Argumente für Verbot veraltet FDP-Politikerin will Embryonenschutzgesetz kippen
07.08.2024, 12:20 Uhr Artikel anhören
Eine Eizelle wird mit einem Spermium künstlich befruchtet.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
1990 verbietet der Gesetzgeber in Deutschland die Spende von Eizellen. Die Risiken für Spenderinnen seien zu groß, Kinder könnten Probleme mit der Identitätsfindung haben. FDP-Politikerin Helling-Plahr findet die Argumente überholt. Eine Bundesministerin unterstützt ihren geplanten Antrag auf Freigabe.
Die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr dringt auf eine Zulassung der in Deutschland verbotenen Eizellspende - und will dazu einen Gruppenantrag in den Bundestag einbringen. "Die Argumente, mit welchen der Gesetzgeber vor über 30 Jahren das Verbot der Eizellspende oder der auch altruistischen Leihmutterschaft begründet hat, sind längst nicht mehr stichhaltig", sagte sie den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
Sie habe sich deshalb entschlossen, "noch in diesem Sommer die Kolleginnen und Kollegen der anderen demokratischen Fraktionen zu kontaktieren und einzuladen, gemeinsam an einem Gruppenantrag zur Legalisierung der Eizellspende zu arbeiten". Vor dem Hintergrund des medizinischen und gesellschaftlichen Fortschritts seit dem Jahr 1990 sei eine grundlegende Reform des Embryonenschutzgesetzes dringend erforderlich, so Helling-Plahr.
Dem Eizellspenden-Verbot liegt das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz zugrunde. Das Verbot beruht auf der Annahme, dass Kinder von zwei Müttern - einer genetischen und einer gebärenden - Identitätsfindungsprobleme bekommen könnten.
Stark-Watzinger: Deutschland hinkt bei Forschung hinterher
Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger spricht sich ebenfalls für eine Reform des Embryonenschutzgesetzes aus - im Interesse der Forschenden. "Das Forschungsfeld bietet große Chancen für die Entwicklung wirksamer Therapien für bislang unheilbare Krankheiten oder zur Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes, Demenz oder Herzinfarkt", sagte sie der Mediengruppe Bayern. In Deutschland könne die Forschung dazu im internationalen Vergleich aktuell nur einen geringen Beitrag leisten, denn das Embryonenschutz- und das Stammzellgesetz setzten ihr zu enge Grenzen.
Die bestehenden Regelungen seien zudem ein Nachteil für die Zusammenarbeit deutscher Wissenschaftler mit internationalen Partnern. "Wir dürfen das Feld nicht einfach anderen überlassen, sondern sollten diese wichtige Chance nutzen", betonte Stark-Watzinger. Notwendig sei deshalb eine Überarbeitung des rechtlichen Rahmens.
"Ein einziges Verbotsgesetz"
Der Medizinethiker und Jurist Jochen Taupitz fordert ebenfalls eine Legalisierung der Eizellspende. Das Embryonenschutzgesetz sei "ein einziges Verbotsgesetz" und nicht mehr zeitgemäß, sagte der Mannheimer Professor, der Mitglied der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ist, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Dass die Samenspende erlaubt sei, die Eizellspende aber nicht, widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, betonte Taupitz. In Deutschland werde massiv in das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung der Frauen eingegriffen - und zwar sowohl der Eizellspenderinnen als auch der Empfängerinnen. "Die Eizellspende ist im Grunde eine Organspende, und so sollte sie auch behandelt werden."
Zur Begründung des Embryonenschutzgesetzes sagte er: "Die Befürchtungen einer sogenannten gespaltenen Mutterschaft haben sich in Luft aufgelöst." Gleiches gelte für die medizinischen Bedenken. Bei Verabschiedung des Gesetzes 1990 seien die Risiken für die Spenderin größer gewesen, so Taupitz. Aber die Verfahren seien inzwischen viel schonender.
Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hatte im April einen Bericht vorgelegt, in dem sie sich für eine Ermöglichung der Eizellspende unter engen Voraussetzungen ausspricht. Im Dokument heißt es dazu: Die Begründung, auf die das Verbot der Eizellspende gestützt ist, "insbesondere das Ziel einer Vermeidung einer gespalteten Mutterschaft, muss heute als überholt und nicht mehr überzeugend gelten". Das Gremium schlug zudem eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts vor; die Bundesregierung will die Empfehlungen prüfen.
Quelle: ntv.de, als/AFP