Von Moralpolizei verletzt? 16 -jährige Iranerin erliegt ihren Hirnverletzungen
28.10.2023, 12:32 Uhr Artikel anhören
Der Fall erinnert an Jina Mahsa Amini, deren Tod zu Massenprotesten im Iran führte: Wieder erliegt eine junge Frau ihren schweren Verletzungen. Aktivisten machen die berüchtigte Sittenpolizei für ihren Tod verantwortlich.
Eine 16-jährige iranische Schülerin ist nach einer mutmaßlichen Konfrontation mit der berüchtigten Moralpolizei in einer Klinik in der Hauptstadt Teheran gestorben. "Leider lag sie wegen Hirnverletzungen für geraume Zeit im Koma. Sie ist vor ein paar Minuten gestorben", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna. Bereits vor rund einer Woche war die junge Frau Armita Garawand für hirntot erklärt worden.
Die Umstände ihres Todes sind im Iran umstritten. Die aus einer kurdischen Region stammende Jugendliche war nach Angaben von Aktivisten schwer verletzt worden, als sie Anfang Oktober von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen islamische Verschleierungsvorschriften in der U-Bahn angegriffen wurde. Angeblich habe sie kein Kopftuch getragen. Garawand fiel demnach ins Koma und wurde in einem Krankenhaus in Teheran behandelt.
Die iranischen Behörden bestreiten, dass die Jugendliche angegriffen wurde. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna war Garawand wegen "niedrigen Blutdrucks" in Ohnmacht gefallen. Die Nachrichtenagentur Tasnim zitierte die "offizielle" Einschätzung der Ärzte, wonach die 16-Jährige "einen Sturz erlitten hatte, der zu einer Hirnverletzung führte". Darauf seien Krämpfe sowie eine "verminderte Sauerstoffversorgung des Gehirns und ein Hirnödem nach einem plötzlichen Abfall des Blutdrucks" gefolgt.
Parallelen zum Tod von Jina Mahsa Amini
Garawands Schicksal weckt Erinnerungen an den Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini nach einer Auseinandersetzung mit der Sittenpolizei über die Einhaltung von Bekleidungsvorschriften im Herbst des vergangenen Jahres. Sie wurde wegen eines angeblich schlecht sitzenden Kopftuchs festgenommen. Augenzeugenberichten zufolge wurde ihr nach ihrer Verhaftung auf den Kopf geschlagen. Auf der Polizeiwache klagte sie über Kopfschmerzen und brach dort zusammen. Amini starb nach mehreren Tagen im Koma.
Die Behörden behaupteten damals, sie hätte einen Herzinfarkt erlitten. Ihr Tod löste im vergangenen Jahr die schwersten Proteste seit Jahrzehnten aus. Die landesweiten Proteste wurden von der Staatsführung niedergeschlagen. Seitdem ignorieren viele Frauen demonstrativ die Kopftuchpflicht. Irans Regierung reagierte auf die zahlreichen Kopftuchverstöße unter anderem mit einer Strafreform.
Das neue Kopftuchgesetz, das noch nicht in Kraft getreten ist, sieht in seiner jüngsten Fassung harte Strafen bei Missachtung der islamischen Kleidungsregeln vor. Diese umfassen bei mehrfachen Verstößen Geldbußen. In Extremfällen können bis zu 15 Jahre Haft und umgerechnet mehr als 5000 Euro Strafe verhängt werden.
Kritik an Sittenpolizei
Irans berüchtigte Sittenwächter sind immer wieder scharfer Kritik auch aus der Mitte der Gesellschaft ausgesetzt. Während der Protestwelle im Herbst 2022 verschwanden die Einheiten zunächst vom Straßenbild, ehe Mitte Juli die Rückkehr der Moralpolizei verkündet wurde.
Die Kopftuchpflicht ist seit mehr als 40 Jahren Gesetz in dem Land mit inzwischen fast 90 Millionen Einwohnern. Die Pflicht gilt als eine der ideologischen Grundsäulen der Islamischen Republik.
Quelle: ntv.de, mes/dpa/rts/AFP