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Studie zu Judenfeindlichkeit Wie Pro-Palästina-Positionen und Antisemitismus zusammenhängen

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Menschen protestieren im Mai auf dem Gelände der Humboldt-Universität Berlin gegen den Krieg im Gazastreifen - wie ist das linke akademische Milieu in Deutschland einzuordnen?

Menschen protestieren im Mai auf dem Gelände der Humboldt-Universität Berlin gegen den Krieg im Gazastreifen - wie ist das linke akademische Milieu in Deutschland einzuordnen?

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Rund um Pro-Palästina-Proteste gibt es in Deutschland immer wieder Antisemitismus-Vorwürfe. Geht es dabei um ein weit verbreitetes Problem bei jungen linken Akademikern oder um eine laute und radikale, aber kleine Aktivistengruppe? Eine Studie gibt Antworten.

Ein Palästina-Protestcamp in Dortmund wird vor einem Besuch von Greta Thunberg geschlossen, in Berlin jubeln Demonstranten nach iranischen Raketenangriffen und am Jahrestag des Hamas-Überfalls brennen Reifen in Neukölln. Auch an deutschen Universitäten kommt es immer wieder zu Pro-Palästina-Protesten, die in Räumungen, Ausschreitungen und Gewalt enden. Alles unterschiedliche Situationen, doch schnell ergibt sich bei vielen in Deutschland das Bild: Wo Solidarität mit Palästina großgeschrieben wird, ist Judenfeindlichkeit nicht weit. Besonders im jungen, linken und akademischen Milieu sehen Kritiker einen neuen Antisemitismus wachsen. Ein vorschneller Schluss? Das ergibt zumindest eine Studie der Universität Mannheim.

In der deutschlandweiten Befragung mit 3702 Teilnehmern suchten die Mannheimer Professoren Marc Helbling und Richard Traunmüller Zusammenhänge zwischen "traditionellem Antisemitismus, Antizionismus und pro-palästinensischen Einstellungen". Dazu befragten sie Teilnehmer aus allen Altersgruppen und Schichten. Heraus kam: Junge linksorientierte Menschen sind vor allem ausgeprägt pro-palästinensisch. Die "Sympathie für die palästinensische Sache" hänge jedoch kaum mit dem zusammen, was die Forscher als traditionellen Antisemitismus definieren. Im Gegenteil: Junge linke Akademiker sind in diesem Bereich demnach von allen Gruppen am wenigsten betroffen.

"Großer gesellschaftlicher Konsens" in Deutschland

Aussagen darüber, dass Juden "mehr hinter Geld her sind, als andere Menschen", "nur über den Holocaust reden, um ihre politische Agenda voranzutreiben" und "zu viel Einfluss in der Welt" hätten, stießen bei jungen linken Menschen nur auf wenig Zustimmung. Dieser traditionelle Antisemitismus ist demnach am stärksten bei über 65-Jährigen, die sich politisch rechts einordnen. "Auch wenn radikale Gruppen von Aktivisten mit antisemitischen Parolen auffallen, so lässt sich dies nicht für das linke akademische Milieu als Ganzes verallgemeinern", folgern die Studienautoren.

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Während die Studie keinen Zusammenhang zwischen pro-palästinensischen Positionen und traditionellem Antisemitismus ergibt, schreiben die Professoren von einer "mittelstarken Korrelation" zwischen pro-palästinensischen Einstellungen und antizionistischem Antisemitismus. Diese Form von Antisemitismus fokussiere sich auf den Staat Israel und mache Juden kollektiv für dessen Politik verantwortlich. Bei Fragen zum Existenzrecht Israels und der Behauptung, Israel behandle "die Palästinenser so, wie die Nazis die Juden behandelt haben", antworten junge linke Menschen minimal häufiger israelkritisch, als viele der anderen befragten Gruppen. Ein Einstellungsunterschied, der statistisch "eher gering zu bewerten ist", wie die Studienautoren anmerken. Antizionistischer Antisemitismus sei in allen befragten Gruppen beinahe gleich stark verbreitet.

Generell gibt es in Deutschland einen "großen gesellschaftlichen Konsens" bei Grundsatzfragen zur Lage in Nahost, wie die Studie ergibt. 82 Prozent der Befragten finden, Israel habe das Recht, "als Heimatland für das jüdische Volk zu existieren". 86 Prozent sind der Meinung, Israel dürfe sich "gegen diejenigen verteidigen, die es zerstören wollen". Dass Palästinenser "ein Recht auf einen eigenen Staat" haben, finden 85 Prozent. Rund zwei Drittel stimmen der Aussage zu, Palästinenser würden "von den Israelis seit Jahrzehnten unterdrückt". Nur sechs Prozent sind der Meinung, palästinensische Terroristen seien "Freiheitskämpfer".

Quelle: ntv.de

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