"Suizidabsichten waren bekannt" Al-Bakrs Anwalt erhebt schwere Vorwürfe
13.10.2016, 06:47 Uhr
Die sächsischen Sicherheitsbehörden müssen sich nach dem Suizid Kritik gefallen lassen.
(Foto: dpa)
Wie kann es passieren, dass sich ein Terrorverdächtiger mit Selbstmordabsichten in einer Gefängniszelle erhängt? Der Tod von Jaber al-Bakr bringt die sächsischen Sicherheitsbehörden in Erklärungsnot. Der Anwalt des Toten fordert eine Erklärung.
Der Tod des Terrorverdächtigen Jaber al-Bakr in der Justizvollzugsanstalt Leipzig wirft Fragen auf. Wie konnte es passieren, dass ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter es schafft, sich in Untersuchungshaft selbst zu töten? Nach dem fehlgeschlagenen Festnahmeversuch am Samstag in Chemnitz stehen die sächsischen Sicherheitsbehörden in der Kritik - wieder einmal. Das Suizid-Risiko seines Mandanten sei bekannt gewesen, sagte der Dresdner Pflichtverteidiger des Syrers, Alexander Hübner, "Focus-Online". Sein Mandant habe in der Zelle bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert.
Er habe noch am Nachmittag mit dem JVA-Leiter telefoniert, sagte Al-Bakrs Anwalt. Dabei habe dieser ihm versichert, dass sein Mandant ständig beobachtet werde. Dennoch gelang es dem jungen Syrer, sich das Leben zu nehmen. Medienberichten zufolge wurde er erhängt in seiner Zelle gefunden. Das Justizministerium bestätigte: Es war eine Selbsttötung.
"Wenn ein unter Dauerbeobachtung stehender Terrorist offenbar Suizid begeht, dann läuft in sächsischen JVA gewaltig was schief", konstatierte bei Twitter auch die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen, Katja Meier. Der konservative Seeheimer Kreis der SPD twitterte in der Nacht vom "totalen Kontrollverlust der Behörden" in Sachsen. Und ausgerechnet in diesem Bundesland begeistere sich Innenminister Thomas de Maizière für unausgebildete Hilfspolizisten, hieß es mit Blick auf die in dreimonatiger Ausbildung aufgestellten Kräfte zur Unterstützung der unterbesetzten sächsischen Polizei.
Al-Bakr belastete seine Landsleute
Noch kurz vor der Todesmeldung war bekannt geworden, dass der 22-Jährige seine syrischen Landsleute, die ihn Montagnacht überwältigt und der Polizei übergeben hatten, schwer belastet hat. Sie seien keine Helden, sondern Mitwisser, soll er nach Angaben von Ermittlern in den Vernehmungen gesagt haben. Inwieweit dies ernst zu nehmen ist, blieb freilich im Dunkeln.
Aus Karlsruhe, wo die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen führt, gab es dazu keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, ob die auch von Politikern bereits gefeierten und für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagenen Syrer mittlerweile nicht mehr nur als Zeugen, sondern womöglich als Verdächtige behandelt würden. Festnahmen habe es nicht gegeben, sagt ein Sprecher lediglich.
Bachmann wettete auf Al-Bakrs Tod
Mit dem Tod Al-Bakrs geht dem Generalbundesanwalt bei den Terror-Ermittlungen der Hauptbeschuldigte verloren. Gegen Tote kann nicht ermittelt werden. Das Verfahren geht dennoch weiter. Denn der Mieter der Chemnitzer Wohnung, in der Al-Bakr laut Verfassungsschutz seine Anschlag auf einen Berliner Flughafen vorbereitet haben soll und in der die Polizei am Samstag 1,5 Kilogramm des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP gefunden hatte, sitzt als mutmaßlicher Komplize nach wie vor in U-Haft.
Im Netz wurde derweil um den Tod Al-Bakrs fleißig spekuliert - und es gab Spott und Häme. "Es gab Zeiten, da hat die Überwachung in Sachsen besser geklappt", ließ das NDR-Satiremagazin "Extra 3" bei Twitter wissen. Und auch der Mitgründer der fremden- und islamfeindlichen Dresdner Pegida-Bündnisses meldete sich prompt zu Wort: "Ups... wie unerwartet... hab vor wenigen Stunden 500 drauf gesetzt, dass genau das passiert!", schrieb Lutz Bachmann bei Facebook.
Quelle: ntv.de, dpa, Martin Fischer