Politik

Anschlag auf Satiremagazin "Charlie Hebdo" Attentäter ermorden zwölf Menschen

Es ist der schwerste Terroranschlag in Frankreich seit 40 Jahren: Drei schwer bewaffnete Attentäter dringen in die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" ein und richten ein Massaker an. Am Abend präsentiert die Polizei drei Verdächtige.

Eine Salve von Schüssen zerreißt um 11.30 Uhr die Stille der kleinen Rue Nicolas Appert mitten im Zentrum von Paris. Zwei schwarz gekleidete, vermummte Männer rennen durch die Straße und schreien "Allah Akbar" (Gott ist groß) vor dem Sitz der Satire-Zeitung "Charlie Hebdo". Die mit Kalaschnikows bewaffneten Angreifer rufen auch: "Wir haben den Propheten gerächt!" Dann flüchten sie. Zwölf Menschen sterben bei diesem tödlichsten Terroranschlag in Frankreich seit Jahrzehnten. In Paris herrscht seither Ausnahmezustand: Die höchste Terrorwarnstufe wurde ausgerufen.

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(Foto: AP)

Beim schwersten Terroranschlag in Frankreich seit einem halben Jahrhundert wurde praktisch die gesamte Führungsmannschaft des islamkritischen Pariser Satiremagazins "Charlie Hebdo" ermordet. Unter den Toten sind vier Zeichner: Neben dem Chefredakteur Stéphane Charbonnier ("Charb") seien die Zeichner Wolinski, Cabu und Tignous getötet worden, teilte die Pariser Staatsanwaltschaft mit. Zu den Opfern zählen vier weitere Journalisten, zwei Polizisten sowie ein Gast und ein Mitarbeiter am Empfang. Vier der elf Verletzten schweben in Lebensgefahr.

Nach Angaben des Innenministeriums waren am späten Vormittag drei vermummte Männer mit Kalaschnikows bewaffnet in die Räume der Zeitung eingedrungen. Der Angriff habe sich im elften Arrondissement im Zentrum von Paris ereignet. Es habe danach einen Schusswechsel mit den Sicherheitskräften gegeben. Wie die Zeitung "Le Figaro" unter Berufung auf Polizeikreise meldet, hätten die Täter ruhig, entschlossen und effizient gewirkt. Anders als zunächst berichtet, hatten sie keinen Raketenwerfer dabei.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft flüchteten die Täter dann in ihrem Auto. Es kam zu zwei Schusswechseln mit Polizeipatrouillen, bei denen zunächst niemand verletzt wurde. Dann sei ein Stück weiter ein Polizist verletzt worden, den die Angreifer am Boden liegend erschossen hätten, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Auf ihrer Flucht Richtung Norden hätten sie ein Auto gerammt und die Fahrerin verletzt. Dann hätten sie das Fahrzeug eines anderen Autofahrers übernommen. Die Polizei fahndet nun unter Hochdruck nach den Tätern. Ein Zeugenaufruf wurde an die Bevölkerung herausgegeben.

Präsident Francois Hollande setzte eine Krisensitzung des Kabinetts ein. Die Regierung rief die höchste Terror-Warnstufe für Paris aus.  So wurde der Schutz von Medienhäusern, großen Kaufhäusern, Kirchen und im öffentlichen Nahverkehr erhöht. Für Schulen wurden alle Ausflüge untersagt, Parken vor Schulen wurde verboten.

Täter sprachen perfektes Französisch

Ein Video, das zufällige Zeugen von einem Dach aus gedreht haben, zeigt, wie die Attentäter das Zeitungsgebäude stürmen. In die leere Straße hinein brüllen sie "Allahu Akbar" (Gott ist groß) und "Wir haben den Propheten gerächt". Bei ihrer Flucht erschossen die Attentäter einen Polizisten und überfuhren anschließend einen Fußgänger. Nicht bestätigt sind Berichte, wonach die flüchtigen Täter auch Geiseln genommen haben. Es handelt sich um den schwersten Terroranschlag in Frankreich seit vier Jahrzehnten.

Die Täter des Terroranschlags von Paris waren möglicherweise Franzosen. "Sie sprachen perfekt Französisch", sagte die Augenzeugin und Zeichnerin der angegriffenen Zeitschrift, Corinne Rey, der Zeitung "l'Humanité".  Dabei hätten die Täter behauptet, zur Terrororganisation Al-Kaida zu gehören. Rey berichtete, sie habe sich unter einem Schreibtisch in Deckung gebracht. Der Überfall habe etwa fünf Minuten gedauert.

Schon seit Monaten sorgen Terrordrohungen insbesondere der in Syrien und im Irak kämpfenden Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Frankreich für Unruhe. Die Sicherheitsdienste hatten gewarnt, dass es nicht mehr eine Frage sei, ob ein Anschlag stattfinde, sondern nur noch ob und wo. Für Deutschland sehen deutsche Sicherheitskreise keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Terrorgefahr; es herrsche unverändert eine "abstrakt hohe" Gefährdung, hieß es. Für die Deutsche Polizeigewerkschaft ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Deutschland einen Anschlag gebe. Angriffe fanatischer Einzeltätern seien nicht zu verhindern, sagte ihr Vorsitzender Rainer Wendt.

Satiremagazin immer wieder Ziel von Anschlägen

"Charlie Hebdo" hatte in der Vergangenheit mehrfach mit provokanten Mohammed-Karikaturen für Schlagzeilen gesorgt. So hatte die Zeitung im September 2012 mit der Veröffentlichung teils derber Mohammed-Karikaturen wütende Reaktionen von Muslimen provoziert, die Abbildungen des Religionsgründers ablehnen. Die Übernahme dieser Karikaturen im September 2011 hatte wütende Proteste von Muslimen ausgelöst, es gab damals auch Morddrohungen gegen Chefredakteur Charbonnier. Presseberichten zufolge gehörte der Franzose zu elf Menschen, zu deren Tötung wegen "Verbrechen gegen den Islam" die Extremistenorganisation Al-Kaida aufgerufen hatte. Bereits im November 2011 waren nach der Veröffentlichung einer "Scharia"-Sonderausgabe mit einem "Chefredakteur Mohammed" die Redaktionsräume in Flammen aufgegangen.

Seine neueste Ausgabe vom Mittwoch widmete die Zeitung dem neuen Roman des französischen Skandal-Autors Michel Houellebecq, der darin die Machtübernahme durch einen muslimischen Präsidenten in Frankreich im Jahr 2022 beschreibt. Der Roman erschien ebenfalls am Mittwoch.

Der Terroranschlag löste international Betroffenheit aus. Islamische Staaten wie Katar, Muslimverbände, die EU und die Nato verurteilten die Tat vehement.  Der Rat der Muslime in Frankreich nannte den Terroranschlag "einen "Angriff auf die Demokratie und die Pressefreiheit".  "Diese abscheuliche Tat" sei ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch US-Präsident Barack Obama verurteilte den "entsetzlichen" Anschlag scharf. "Frankreich ist der älteste Verbündete Amerikas und es steht Schulter an Schulter mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen Terroristen, die unsere gemeinsame Sicherheit in der Welt gefährden", meinte Obama in einer schriftlichen Stellungnahme.

Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte jede Art von Terrorismus. Der Präsident drücke sein "tiefes Mitgefühl für die Angehörigen der Opfer und auch für die Menschen von Paris und alle Franzosen" aus, sagte ein Kreml-Sprecher. "Moskau verurteilt scharf jede Form von Terrorismus."

Quelle: ntv.de, vpe/ppo/AFP/rts/dpa

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