Täter, Opfer, Motiv Tödliche Messerattacke in Aschaffenburg - was wir wissen und was nicht
22.01.2025, 19:19 Uhr Artikel anhören
Die Polizei und Rettungsdienste sind mit einem Großaufgebot vor Ort.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ein Afghane greift am Mittag in einem Park in Aschaffenburg mit einem Küchenmesser mehrere Menschen an. Er ersticht einen zweijährigen Jungen und einen Mann, der in Zivilcourage dazwischengegangen sein soll. Drei weitere Personen werden teils schwer verletzt. Nach der Gewalttat von Aschaffenburg ist das Entsetzen groß. Kanzler Olaf Scholz spricht von einer "Terror-Tat". Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gibt es keine Hinweise auf ein islamistisches Motiv. Die Polizei sucht nach Antworten. Was über die schreckliche Tat bekannt ist und welche Fragen noch offen sind.
Was ist über die Tat bekannt?
Ein Mann greift gegen 11.45 Uhr im Park Schöntal in Aschaffenburg den Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann zufolge "unvermittelt und gezielt" eine Kindergartengruppe mit einem Küchenmesser an. Er tötete einen 2-jährigen Jungen und einen 41-jährigen Mann, der die Kinder schützen wollte. Mehrere Menschen wurden dem Minister zufolge teils schwer verletzt, darunter auch ein zweijähriges Mädchen aus Syrien. Der Angreifer sei nach der Tat von Passanten verfolgt und zwölf Minuten nach der Tat von Polizisten festgenommen worden, sagte Herrmann nach seiner Begehung des Tatortes in einem Park in der Innenstadt. Der Minister hob in seinem Statement hervor, dass durch das mutige Einschreiten der Passanten "weitere Kinder vor dem Tod bewahrt" wurden.
Der Tatablauf ist auch Stunden nach der Attacke nicht gesichert. Die Polizei bittet um Hilfe möglicher Zeugen und will einer Mitteilung zufolge ein Portal für die Zusendung von sachdienlichen Bildern und Videos einrichten.
Was ist über den Tatverdächtigen bekannt?
Verdächtig ist ein 28-jähriger Mann mit afghanischer Staatsangehörigkeit. Er wurde festgenommen. Ob der Festgenommene sich schon zu der Tat geäußert hat, ist derzeit ungewiss. Er wird wahrscheinlich an diesem Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt.
Der Messerangreifer ist den Angaben zufolge in psychiatrischer Behandlung gewesen und sollte aus Deutschland ausreisen. Der Afghane sei in der Vergangenheit mindestens dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen, jeweils in psychiatrische Behandlung gekommen und wieder entlassen worden, sagte Herrmann. Im Dezember sei seine Betreuung angeordnet worden.
Nach Deutschland eingereist sei der Mann Mitte November 2022. Vor rund anderthalb Monaten habe er seine freiwillige Ausreise schriftlich angekündigt. Sein Asylverfahren sei daraufhin eingestellt worden, und er sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Ausreise aufgefordert worden. Er habe angegeben, beim afghanischen Generalkonsulat die nötigen Papiere besorgen zu wollen. Ausgereist sei er letztlich aber nicht.
Gibt es weitere Tatverdächtige?
Die Beamten sprachen zunächst von zwei festgenommenen Verdächtigen. Bei einem davon handelte es sich aber um einen Zeugen, wie sie später erklärten. Er wurde vernommen. Die Beamten gingen nicht von weiteren Tätern aus. Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung, hieß es. Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt, wodurch auch der Bahnverkehr beeinträchtigt wurde.
Was ist das Motiv?
Kanzler Olaf Scholz sprach von einer unfassbaren "Terror-Tat". Beim Verdächtigen haben Ermittler laut Bayerns Innenminister Herrmann keine Hinweise auf ein islamistisches Motiv gefunden. "Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung seiner offensichtlich psychischen Erkrankungen", sagte der CSU-Politiker. In der Unterkunft des Afghanen seien entsprechende Medikamente gefunden worden.
