Erneuter Hungerstreik geplant Sektenführer in Kenia droht dem Gericht wegen U-Haft


Die Staatsanwaltschaft wirft Mackenzie schon jetzt mindestens zwölf Verbrechen vor.
(Foto: REUTERS)
Über 400 Menschen sollen sich auf Geheiß von Hungerkult-Anführer Paul Mackenzie zu Tode gefastet haben. Weil die Ermittler noch immer neue Leichen finden, wartet der Beschuldigte in U-Haft auf seinen Prozess. Nun wettert er gegen die Bedingungen in seiner Zelle - und droht mit Konsequenzen.
"Wenn diese Leute wieder das Essen verweigern, dann ist dieses Mal die Staatsanwaltschaft verantwortlich", donnerte der kenianische Verteidigungsanwalt Wycliffe Makasembo im vollbesetzten Gerichtssaal in der kenianischen Küstenstadt Mombasa. Dort wird derzeit der grausamste Massenselbstmord in der jüngeren Geschichte des Kontinents behandelt. Über 400 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, haben sich auf Geheiß ihres Sektenführers in einem abgelegenen Waldgebiet zu Tode gefastet. Paul Mackenzie, Vorsteher der "Good News International" -Freikirche hatte ihnen gepredigt, dass die Welt untergehen werde und nur diejenigen vor Gott erlöst würden, die sich zu Tode hungern.
Im April hatten Kenias Polizeieinheiten auf einen Tipp aus der lokalen Bevölkerung hin das undurchdringliche Waldgebiet "Shakahola" entlang der Küste gestürmt und dort Hunderte Leichen sowie zahlreiche abgemagerte Menschen entdeckt, die kurz davor waren zu sterben. Sektenführer Mackenzie und zahlreiche weitere seiner Mitstreiter wurden festgenommen und sitzen seitdem in Untersuchungshaft.
Eine Anklage konnte noch nicht erfolgen, weil die polizeilichen Ermittlungen noch immer nicht abgeschlossen sind. Der Grund: Die Forensiker buddeln immer noch weitere Leichen aus. Im Juli wurden sogar Informationen bekannt, dass zahlreiche frische Leichen entdeckt wurden. Sprich: Einige von Mackenzies Mitstreitern sind noch immer auf freiem Fuß und praktizieren den Kult fort.
"Sind bereit, zum Yala-Fluss gebracht zu werden"
Unterdessen muss der Haftrichter am Gericht in Mombasa die Untersuchungshaft regelmäßig erneut prüfen. Bei der jüngsten Haftprüfung vergangene Woche legte Mackenzie Beschwerde ein. Er kritisierte die harschen Haftbedingungen: "Ich werde in einer dunklen Zelle festgehalten und alle meine Forderungen nach mindestens einer Stunde Ausgang im Sonnenlicht wurden verwehrt", klagte er gegenüber dem Richter.
Im rosafarbenen Polo-Shirt stand der Sektenführer von der Anklagebank auf und drohte öffentlich mit Konsequenzen: "Meine Mitstreiter und ich haben entschieden, dass wir dazu bereit sind, zum Yala-Fluss gebracht zu werden", wetterte er. Der Yala-Fluss ist einer von Kenias längsten Flüssen. Übersetzt bedeutet "Yala" aus der lokalen Sprache: "Du wirst wieder auferstehen." Dann erhob er seine Stimme gegen den Ankläger: "Wir werden alle sterben, und Sie, Herr Staatsanwalt, werden auch eines Tages sterben - es gibt keinen Ort, an den jemand fliehen kann, um dem Tod zu entkommen."
Bei diesen Worten musste sich Mackenzies Verteidiger Makasembo die Tränen aus den Augen wischen. Dann mahnte er im vollbesetzten Gerichtssaal vor einem weiteren Hungerstreik seiner Klienten. Es sei bereits der zweite Tage, an dem sie alle Nahrung verweigern. Im Juni hatten Mackenzie und seine 27-Mitgefangenen bereits aus Protest gegen die Haft gehungert, dabei war ein Sektenmitglied gestorben. Das Gericht ordnete daraufhin die Zwangsernährung an.
Haftrichter bleibt hart
Auch jetzt ignorierte der Haftrichter die Beschwerden und Drohungen und verlängerte die Untersuchungshaft um weitere 47 Tage, in der Hoffnung, dass die Ermittlungen bis dahin abgeschlossen sind und eine Anklage erfolgen kann. Mackenzie und seinen Mitstreitern werden mindestens zwölf Verbrechen vorgeworfen, darunter Mord, Beratung und Beihilfe zum Selbstmord, Entführung, Radikalisierung, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kinderquälerei sowie Betrug und Geldwäsche.
Der Massenselbstmord und die Rolle radikaler Sektenführer wird mittlerweile afrikaweit debattiert. Forschende wie Stan Chu Ilo, der als Kenianer in den USA an der Universität von Chicago Religionsgeschichte Afrikas lehrt, schätzt, dass es auf dem afrikanischen Kontinent über 1000 radikale religiöse Gemeinschaften gibt. Menschen, die wie in Afrika am Rande des Existenzminimums leben, seien für solche Endzeitpredigten besonders empfänglich, so Chu Ilo. In diesem Kontext sei es für Prediger einfach, den Menschen weiß zu machen, dass ihre schlechten Lebensbedingungen ein Zeichen dafür seien, "dass die Endzeit nahe ist".
Man müsse in diesem Kontext bedenken, dass es sich um Menschen handelt, die von Armut und Leid geplagt werden und daher in diesen Sekten Beistand finden. "Es ist eine Art Befreiung vom Leiden, indem man die Menschen davon überzeugt, dass sie eine Belohnung erhalten, wenn sie eine Heldentat vollbringen."
Quelle: ntv.de