
Die Kolumnistin hat ihn schon gesehen, den Osterhasen.
(Foto: IMAGO/Dreamstime)
Der Kolumnistin begegnet eigentlich ständig etwas Göttliches, einfach auch deswegen, weil sie es sehen will. Dafür muss sie weder besonders fromm noch besonders bigott sein. Vor allem muss sie sich dafür weder ins All schießen lassen, noch betend auf dem Boden winden. Sie rät, zu Ostern einfach mal die Augen aufzuhalten.
Ruhe im Land. Wunderbar, wie Weihnachten, nur mit hoffentlich besserem Wetter. Und ohne den ganz krassen Geschenkestress. Sicher, ein paar Eier müssen versteckt, ein paar Hasen aufgestellt werden, aber alles in allem ist Ostern sehr viel besinnlicher als Weihnachten. Für mich zumindest. Man hat auch nicht diesen Jahresendstress, sondern startet in den Frühling, in den Beginn, in die Wärme, die Sonne, das zarte Grün. Das Einzige, was mir gerade so richtig aktiv Stress bereitet, ist die Tatsache, dass es zu wenig regnet. Trotz all der Dinge, die Stress bereiten - die Lage der Welt - sind diese Ostertage also geradezu prädestiniert für einen Neuanfang!!
Für mich haben sie letzten Sonntag schon begonnen, dem sogenannten Palmsonntag. Ich war tatsächlich in der Kirche, aus privaten Gründen, und es war so viel schöner als gedacht. Es wurde irre viel gesungen, unter anderem alle fünf Strophen von "Lobet den Herrn", ein Klassiker, den ich aus meiner letzten Reihe fast auswendig mitschmettern konnte. Außerdem hatte ich ausreichend Zeit, die vier hyperaktiven Pubertisten vor mir ausgiebig zu studieren. Eine richtig gute Comedy war das. Am Palmsonntag wurden in "meiner" wunderschönen Kirche St. Annen in Dahlem zudem die alten Konfirmanden besonders gefeiert: 75., 70., 50. Jubiläum. Vor 44 Jahren wurde ich hier konfirmiert, fiel mir auf, ein paar Jahre später mein Bruder. Hier wurde in unserer Familie getauft, geheiratet, bestattet. Als Nächstes wären nun also diese hibbeligen Jungs dran. Sie werden sich einen schönen Spruch überlegen, einen guten Anzug anziehen, die Haare kämmen, und ausnahmsweise mal eine Stunde die Klappe halten. Und dann gibt's Geschenke. Manche Dinge ändern sich nie, wie beruhigend.
Deshalb bin ich hier!
Einige ziemlich betagte Damen und Herren gingen, einer nach dem anderen, nach vorn zur Pfarrerin, ich nahm mir beim Anblick der Rückansichten fest vor, für immer blond zu bleiben, und lauschte den Sprüchen der einzelnen ehemaligen KonfirmandInnen. Sätze, die sie ihr ganzes Leben begleitet haben. Meiner steht in der Bibel 1. Könige 20,11. Dort heißt es: "Sagt ihm: Nimm den Mund nicht zu voll! Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben." Ich sag' mal so - pragmatisch, passend zu meinem erdigen Sternzeichen. Und bloß nicht zu viel Getue. Damals, in der ersten Stunde im Konfirmandenunterricht, fragte der Pfarrer alle Konfirmanden, er hörte auf den passenden Nachnamen Herz, ob wir denn an Gott glauben würden. Als ich dran war, hatte ich zum Glück bereits Zeit gehabt, mir etwas zu überlegen, was zwischen einer Lüge ("Ja, total, ich glaube an Gott") und der Wahrheit ("Nein, echt jetzt nicht, denn warum lässt Gott so viel Schlimmes auf der Welt zu?") rangierte: "Ich kann mir vorstellen, dass Jesus gelebt hat." Der Pfarrer guckte weiterhin freundlich-abwartend, und ich ergänzte rasch: "Deswegen bin ich ja hier, um mehr zu erfahren über Gott." Das war als Antwort ok, die Fragerunde ging weiter.
Und nun? 44 Jahre später, glaube ich da an Gott? Ich würde so gerne. Und vielleicht tue ich es ja auch. Ich war ja schließlich dort, in der Kirche, immer wieder. Ich bin noch nie ausgetreten, ich habe Patenkinder und ich habe für meine letzte Ehe Gottes Segen erhalten. Ich sag' mal so: läuft. Im Gegensatz zu den beiden anderen davor. Und nein, Sie brauchen keinen Rechenschieber, um das auszurechnen, was Sie jetzt ausrechnen wollen. Scheint also was dran zu sein.
Junggesellinnenabschied im All, nein danke
Und auch sonst versuche ich, in all dem Scheiß, den man in einer Nachrichtenredaktion so täglich zu verstoffwechseln hat, etwas Göttliches zu sehen. Es gibt einiges, und um das zu erkennen, muss ich mich noch nicht mal mit einer lächerlichen Junggesellinnenabschiedsrunde mit ein paar Alibi-Frauen für zehn Minuten ins All schießen lassen, das Göttliche begegnet mir hier, auf der Erde: In dem bereits von mir erwähnten, zarten Grün, das trotz Regenmangels aus den Bäumen schießt, in meinen Freunden, die kommen, wenn ich sie bitte. In meiner Familie, keine Selbstverständlichkeit, besonders meinen Kindern, die alles vor sich haben und mir zeigen, dass ich vieles richtig gemacht habe. Und das, was ich falsch gemacht habe, zählt gar nicht mehr so viel wie in dem Moment, in dem ich dachte, dass die Welt untergeht.
Wenn sich jetzt noch die Idioten vom Acker machen würden, die die Welt nicht braucht, dann wüsste ich, dass meine Gebete erhört werden. Aber ich bin ja jung, ich kann warten. Und eines weiß ich ganz genau: Damit, den Tag nie vor dem Abend zu loben, bin ich bisher ziemlich gut gefahren.
Ich wünsche besinnliche, sonnige, fröhliche, glückliche, friedliche Ostern.
Quelle: ntv.de