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Ringen um Getreide-Lieferungen Afrika in Sorge - Türkei will vermitteln

Indien führt Exportbeschränkungen für Weizen ein.

Indien führt Exportbeschränkungen für Weizen ein.

(Foto: picture alliance / AA)

Die durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste weltweite Nahrungsmittelkrise sorgt für große Spannungen - afrikanische Vertreter befürchten eine Hungersnot, Indien schränkt Weizenexporte ein. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Doch die Türkei zeigt sich bereit, mit Russland zu verhandeln.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine führt in vielen Ländern bereits zu einer Verteuerung der Lebensmittel. Steigende Energiekosten tragen sicherlich dazu bei - aber auch die Blockade der Weizen- und Getreideexporte aus der Ukraine lässt Engpässe auf dem globalen Lebensmittelmarkt befürchten. Nicht nur die Ausfuhren aus Russland und der Ukraine werden derzeit blockiert, weitere Länder führen auch Exportbeschränkungen für Weizen ein. Vor allem Vertreter aus Afrika befürchten Engpässe, nachdem in diesem Jahr massive Ernteausfälle auf dem Kontinent erwartet werden. Die russische Regierung schiebt die Schuld der Nahrungsmittelkrise auf den Westen und fordert das Ende der Sanktionen gegen Russland. Nun zeigt sich die Türkei bereit, im Ringen um Getreideexporte aus der Ukraine zu vermitteln.

Indien verschärft Exportbeschränkungen

Indien überprüft die Einhaltung der Exportbeschränkung für Weizen nun schärfer. Die Außenhandelsbehörde wies regionale Behörden an, physisch alle Dokumente zum Weizenexport zu überprüfen, wie das Handelsministerium mitteilte. Es solle damit ein Hintertürchen geschlossen und vordatierte Dokumente gefunden werden.

Indien ist nach China der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt, ein seit Mitte Mai verhängtes Exportverbot führte international zu Verunsicherung. Das Ministerium präzisierte kurz danach, dass es Ausnahmen gebe, etwa vor dem Verbot getroffene Abmachungen mit Kreditbrief oder Sondergenehmigungen der indischen Regierung für den Export in bestimmte Länder, um deren Lebensmittelversorgung sicherzustellen.

Erst kurz vor dem Verbot hatten indische Regierungsvertreter verkündet, angesichts eines drohenden Weizenmangels auf dem Weltmarkt im Zuge des Ukraine-Kriegs helfen zu wollen und deutlich mehr Weizen zu exportieren.

Afrika befürchtet Engpässe

Die Afrikanische Union (AU) sorgt sich wegen der EU-Sanktionen gegen Russland um die Lebensmittelversorgung der afrikanischen Länder. Der Ausschluss russischer Geldhäuser aus dem internationalen Swift-Zahlungssystem erschwere die Bezahlung wichtiger Agrarprodukte, wodurch die Lebensmittelversorgung gefährdet sei, sagte der AU-Vorsitzende, Senegals Präsident Macky Sall, beim EU-Gipfel.

Sall sprach per Videokonferenz zu den in Brüssel versammelten EU-Staats- und Regierungschefs. Er betonte, dass Russlands Blockade des ukrainischen Hafens Odessa die ukrainischen Lebensmittelexporte stark beeinträchtige. Deshalb unterstütze die AU die Bemühungen der UNO, die Blockade aufzuheben.

Die afrikanischen Länder seien aber auch "sehr besorgt" wegen der europäischen Sanktionen, sagte der senegalesische Präsident. "Wenn das Swift-System gestört ist, bedeutet dies, dass die Zahlung kompliziert, wenn nicht gar unmöglich wird, selbst wenn die Produkte existieren." Der EU-Gipfel hatte sich neben einem weitreichenden Ölembargo gegen Russland auch auf den Swift-Ausschluss weiterer russischer Banken verständigt. Betroffen von der Ausweitung der Sanktionen ist unter anderem die Sberbank, das größte Finanzinstitut Russlands.

Sall warnte zudem vor massiven Ernteausfällen in Afrika. Schätzungen zufolge könne der Getreideertrag in diesem Jahr um 20 bis 50 Prozent zurückgehen, sagte er. In seiner Botschaft kritisierte er ferner gestiegene Preise für Dünger und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Sall betonte, dass alles getan werden müsse, um verfügbare Getreidevorräte freizusetzen und deren Transport zu gewährleisten, um das "katastrophale Szenario von Engpässen und allgemeinen Preissteigerungen zu verhindern".

Russland schiebt Schuld auf den Westen

Der russische Außenminister Sergej Lawrow dagegen ruft den Westen auf, zu einer Lösung der Krise beizutragen. "Die westlichen Länder haben eine Menge künstlicher Probleme geschaffen, indem sie ihre Häfen für russische Schiffe geschlossen und die Logistik- und Finanzketten unterbrochen haben", sagte Lawrow bei einem Besuch in Bahrain. "Sie müssen ernsthaft abwägen, was für sie wichtiger ist: PR in der Frage der Ernährungssicherheit zu machen oder konkrete Schritte zur Lösung dieses Problems zu unternehmen."

Lawrow forderte die Ukraine außerdem auf, Seeminen aus ihren Hoheitsgewässern zu entfernen, um die sichere Durchfahrt von Schiffen durch das Schwarze und Asowsche Meer zu ermöglichen. "Wenn das Problem der Minenräumung gelöst ist, (...) werden die russischen Seestreitkräfte die ungehinderte Durchfahrt dieser Schiffe ins Mittelmeer und weiter zu ihren Bestimmungsorten sicherstellen", sagte Lawrow.

Türkei will vermitteln

Um eine Lösung für die Krise zu finden, will die Türkei vermitteln. Der russische Außenminister Sergej Lawrow werde am 8. Juni mit einer Militärdelegation Gespräche in der Türkei führen, um die Möglichkeiten eines Korridors zur See auszuloten, teilte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit. Der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu sagt Cavusoglu weiter, es gebe diesbezüglich Gespräche mit den Vereinten Nationen.

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Die UN haben demnach die Einrichtung eines gemeinsamen Überwachungsmechanismus vorgeschlagen, um die Schiffsrouten zu beobachten. Die Türkei sei für einen solchen Vorschlag offen. Dennoch gebe es in der Sache weiter Streitpunkte zwischen Russland und der Ukraine, sagte Cavusoglu. So fordere Russland, dass westliche Sanktionen gegen die Versicherungsbranche aufgehoben würden, weil davon auch Schiffe betroffen seien, die für die Exporte gebraucht würden. Die Ukraine wolle indes verhindern, dass russische Kriegsschiffe im Hafen von Odessa anlandeten.

Die Präsidenten der Türkei und Russlands, Tayyip Erdogan und Wladimir Putin, berieten über das Thema am Montag telefonisch. Dabei sagte Putin zu, den Export des blockierten Getreides in Koordination mit der Türkei möglich zu machen. Russland hat mittlerweile die Kontrolle über weite Teile der ukrainischen Schwarzmeerküste übernommen. Der größte Hafen des Landes in Odessa ist durch russische Kriegsschiffe blockiert. In den Docks lagern Millionen Tonnen ukrainischen Getreides, das nicht exportiert werden kann und für den Weltmarkt von großer Bedeutung ist.

Quelle: ntv.de, cls/dpa/AFP/rts

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