Politik ringt um Lockerungen Virologe nennt Bedingungen für Corona-Normalität
05.02.2022, 15:45 Uhr
Nach zwei Jahren Corona-Pandemie sehnen sich viele Menschen nach Normalität im Alltag. Davon sind wir noch ein Stück weit entfernt, sagt der Heidelberger Virologe Kräusslich. Ungeachtet dessen beginnen die Länderchefs schon jetzt, laut über eine Öffnungsperspektive nachzudenken.
Bis zu einem entspannten Umgang mit Corona wird es nach Einschätzung des Chefvirologen von der Universität Heidelberg, Hans-Georg Kräusslich, noch eine Weile dauern. "Ich glaube, wir werden Normalität nur dann erreichen, wenn wir anerkennen können, dass wir mit dem Virus umgehen können, auch wenn es weiter bleiben wird", sagte Kräusslich der "Rhein-Neckar-Zeitung".
Es bedarf einer Anerkennung, "dass wir mit dem Virus umgehen können", sagt Hans-Georg Kräusslich, Chefvirologe von der Universität Heidelberg.
(Foto: Uwe Anspach/dpa)
"Wir müssen in Zukunft in unsere Köpfe bringen, dass Corona auch eine gesellschaftliche und politische Normalität wird - und nicht nur eine medizinische Normalität, auch wenn es krank machen kann", sagte der Mediziner. "Da sind wir im Moment weder medizinisch noch gesellschaftlich und politisch, aber das muss das Ziel sein."
Wenn das Impfen vorankommt, Schutzmaßnahmen insbesondere in gefährdeten Bereichen eingehalten werden, keine Varianten mit ganz anderen Eigenschaften kommen und die Menschen Corona als eine Krankheit unter anderen auch im Kopf verankern, "erreichen wir die ersehnte Normalität", sagte Kräusslich der Zeitung weiter. "Aber ich glaube, daran müssen wir noch arbeiten." Es werde dann immer noch Infektionen, schwere Verläufe und Todesfälle geben, räumte der Virologe ein. "Aber die gibt es auch bei anderen Erkrankungen."
Die Gesellschaft müsse dann den Fokus nicht mehr so sehr auf dieses Virus richten. "Erst wenn wir sagen können, dass dies eine Infektionskrankheit unter anderen ist und dies auch anerkennen, werden wir Normalität erreichen. Und dann nicht mehr wie das Kaninchen vor der Schlange auf die Sieben-Tage-Inzidenz starren." Dann würden auch asymptomatische Personen nicht mehr routinemäßig getestet, sagte Kräusslich im Interview. "Wir testen asymptomatische Menschen ja auch nicht auf Grippe oder ein anderes Virus." Gleichwohl sei Corona eine andere Krankheit, mit einem anderen Verlauf.
Politik sucht "kluge Ideen für Erleichterungen"
Trotz des derzeit ungebremsten Anstiegs der Inzidenzen sucht die Politik einen Weg heraus aus den Eindämmungsmaßnahmen. Spätestens bei der nächsten Bund-Länder-Runde müsse es "auch um kluge Ideen für Erleichterungen gehen", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer der "Rheinischen Post". Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält große Lockerungsschritte vor Ostern für schwierig.
Bund und Länder wollen am 16. Februar über die weitere Corona-Politik beraten. Die Bundesregierung hatte am Mittwoch die Hoffnung auf baldige Lockerungen gedämpft. Er sehe keinen Anlass, bereits für die nächste Beratung der Spitzen von Bund und Ländern am 16. Februar einen Lockerungsfahrplan aufzustellen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Den Menschen müsse Sicherheit gegeben werden, "dass es auch wieder Lockerungen gibt", sagte dagegen Dreyer. Zunächst müsse jedoch der Höhepunkt der Omikron-Welle abgewartet werden, der für Mitte des Monats erwartet wird. "Dann können wir besser einschätzen, ob die Krankenhäuser das auf ihren Normal- und Intensivstationen schaffen und wie sehr uns Personalausfall durch Infektion und Quarantäne in der kritischen Infrastruktur und in den Betrieben zusetzen werden."
Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann sagte im Deutschlandfunk, Lockerungen würden "selbstverständlich kommen", wenn die Belastung des Gesundheitswesens das zulasse. Eine "Exit-Strategie" könne er sich aber "vor Ostern gar nicht vorstellen". Dies würde bedeute, es gebe "nichts mehr, auch keine Maske".
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek sagte der "Augsburger Allgemeinen", die Pandemie habe die Politik gelehrt, "dass wir nicht zu voreilig sein dürfen und wir unsere Situation nicht immer mit anderen Ländern vergleichen können". Gleichwohl sieht er Anlass zur Hoffnung: "Momentan blicken wir im Rahmen der stationären Belastungssituation auf ein stabiles Bild - und das trotz explodierender Infektionszahlen." Wenn dieser Zustand "über das Maximum der Infektionszahlen hinweg" gehalten werden könne, sei der Weg für weitere Erleichterungen eröffnet.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP