur folgerichtig. "In Rheinland-Pfalz haben wir erstmalig eine Abkehr von der bis dato in allen Bundesländern bestehenden Friedhofspflicht", betont Neuser. "Wenn ich in Rheinland-Pfalz lebe und zu Lebzeiten im Zuge des Totenfürsorgerechtes verfüge, dass meine Urne meinen Angehörigen ausgehändigt werden soll, dann geht das jetzt. Das gab es bis dato noch nie."

Für Bestatterinnen und Bestatter ist diese Möglichkeit die logische Konsequenz aus den Kundenwünschen, die seit Jahren immer häufiger an sie herangetragen werden. "In den Trauergesprächen mit den Angehörigen spielt es zunehmend eine Rolle, dass manche die Urne mit nach Hause nehmen wollen, und sei es auch nur punktuell, um die Trauer zu bewältigen." Genauso ist es nun legal möglich, eine geringe Menge Asche zu entnehmen, beispielsweise, um daraus Erinnerungsschmuck oder Erinnerungsgegenstände anfertigen zu lassen.

Neuser geht davon aus, dass bei so vielen individuellen Möglichkeiten künftig Vorsorge eine noch größere Rolle spielen wird. Nur wer sich zu Lebzeiten Gedanken mache und mit Freunden, Bekannten oder der Familie spreche, habe die Sicherheit, dass der eigene Wille auch umgesetzt wird. Die Aufgabe der Bestatterinnen und Bestatter bleibe die Organisation und Durchführung der Bestattung, um Angehörigen und Freunden die Möglichkeit zu geben, den Tod zu begreifen. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, den Verstorbenen noch mal zu sehen und sich von ihm zu verabschieden. "Das, was den Menschen guttut und rechtlich möglich ist, soll individuell gemacht werden."

Quelle: ntv.de

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