Gut gemeint, nicht gut gemacht Warum man Freunden in Krisen keine Ratschläge geben sollte
01.11.2025, 13:10 Uhr
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Enge Freundschaften können durch Krisen wachsen.
(Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
Sind Freunde in der Krise, wollen viele Hilfe anbieten und schlagen dafür konkrete Lösungen vor. Dabei ist das nicht zielführend, sagt Therapeut Nicholas Hines und erklärt, wie es besser geht.
Liebeskummer? Jobangst? Ärger in der Familie? Die Gründe für persönliche Krisen sind vielfältig und beschäftigen uns häufig. Im privaten Umfeld suchen viele dann Hilfe bei Freunden - ein Schlüsselmoment in Freundschaften. "Man sollte keine konkreten Lösungen anbieten", sagt Therapeut Nicholas Hines im Gespräch mit ntv.de. "Menschen finden es oftmals wenig hilfreich, vor allem wenn sie gar nicht nach einem Ratschlag gefragt haben."
Das erscheint schwierig, vor allem mit dem Blick von außen. Denn Außenstehende sehen emotionale Situationen meistens klarer und eine Lösung scheint schnell gefunden. Der Partner ist fremdgegangen? Ein Ratschlag zu einer Trennung ist leicht ausgesprochen, doch die Liebe zu dem Menschen, zum gemeinsamen Leben und zu einer geplanten Zukunft spürt nur der Betroffene. Der Chef hat bei der Beförderung wieder den Kollegen bevorzugt? Hier ist die Kündigung leichter eingereicht, wenn die eigene finanzielle Zukunft nicht davon abhängt.
Lieber anleiten statt vorschreiben
Dennoch können sich Freunde und Familie emotional einbringen - nur eben weniger direkt. "Man sollte lieber fragen, was das Gegenüber tun möchte", empfiehlt Hines. Dabei gibt es eine Reihe von möglichen Fragen, die in ein Gespräch einfließen können. "Was hat dir in einer ähnlichen Situation in der Vergangenheit geholfen? Welche Optionen hast du? Was wünschst du dir - auch von mir?", rät der Therapeut.
Hintergrund dieser Taktik ist, dem Betroffenen dabei zu helfen, für sich selbst zu sorgen. Vor allem im Hinblick auf die emotionale Aufarbeitung der Situation ist es wichtig, gestärkt daraus hervorzugehen. "Ansonsten bleiben die Betroffenen mit einem Gefühl der Frustration zurück, weil sie sich bevormundet fühlen", erklärt Hines.
Wenn die betroffene Person keine eigenen Ideen hat, oder konkret um einen Ratschlag bittet, könne man eine Lösung vorschlagen. "Auch danach sollte man allerdings zuvor fragen", sagt Hines. Nur dürfe man nicht beleidigt sein, wenn sie diesen Ratschlag nicht annimmt oder sich nach reiflicher Überlegung doch dagegen entscheidet. "Man sollte sich nicht angewöhnen, die Probleme anderer lösen zu wollen", empfiehlt Hines.
Freundschaften vertiefen durch emotionale Nähe
Freunde emotional in schwierigen Situationen zu unterstützen, kann die Freundschaft auf lange Sicht intensivieren - etwas, das sich viele Menschen wünschen. Schon 2014 fand die repräsentative "Jacobs Studie" des Instituts für Demoskopie Allensbach heraus, dass sich rund 40 Prozent der Deutschen mehr Nähe und Tiefe in Freundschaften wünschen. Durch die Zeit der Pandemie hat sich dieses Bedürfnis noch verstärkt.
Gelingen kann dieses Gefühl der Intensivierung laut einer Schweizer Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts durch einen offenen, unvoreingenommenen Austausch unter Freunden. Diese Werte sind laut der Befragten ebenso wichtig wie Loyalität, Vertrauen und Unterstützung in emotional herausfordernden Situationen.
Schon die einfache emotionale Verfügbarkeit, also ein Fragen nach der Gefühlslage oder ein Gesprächsangebot kann in schweren Situationen helfen - ganz ohne lieb gemeinte, aber eben nicht immer gut gemachte Ratschläge.
Quelle: ntv.de