Emotionale AusnahmesituationWarum trennen sich so viele Paare am 11. Dezember?
Von Lauren Ramoser
Zwischen Vorweihnachtsstress und Endjahresblues zerbrechen besonders viele Beziehungen. Das kann aufwühlende Festtage nach sich ziehen - aber auch einen großen Vorteil haben.
Die Zeit vor den Feiertagen wirkt wie ein Brennglas der Emotionen. Vorfreude, Glück, aber auch Stress und Anspannung - alles wirkt in der Vorweihnachtszeit intensiver. Für viele gehört dazu auch der Beziehungsstress, und sie entscheiden sich, ihre Beziehung zu beenden. Das ist wenig überraschend, sagt Nadège B. Tibero, Diplompsychologische Beraterin aus der Schweiz, im Gespräch mit ntv.de.
"Bis Weihnachten sind es noch zwei Wochen und viele möchten den Stress und die Konflikte aus der Beziehung noch vor dem Fest beenden", erklärt Tibero. "Dann hat man noch zwei Wochen Zeit, Freunden und Familie rechtzeitig Bescheid zu geben, dass man sich getrennt hat.
Es gäbe aber auch die Paare, die trotz schwelender Konflikte und Beziehungsstress die Feiertage unbedingt gemeinsam ausrichten wollen. "Da sind häufig Kinder im Spiel oder Familientraditionen", sagt die psychologische Beraterin. Für viele Grund genug, an der Beziehung festzuhalten. "Da höre ich von vielen Patienten, dass sie das für ihr Gegenüber, die Familie, Kinder, machen." In diesen Fällen käme die Trennung dann oft nach den anstrengenden Feiertagen.
Vorweihnachtsstress und Trennungsschmerz
Der Dezember ist mental ein herausfordernder Monat. Viele leiden, durch Tageslichtmangel bedingt, verstärkt an Winterdepressionen, Arbeitsprojekte müssen beendet werden, Weihnachtsfeiern verdichten die Freizeit und vielen geht die Puste zum Jahresende aus. Das wirkt sich auch auf die Partnerschaft aus. "Man verbringt viel Zeit zu zweit, dadurch hat man auch Zeit zum Streiten", sagt Tibero. "Und am Jahresende kommen wir in einen Reflexionsmodus."
Probleme, die schon Monate andauern, rücken in den Fokus und scheinen nicht mehr zu ignorieren zu sein. Für viele liegt der Schritt zur Trennung nah. "Denn das erträgt eine instabile Beziehung nicht", erklärt die psychologische Beraterin. Die Kluft wächst weiter unter dem Druck der Vorstellung einer harmonischen und kuscheligen Vorweihnachtszeit. Diese Idee steht oft im krassen Gegensatz zur Beziehungsrealität.
Dennoch entscheiden sich viele nicht für eine Trennung, aus Angst vor dem Schmerz und zusätzlichem Stress und der Einsamkeit der alltagsfernen Weihnachtstage.
Warum trennt man sich vor Weihnachten?
Dabei ist der Zeitpunkt zum Jahresende aus psychologischer Sicht nicht schlecht. "Ein paar Wochen vor dem Jahresende überlegen sehr viele, ob die Situation noch für sie passt. Will ich das mit ins neue Jahr nehmen? Und viele sind sehr radikal und sagen: Nein, ich nutze das neue Jahr für einen Neubeginn. Ich nehme die alten Konflikte nicht mit ins neue Jahr", erklärt Tibero.
Es sei mutig, Konflikte nicht mit ins neue Jahr zu nehmen. Denn der Januar sei als Jahresanfang ein guter Moment für einen Neubeginn. Nach den trubeligen Weihnachtstagen ist dann viel Zeit für frischen Wind.
Wie trifft man schwere Entscheidungen?
In der Praxis rät die psychologische Beraterin ihren Patienten nicht direkt zu solch radikalen Schritten. "Ich lege niemandem solche lebensgroßen Entscheidungen in den Mund", sagt Tibero. Selbst wenn die Entscheidung für sie eindeutig erscheine. Daher nutzt sie Fragetechniken, um Patienten selbst auf den für sie richtigen Weg zu bringen. Diese Fragen könne man auch außerhalb der Therapie nutzen, um in schwierigen Situationen Klarheit zu bekommen.
Wie fühlt sich die Beziehung gerade für mich an? Bin ich wirklich glücklich? Welche Rolle spiele ich eventuell? Entspricht das meinen Erwartungen? "Wenn ich mir diese selbstreflektorischen Fragen stelle, antwortet mein Inneres ganz klar und ehrlich", sagt die psychologische Beraterin.
Sobald man für sich selbst Klarheit gefunden hat, sollte man das Gespräch mit dem Partner oder der Partnerin suchen. "Dabei sollte man es immer in der Ich-Position sagen. Ich empfinde, dass…", empfiehlt Tibero. "Wie empfindest du das?" Wichtig sei auch, eine mögliche Trennung nicht als Scheitern zu betrachten. "Eine Trennung bedeutet immer auch Mut. Und es bedeutet auch, dass ich dem Wachstum Raum gebe", fasst sie zusammen.