Politik

"Geheilt" durch Heirat AKP bietet Straffreiheit für Sexualstraftäter

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Das geplante Gesetz soll nur einmalig und rückwirkend gelten.

(Foto: dpa)

Ein türkischer Gesetzesentwurf sorgt für Empörung in der Bevölkerung: Die AKP möchte Sexualstraftätern rückwirkend ihre Strafe erlassen. Vorausgesetzt, sie heiraten ihre Opfer - auch wenn die minderjährig sind.

In der Türkei sorgt ein von der Regierung vorgelegter Gesetzentwurf, der einen Straferlass für Sexualstraftäter vorsieht, für Streit. Das türkische Parlament billigte in erster Lesung den Entwurf, wonach die Verurteilung wegen sexueller Übergriffe gegen Minderjährige aufgehoben werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet. Als Bedingung für eine spätere Heirat gilt demnach, dass die Tat ohne "Gewalt, Drohung oder jegliche andere Form von Zwang" erfolgt sein muss.

Der Abgeordnete Özgür Özel von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) schrieb auf Twitter, die regierende AKP habe einen Text durchgebracht, der Vergewaltiger von Kindern straffrei stelle. In den sozialen Medien fanden sich ähnliche Kommentare. Unter dem Hashtag #TecavüzMeşrulaştırılamaz (Vergewaltigung lässt sich nicht legitimieren) zeigen sich viele Nutzer schockiert über den Gesetzesentwurf. So schreibt Ruhat Sena Akşener von Amnesty International Türkei empört: "Sexuelle Aggression ohne Zwang" gebe es nicht.

Justizminister Bekir Bozdağ warf der Opposition "absichtliche Verdrehung" der Tatsachen vor. Bei den Tätern handele es sich nicht um Vergewaltiger, und bei dem Gesetz gehe es vielmehr um den "Schutz von Kindern". Ehen mit Minderjährigen seien leider eine "Realität". Wenn daraus ein Kind hervorgehe, informiere der Arzt den Staatsanwalt, der Mann lande dann im Gefängnis. Dadurch gerate seine Familie in Schwierigkeiten. Derzeit gebe es etwa 3000 solche Familien. Diesen Fällen wolle man mit dem Gesetz helfen.

Verfassungsgericht forderte Nachbesserungen

Auch der Regierungschef Binali Yildirim sprach von "völlig falschen Beschuldigungen. Das geplante Gesetz gelte einmalig und gelte rückwirkend für Taten, die vor dem 11. November 2016 verübt wurden. Von genereller Straffreiheit könne nicht die Rede sein. So erinnerte Yildirim daran, dass unter der jetzigen Regierung die Strafen für Vergewaltigungen verschärft worden seien. Die Opposition versuche lediglich, aus der aktuellen Diskussion um den Gesetzentwurf politisches Kapital zu schlagen. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssen die Abgeordneten der Vorlage in den kommenden Tagen noch in zweiter Lesung zustimmen.

Das Mindestalter für legales Heiraten liegt in der Türkei bei 17 Jahren - mit Zustimmung der Eltern. Besonders im kurdischen Osten des Landes wird dieses Alter bei Mädchen noch immer häufig unterschritten. In einigen besonderen Ausnahmefällen dürfen Mädchen deshalb mit richterlicher Genehmigung auch mit 16 Jahren heiraten.

Das türkische Verfassungsgericht hatte im Juli nach einer Petition eines untergeordneten Gerichts ein Gesetz aufgehoben, das sexuelle Handlungen mit Kindern unter 15 Jahren als "sexuellen Missbrauch" wertet. Das Gericht wies das Parlament an, binnen sechs Monaten ein neues Gesetz auszuarbeiten. Es monierte insbesondere, dass in dem bisherigen Gesetz nicht zwischen Jugendlichen und Kleinkindern unterschieden wurde.

Quelle: ntv.de, lou/dpa

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