Mordmerkmale erfülltStaatsanwalt will für Tankstellen-Schützen lebenslange Haft

2021 erschießt ein Mann einen jungen Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein. Ein Streit um die Maskenpflicht soll der Grund gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft sieht beim Angeklagten die Mordmerkmale "Heimtücke" und "niedrige Beweggründe" erfüllt. Für eine mögliche Haftstrafe macht das einen großen Unterschied.
Im Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Corona-Maskenpflicht sieht die Staatsanwaltschaft die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe bei dem Angeklagten erfüllt. "Anlass und Tat stehen in einem völligen Missverhältnis", sagte Oberstaatsanwältin Nicole Frohn in ihrem Plädoyer vor dem Landgericht Bad Kreuznach. Die Tat vor knapp einem Jahr im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein sei das erste Mal gewesen, dass es in Deutschland im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen zu tödlicher Gewalt gekommen sei, sagte Frohn. Sie forderte lebenslange Haft.
Sollte das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellen, wie die Staatsanwaltschaft es fordert, wäre eine Haftentlassung des heute 50-Jährigen bei einer Verurteilung zu einer lebenslangen Haft nach 15 Jahren ausgeschlossen. Das große Medieninteresse an dem Strafverfahren beweise, dass der Fall die Öffentlichkeit weiter bewege. Nach Frohns Ansicht gibt es in dem Prozess eine "eindeutige Beweislage" für den Tatvorwurf Mord.
Täter habe Gegner "in die Gaskammer schicken wollen"
Laut Staatsanwaltschaft soll der angeklagte 50-jährige Deutsche den 20 Jahre alten Tankstellen-Mitarbeiter am 18. September 2021 in Idar-Oberstein getötet haben, nachdem dieser ihn mehrfach auf die coronabedingte Maskenpflicht hingewiesen hatte. Für den Angeklagten sei das Coronavirus nur eine Art Grippevirus gewesen, eine Krankheit namens Covid-19 habe er geleugnet, sagte die Anklagevertreterin. Die Corona-Maßnahmen habe er als sinnlos und ungerechtfertigt empfunden - allen voran die Maskenpflicht. Verantwortlich für die Situation habe er vor allem die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gemacht. Im Laufe des Lockdowns habe er sich immer weiter radikalisiert, er habe Gegner "in die Gaskammer schicken wollen". Er habe, wie aus zahlreichen Chats im Internet hervorgehe, immer wieder mit Gewalt beispielsweise gegen die Polizei gedroht.
An die von ihm verantwortlich gemachten Politiker wie Merkel und Spahn habe der Angeklagte nicht herankommen können, sagte Oberstaatsanwältin Frohn. Den Kassierer habe er für die Corona-Situation mitverantwortlich gemacht, da dieser geholfen habe, die staatlich verordneten Maßnahmen durchzusetzen. Er habe den jungen Mann stellvertretend für alle erschossen, auf die sich seine Wut wegen der Maskenpflicht und anderer Maßnahmen gerichtet habe. Das Opfer sei arg- und wehrlos gewesen, daher sei das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.
Verteidigung hatte Zweifel an Schuldfähigkeit
Überwachungsvideos zeigen, wie der Tatverdächtige ohne Maske zwei Sixpacks Bier kaufen wollte. Nachdem der Kassierer den Kauf verweigerte hatte, verließ der 50-Jährige wütend die Tankstelle. Er kaufte dann in einer anderen Tankstelle - diesmal mit Maske - fünf Dosen Bier. Danach kehrte der Tatverdächtige ebenfalls mit Maske in die erste Tankstelle zurück, holte einen Sixpack Bier und ging zur Kasse. Dort zog er seine Maske runter, griff zur Waffe und schoss dem jugendlichen Verkäufer aus kurzer Entfernung ins Gesicht.
Der Angeklagte hat vor Gericht gestanden, den tödlichen Schuss abgefeuert zu haben. Er könne sich die Tat aber bis heute nicht erklären. Laut einem psychiatrischen Gutachten ist der mutmaßliche Täter trotz Alkoholisierung bei der Tat voll schuldfähig gewesen. Die Verteidigung warf dem Gutachter Befangenheit vor und forderte, die Schuldfähigkeit ein zweites Mal zu prüfen. Traumatisierende Erlebnisse des Angeklagten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Vater des Angeklagten hatte sich rund eineinhalb Jahre vor der Tat an der Tankstelle selbst mit einer Waffe umgebracht. Er hatte auch auf die Mutter des Angeklagten geschossen und sie dabei schwer verletzt. Der Angeklagte konnte seine Mutter nach eigener Aussage wegen der Corona-Auflagen nicht im Krankenhaus besuchen. Das Landgericht Bad Kreuznach lehnte den Befangenheitsantrag ab.
Der Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft wurde wegen Anträgen der Verteidigung mehrfach verschoben. Die Mutter des Opfers ist Nebenklägerin. Das Plädoyer der Verteidigung wird für diesen Freitag erwartet.