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Festgenommene schweigen So erklären sich Experten die Kölner Explosionsserie

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Das Café in Köln-Pesch wurde durch den Brand weitgehend zerstört.

Das Café in Köln-Pesch wurde durch den Brand weitgehend zerstört.

(Foto: IMAGO/Panama Pictures)

In den vergangenen Wochen kommt es in Köln und Bonn zu mehreren Explosionen. NRW-Innenminister Reul sieht eine Verbindung zur Freigabe von Cannabis in Deutschland. Die Polizei fürchtet eine neue Dimension von Gewalt unter kriminellen Banden.

Die Liste ist beunruhigend: Am 25. September gibt es eine Explosion in der Escher Straße/Ecke Longericher Straße in Köln-Pesch. Ein Café brennt aus, zwei Menschen werden leicht verletzt. Am 21. September explodiert vor der Haustür eines Einfamilienhauses in Wachtberg-Adendorf bei Bonn ein Sprengsatz, es entsteht Sachschaden. Am 18. September werden die Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes in der Ehrenstraße eingeschlagen und ein Brandsatz gezündet, am 16. September erschüttert eine Explosion vor dem Vanity Club am Hohenzollernring die Kölner Innenstadt. Die Liste ließe sich bis in den Juli zurück füllen.

Die Polizei im Raum Köln sieht sich derzeit mit einer neuen Dimension von Gewalt unter kriminellen Banden konfrontiert. Und Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul und der Kölner Kripo-Chef Michael Esser lassen keinen Zweifel daran, welchen Hintergrund die Taten aus ihrer Sicht haben. Reul sagte der "Süddeutschen Zeitung", der Zusammenhang, den die Taten hätten, "heißt niederländische Drogenmafia". Esser sprach auf einer Pressekonferenz nach einer der Explosionen davon, dass eine Verbindung der Taten zu Organisierter Kriminalität in den Niederlanden auf der Hand liege.

Landläufig wird in diesem Zusammenhang von "Mocro-Mafia" gesprochen. Das hat seinen Ursprung darin, dass Drogenhändler aus dem Nachbarland teils eine marokkanische Herkunft haben. Expertinnen und Experten verweisen jedoch immer wieder darauf, dass sie den Begriff nicht verwenden und er die Struktur der organisierten kriminellen Banden auch nicht adäquat abbildet.

Kampf unter Kriminellen

Bereits innerhalb weniger Tage wurden laut Reul 13 Verdächtige festgenommen, Esser zufolge bearbeiten mehr als 60 Ermittlerinnen und Ermittler den Komplex. Reul zufolge ging es in den ersten Fällen im Juli um verloren gegangene Drogen, genauer gesagt "um 300 Kilo Cannabis im Wert von 1,5 Millionen Euro, was die wiederhaben wollten". Mit den Explosionen sollen dem CDU-Innenminister zufolge "andere Kriminelle unter Druck gesetzt werden".

Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, erkennt in diesem Vorgehen Parallelen zum Vorgehen der Organisierten Kriminalität in den Niederlanden. Er sagte dem WDR, dass die Methode, "vor Haustüren zu sprengen, in den Niederlanden mehrere Hunderte Male im Jahr angewendet" werde. Solche Anschläge sollen eine Botschaft ins kriminelle Milieu senden, so Huth. "Wir wissen, wo du bist. Wir können dich jederzeit erreichen." Auch Reul betont, "insgesamt geht es um Drohungen gegen Leute, die im kriminellen Milieu unterwegs und an Drogengeschäften beteiligt sind".

So ist vermutlich auch zu erklären, dass es eher um die Verursachung von Sachschäden gegangen sein dürfte, wobei auch die Verletzung Unbeteiligter in Kauf genommen wird. Von den Festgenommenen können sich die Ermittlerinnen und Ermittler jedoch kaum weitere Erkenntnisse erwarten. "Die Beteiligten, die wir festgenommen haben, sagen überhaupt nichts", sagte Reul. "Selbst jene, die in den Objekten wohnen und geschädigt sind, bleiben sehr verschwiegen, weil sie kein Interesse haben, dass die Vorgänge bekannt werden. Kooperation sieht anders aus."

Der Innenminister von NRW befürchtet zudem, dass das erst der Anfang einer verhängnisvollen neuen Entwicklung sein könnte. "Hier herrscht eine neue Form der Gewalttätigkeit, die wir bisher nicht kannten und um die wir uns kümmern müssen", so Reul, der eine Verbindung zur Freigabe von Cannabis in Deutschland herstellt.

Aufteilung des Cannabis-Marktes?

Auch das wäre eine Parallele zu den Entwicklungen in den Niederlanden. Das ZDF zitiert den niederländischen Kriminologen Robin Hofmann mit der Einschätzung, die Legalisierung kleiner Cannabis-Mengen in dem Land seien der "Ursprung der Mocro-Mafia". Experten zufolge reicht das legal erzeugte Cannabis in Deutschland derzeit nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Das schaffe einen Markt für illegal beschaffte Drogen. Im August rechnete der BDK-Vorsitzende von NRW Huth vor, dass der jährliche Bedarf an Cannabis bei etwa 400 Tonnen liegt.

Reul sieht einen Anstieg des Konsums und vermutet, dass Drogenkriminelle diesen wachsenden Markt bedienen. "Ich glaube nicht, dass die irgendwann aufgeben und sagen, sie hätten jetzt genug verdient", so der Minister. "Die werden weiterhin im Geschäft bleiben wollen. In den Niederlanden, wo die Drogenpolitik auch diesen Weg gegangen ist, ist auf den Straßen, was Gewalt im Zusammenhang mit Drogen betrifft, richtig was los."

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Er setzt darauf, dass die Ermittlungsbemühungen der hiesigen Behörden Erfolg haben und sich daraus eine gewisse abschreckende Wirkung ergibt. Im Fall der Explosion in dem Bekleidungsgeschäft sucht die Polizei mit Aufnahmen aus einer Überwachungskamera vom Kölner Hauptbahnhof nach einem Verdächtigen.

Wenige Stunden nach der jüngsten Explosion in einem Café gibt es zudem eine Erfolgsmeldung: Ein Verdächtiger stellt sich heute der Polizei. Er soll "Bezüge" zu dem Etablissement haben. Nach einem zweiten Verdächtigen, der von Augenzeugen in der Nacht beobachtet wurde, wird noch gefahndet. Eine Verbindung zu den anderen Explosionen mit mutmaßlich kriminellem Hintergrund sehen die Ermittler inzwischen nicht.

Quelle: ntv.de

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