Lagebild des BKA Straftaten gegen Frauen nehmen zu
19.11.2024, 11:08 Uhr Artikel anhören
Ein neues Lagebild gibt erstmals ein umfassendes Bild von geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten. Die vom BKA zusammengestellten Daten zeigen, dass Frauen und Mädchen in vielerlei Hinsicht Opfer von Straftaten und Gewalt werden - weil sie Frauen und Mädchen sind.
Ob Hass im Netz, Sexualdelikte oder häusliche Gewalt: Straftaten gegen Frauen nehmen in allen Bereichen zu. Das zeigt das erstmals erstellte "Bundeslagebild geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten", das in Berlin vorgestellt wurde. "In jeder Fallgruppe ist im Vergleich zum Vorjahr die Anzahl der weiblichen Opfer gestiegen", heißt es darin.
Für das vom Bundeskriminalamt (BKA) zusammengestellte Lagebild wurden Daten zu Delikten gesammelt, "die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden oder in ihrer Ausprägung primär Frauen betreffen". Dazu gehören demnach Sexualstraftaten, häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, digitale Gewalt und Femizide. Zum anderen flossen Fälle von politisch motivierter Kriminalität ein, bei denen frauenfeindliche Vorurteile als Tatmotiv identifiziert wurden.
Bei Sexualstraftaten gab es demnach im vergangenen Jahr gut 52.300 weibliche Opfer; 6,2 Prozent mehr als 2022. Im Bereich häusliche Gewalt gab es einen Anstieg um 5,6 Prozent auf rund 180.700 weibliche Betroffene. 591 Frauen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung - ein Plus von 11,5 Prozent.
Tödliche Gewalt
Ein enormer Anstieg um 25 Prozent auf knapp 17.200 weibliche Opfer wurde im Bereich digitaler Gewalt festgestellt. Zudem wurden 360 Frauen getötet, weil sie Frauen waren - also etwa aus Frauenhass, wegen einer Trennung oder im Kontext eines patriarchalischen Gesellschaftsbilds des Täters. Solche Taten werden als Femizide bezeichnet. In weiteren 578 Fällen kam es zu einem versuchten Tötungsdelikt.
Bei der politisch motivierten Kriminalität wegen frauenfeindlicher Vorurteile wurden 322 Fälle registriert - 56,3 Prozent mehr als 2022. In fast der Hälfte der Fälle ging es um Beleidigungen. Es gab 29 Gewaltdelikte, meistens Körperverletzungen.
Das Lagebild zeige, dass Gewalt gegen Frauen "weiterhin ansteigt", heißt es in der Veröffentlichung. Eine Erklärung "liegt in einer Ideologie der Ablehnung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter". Der gesellschaftliche Wandel bezüglich Gleichberechtigung werde von Menschen, "die rigide an traditionellen Normen festhalten, als bedrohlich" empfunden.
Weiter heißt es, "durch die verstärkte Verbreitung von Hassbotschaften, Desinformation sowie extremistischer Ideologie und Propaganda über das Internet" werde auf "die Wahrnehmung sozialer Normen" eingewirkt. "Die Fehlwahrnehmung, dass die Ablehnung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter von der Mehrheit der Gesellschaft geteilt wird, kann die Bereitschaft zu Gewalt gegen Frauen erhöhen."
Tatsächliche Zahlen noch höher
BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer wies in der Mitteilung darauf hin, dass die Zahlen zeigten, dass Hass und Gewalt gegen Frauen ein zunehmendes gesellschaftliches Problem sind. In allen Bereichen der geschlechtsspezifisch gegen Frauen begangenen Straftaten sei ein Anstieg zu sehen. "Zudem müssen wir davon ausgehen, dass es weiterhin ein großes Dunkelfeld in diesem Phänomenbereich gibt und die tatsächlichen Zahlen, insbesondere in den Bereichen Häusliche und Digitale Gewalt, noch wesentlich höher sind."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte mehr Härte gegen die Täter und mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die Opfer. "Neben harten Strafen brauchen wir verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings und elektronische Fußfesseln, damit die Täter ihr Verhalten tatsächlich ändern und sich betroffenen Frauen nicht mehr unbemerkt nähern können", so die SPD-Politikerin.
Mit dem Lagebild kommt Deutschland einer zentralen Forderung der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, zur Sammlung und Bereitstellung von Daten nach.
Quelle: ntv.de, sba/AFP