Die Durchsuchung habe aber "keinerlei Hinweise auf eine radikale, islamistische Gesinnung gebracht", sagte Herrmann. In den nächsten Tagen werde zum Motiv des Angriffs auf eine Kindergartengruppe weiter ermittelt.
Was ist über die Opfer bekannt?
Bei den Toten der Gewalttat von Aschaffenburg handelt es sich um einen 2-jährigen Jungen marokkanischer Abstammung und einen 41 Jahre alten Deutschen - ein Passant, der dazwischengegangen sein soll, um die Kinder zu schützen. Der getötete Mann soll laut Herrmann selbst Vater von zwei Kindern sein. Zudem wurden ein 2-jähriges Mädchen aus Syrien und ein 72-jähriger Deutscher schwer verletzt. Das Alter des Mannes war zuerst mit 61 angegeben worden.
Das kleine Mädchen sei mit drei Messerstichen im Halsbereich ins Klinikum Aschaffenburg gebracht worden. Zudem habe dort der 72-Jährige wegen Stichverletzungen im Brustkorb operiert werden müssen. Eine 59-jährige Erzieherin habe sich auf der Flucht vor dem Täter den Arm gebrochen und sei ebenfalls in die Klinik gebracht worden. Alle drei seien außer Lebensgefahr.

Rettungskräfte gehen in der Nähe eines Tatortes eine kleine Brücke hinauf.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wie reagiert die Politik?
Bayerns Regierungschef Markus Söder zeigte sich betroffen. "Heute ist ein entsetzlicher Tag für ganz Bayern", erklärte er. "Wir trauern um ein kleines, unschuldiges Kind, das tödlich verletzt wurde. Wir trauern um einen Helfer, der seine Zivilcourage mit dem eigenen Leben bezahlt hat." Es tue "einfach nur weh", fügte Söder hinzu.
Kanzler Olaf Scholz drückte Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl aus und sagte, "aus den gewonnenen Erkenntnissen müssen sofort Konsequenzen folgen - es reicht nicht zu reden". Scholz forderte Aufklärung von den Behörden, warum der Täter noch in Deutschland war. "Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen", sagte der SPD-Politiker laut einer Mitteilung. "Von Tätern, die eigentlich zu uns gekommen sind, um hier Schutz zu finden. Da ist falsch verstandene Toleranz völlig unangebracht."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD zeigte sich "zutiefst erschüttert" über die "furchtbare Gewalttat". Sie sprach den Hinterbliebenen "tiefes Mitgefühl" aus. Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Bundestagsspitzenkandidat Robert Habeck sprach von einem "fürchterlichen Mordanschlag". Er sei "in Gedanken bei den Angehörigen", sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Er wünschte den Betroffenen und ihren Familien "alle Kraft der Welt".
CDU-Chef Friedrich Merz hat nach der Gewalttat von Aschaffenburg "klare politische Antworten" gefordert. "Wir werden darüber sprechen müssen, sobald die Umstände dieser schrecklichen Tat aufgeklärt sind", sagte der Kanzlerkandidat der Union beim Jahresempfang der Wirtschaft in Mainz. Offensichtlich handele es sich bei dem Täter um einen ausreisepflichtigen Afghanen, sagte Merz und drückte den betroffenen Familien sein Mitgefühl aus.
Sahra Wagenknecht nimmt den tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg zum Anlass, erneut einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik zu fordern. Die BSW-Chefin fordert, dass Asylverfahren bei Gewaltdelikten direkt abgebrochen werden. "Ich frage mich, was noch geschehen muss, ehe die Politik begreift, dass wir so nicht weitermachen können", sagte Wagenknecht in der Sendung "RTL Direkt: Der Kandidatencheck" mit Pinar Atalay.
Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa