US-Einsatz gegen IS-Anführer Al-Bagdadi soll sich selbst getötet haben
27.10.2019, 12:07 Uhr
Kurz vor einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz von US-Präsident Trump verdichten sich Hinweise auf den Tod von Abu Bakr al-Bagdadi. Als eine US-Sondereinheit gegen sein Versteck vorrückte, soll der Chef der Islamistenmiliz Islamischer Staat eine Sprengstoffweste gezündet haben.
Das US-Militär hat Medienberichten zufolge erfolgreich IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi in Syrien ins Visier genommen und angegriffen. Der Sondereinsatz habe am Samstag in der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens stattgefunden, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf hochrangige Vertreter des Verteidigungsministeriums. Demnach hat sich Al-Bagdadi im Rahmen des Angriffs mit einer Selbstmordsprengweste selbst getötet. Eine Bestätigung der Identität des Getöteten durch DNA-Tests und biometrische Abgleiche stehe aber noch aus.
Zwei Vertreter der irakischen Sicherheitskräfte sagten der Nachrichtenagentur Reuters, man habe eine entsprechende Bestätigung aus Syrien erhalten. "Unsere Quellen in Syrien haben dem Team des irakischen Geheimdienstes, das nach Al-Bagdadi suchte, bestätigt, dass er zusammen mit seinen Leibwächtern in Idlib getötet wurde", sagte einer der Insider. Bagdadis Versteck sei entdeckt worden, als er versucht habe, seine Familie aus Idlib heraus zur türkischen Grenze zu bringen.
Auch Frauen getötet
Das Weiße Haus hat angekündigt, Präsident Donald Trump werde am Sonntagvormittag (Ortszeit) ein "bedeutendes Statement" abgeben. n-tv zeigt die Pressekonferenz um 14 Uhr Mitteleuropäischer Zeit live im Fernsehen und auf n-tv.de. Trump selbst twitterte bereits in der Nacht: "Etwas sehr Wichtiges hat sich gerade ereignet!" Einzelheiten dazu wurden aber nicht mitgeteilt.
Einem hochrangigen Pentagon-Mitarbeiter zufolge habe es ein kurzes Gefecht gegeben, als die US-Streitkräfte das Gelände betreten hätten, wie "Newsweek" berichtete. Al-Bagdadi habe sich dann mit einem Sprengstoffgürtel selbst getötet. Familienangehörige seien anwesend gewesen. Kinder seien nicht verletzt, aber zwei Frauen Al-Bagdadis getötet worden, möglicherweise durch die Explosion des Sprengstoffgürtels.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete über einen Angriff von acht Hubschraubern am Rande des Dorfes Barischa, der sich gegen Dschihadisten gerichtet habe. Der Angriff zielte demnach auf ein Wohngebäude und ein Fahrzeug. Insgesamt seien neun Menschen getötet worden, darunter ein Kind und zwei Frauen, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Der Angriff galt demnach "hochrangigen Anführern des IS".
Kurden: eine "historische Operation"
Die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) begrüßten die "historische Operation" und sprachen von einem "gelungenen Einsatz", der auf eine "gemeinsame Geheimdienst-Arbeit" der Kurden mit den USA zurückgehe. Allerdings bestätigte SDF-Kommandeur Maslum Abdi den Tod Al-Bagdadis nicht explizit.
Lange Zeit wusste kaum jemand, wie der Chef der Terrormiliz IS aussieht, da es nur zwei Fotos von ihm gab. Wenige Tage nach Ausrufung des Kalifats Ende Juni 2014 tauchte er dann völlig überraschend in einer Moschee in der nordirakischen Stadt Mossul auf, wo er die Freitagspredigt hielt. Danach aber zeigte er sich lange nicht mehr.
Immer wieder gab es Gerüchte, er sei bei Angriffen verletzt oder sogar getötet worden. Erst im April - nach dem endgültigen Zerfall des vom IS ausgerufenen Kalifats - zeigte er sich noch ein zweites Mal in einem Video. Zwischendurch verbreitete der IS vereinzelt Audio-Botschaften seines Anführers.
Von Al-Kaida zum IS
Al-Bagdadi wurde 1971 in der irakischen Stadt Samarra geboren. An der Universität Bagdad machte er einen Abschluss in Islamischen Studien. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein im Jahr 2003 saß er eine Zeit lang in einem US-Gefängnis im Irak. Im Jahr 2010 übernahm Al-Bagdadi die Führung des Al-Kaida-Ablegers im Irak, der damals noch "Islamischer Staat im Irak" hieß.
Nach und nach begann die Gruppe, sich nach Syrien auszudehnen. Darüber brach Al-Bagdadi mit Al-Kaida, weil er die Forderung der Führung des Terrornetzwerkes nicht akzeptieren wollte, sich auf den Irak zu beschränken. Mit Ausrufung des Kalifats benannte sich die Terrormiliz in Islamischer Staat um. Damit verbunden war der Anspruch, alle Muslime weltweit zu vereinen und zu führen.
Nach und nach verlor der IS jedoch sein Herrschaftsgebiet im Irak und in Syrien. Offiziell galt der IS mit dem Fall seines letzten Rückzugsorts im ostsyrischen Baghus als besiegt. Noch vor wenigen Monaten ging die von den USA geführte Anti-IS-Koalition aber in einem Bericht davon aus, dass sich noch zwischen 14.000 und 18.000 IS-Angehörige im früheren Herrschaftsgebiet der Islamisten zwischen Syrien und dem Irak aufhalten. Mittlerweile sind IS-Ableger in zahlreichen Ländern aktiv.
Quelle: ntv.de, shu/dpa/AFP