"Ich lebe in einem Albtraum" Schwuler Lehrer an Berliner Grundschule gemobbt
22.05.2025, 18:54 Uhr Artikel anhören
An manchen Schulen herrscht ein raues Klima. Nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Schülerinnen und Schüler fühlen sich bedroht.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
"Schwul ist ekelhaft", bekommt ein Lehrer an einer Grundschule in Berlin-Moabit zu hören. Mit diesen und anderen schlimmen Erfahrungen, die er auf Arbeit macht, geht der Mann an die Öffentlichkeit. Es handelt sich nicht um einen Einzelfall.
Der Fall macht inzwischen Schlagzeilen: Ein homosexueller Lehrer an einer Grundschule in Berlin-Moabit ist nach eigenen Angaben von Schülern monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt worden. "Schwul ist ekelhaft", habe er zu hören bekommen. Muslimische Schüler hätten über ihn gesagt, er sei eine "Familienschande", er werde "in der Hölle landen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".
Der Mann, der als pädagogische Unterrichtskraft an der Carl-Bolle-Grundschule mit rund 325 Kindern im Bezirk Mitte arbeitet und insbesondere Schüler mit Förderbedarf unterstützt, schilderte seine Erfahrungen in einem Satz: "Ich lebe in einem Albtraum." Die "Märkische Oderzeitung" hatte im Februar darüber berichtet.
Experten gehen davon aus, dass Queerfeindlichkeit gegenüber Lehrkräften nicht nur vereinzelt vorkommt. Nach Einschätzung von Detlef Mücke von der Schwulen Lehrergruppe in der GEW machen viele homosexuelle Kollegen heute zwar eher positive Erfahrungen. "Aber natürlich gibt es Diskriminierungen an Berliner Schulen", sagte er. Und es gebe ein großes Dunkelfeld von Diskriminierungsfällen, die nicht bekannt werden. Wie auf Diskriminierung von Lehrkräften reagiert wird, sei von Schule zu Schule oft anders. Entscheidend sei, welche Grundhaltung ein Kollegium und welches Konfliktmanagement die Schule für solche Fälle habe.
Auch nach Einschätzung des Bundesverbands Queere Bildung mit Sitz in Köln ist Homophobie an Schulen kein Ausnahmefall. "Queerfeindliche Haltungen zeigen sich auch im Kontext Schule mittlerweile vehementer als noch vor einigen Jahren", sagte Vorstandsmitglied Rebecca Knecht. Das Phänomen religiös motivierter Abwertung queerer Menschen sei bekannt, sagte Knecht. Dabei seien aber nicht nur muslimische Argumentationsmuster zu beobachten, sondern auch christliche. "Wir sehen außerdem einen großen Zuwachs rechtsmotivierter Queerfeindlichkeit."
Berichte über aggressive Schüler
Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch sagte bei der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus, es gebe keine Statistik, wie oft homosexuelle Lehrkräfte Opfer von Mobbing würden. "Grundsätzlich möchte ich aber auch betonen, dass wir selbstverständlich mit allen Fällen, die bekannt werden, höchst sensibel umgehen und diesen umgehend nachgehen." Das Ziel sei dabei, entsprechende Unterstützungsangebote machen zu können.
Es ist nicht das erste Mal, dass über Berliner Schulen debattiert wird, etwa über Brandbriefe von Lehrern - wie erst im November an einer Schule im Stadtteil Friedenau. Aggressive Schüler bedrohten Lehrer und würden sich gegenseitig mobben, hieß es damals. Schülerinnen und Schüler sowie manche Lehrkräfte hätten Angst.
Bundesweit bekannt wurde die Neuköllner Rütli-Schule 2006: Lehrkräfte schrieben einen viel beachteten Brandbrief über aus ihrer Sicht unhaltbare Zustände. Nachdem jahrelang viel Geld investiert und neues Personal eingestellt wurde, ist die Rütli-Schule heute ein Vorzeigeprojekt.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa