Politik

Endspurt im Wahlkampf Berlusconi kämpft gegen seine Götterdämmerung

Berlusconi, hier am vergangenen Donnerstag bei einem Interview in seiner Villa nahe Mailand, wird in der kommenden Woche 86 Jahre alt.

Berlusconi, hier am vergangenen Donnerstag bei einem Interview in seiner Villa nahe Mailand, wird in der kommenden Woche 86 Jahre alt.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Bei den Wahlen in Italien kandidiert auch Ex-Ministerpräsident Berlusconi. Der mittlerweile 85-jährige "Cavaliere" will in den Senat einziehen, auch wenn seine Verbündeten Meloni und Salvini ihm das Leben schwermachen. Er hofft, wenigstens Königsmacher zu werden.

Endlich zollen ihm die Medien wieder die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. So zumindest sieht Silvio Berlusconi, der bei den Parlamentswahlen an diesem Sonntag für einen Sitz im Senat kandidiert. Bis jetzt hatte man ihm und seiner Partei Forza Italia nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Alle Blicke waren auf seine Bündnispartner, die Chefin der rechtsradikalen Fratelli d’Italia, und den nationalpopulistischen Lega-Chef Matteo Salvini gerichtet. Doch Ende letzter Woche kam dem "Cavaliere" das Europaparlament zur Hilfe. Ungewollt, aber immerhin.

Das Europaparlament stimmte mehrheitlich für eine Entschließung, die Ungarn den Status einer echten Demokratie abspricht. Die Abgeordneten von Fratelli d’Italia und Lega stimmten gegen den Beschluss. Berlusconi, derzeit Europaabgeordneter, packte die Gelegenheit beim Schopf und meldete sich umgehend zu Wort. Er stehe für eine liberale, christliche und pro-europäische Regierung, verkündete er, und fügte eine Warnung für Meloni und Salvini hinzu: "Wenn die Herrschaften, unsere Verbündeten, in die ich volles Vertrauen habe, eine andere Richtung einschlagen sollten, dann sind wir raus."

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An die Wähler gerichtet fügte Berlusconi hinzu: "Die moderaten und pro EU Wähler müssen uns die Stimme geben, denn nur wir garantieren diesen Kurs." Die drei Parteien haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Während die Fratelli vor Jahren in dieser Allianz noch die kleinste Partei waren, kann Meloni nun den Umfragen zufolge darauf hoffen, mit der stärksten Fraktion in die Abgeordnetenkammer einzuziehen und nächste Regierungschefin zu werden.

Auftritte nur noch in Videos

Ob dieser Auftritt für Berlusconi und seine Partei die Rettung im letzten Moment war, wird sich zeigen. Die letzten Erhebungen fanden vor einer Woche statt, seither dürfen laut Wahlgesetz keine Umfragen mehr veröffentlicht werden. Bei diesen lag Forza Italia zwischen 8 und 10 Prozent - nicht gerade schwindelerregend. Berlusconi kämpft aber tapfer weiter gegen seine Götterdämmerung. Er hat schon einmal ein Comeback geschafft, nachdem er 2013 wegen Steuerbetrugs verurteilt worden war und für mehrere Jahre keine politischen Ämter bekleiden durfte. Das Verbot sollte bis 2019 gelten, wurde jedoch schon 2018 aufgehoben.

Trotz seines fortgeschrittenen Alters gibt Berlusconi, der noch immer Präsident von Forza Italia ist, sich frisch und gut gelaunt. Er ist dennoch erkennbar nicht mehr der Jüngste. Die Wahlkundgebungen hat er seinem Vertrauensmann Antonio Tajani, dem ehemaligen Vorsitzenden des EU-Parlaments, überlassen. Er selbst gibt Interviews und geistert täglich auf der Plattform von Forza Italia und seit Kurzem auch auf Tiktok herum.

"Ich war immer auf der Jagd nach eurer Liebe"

Auf der Partei-Plattform verteilt er "Programm-Pillen" und verspricht dabei alles Mögliche: kostenlose zahnärztliche Verpflegung für Rentner, den Bau einer Brücke zwischen Kalabrien und Sizilien, eine effizientere Justiz, ein flächendeckendes Gesundheitswesen und noch viel mehr. Die Pillen kommen aber nicht so gut an. Youtube zählt durchschnittlich zweihundert Aufrufe seiner Videos.

Mehr Erfolg hat Berlusconi auf Tiktok, der Plattform der Teenies. Hier werden seine Videos zwischen vier- und fünftausend Mal gesehen. Bei seinem ersten Auftritt versprach er, dass in Zukunft jeder, der eine Firma gründen will, nur ein Einschreiben an das zuständige Amt zu schicken brauche und sich ohne auf die Antwort zu warten an die Arbeit machen könne. In einem anderen fordert er die Frauen auf, Forza Italia und ihn zu wählen, weil er nicht nur schöner als der Chef der Demokratischen Partei, Enrico Letta, sei, sondern "weil ich mein ganzes Leben lang auf der Jagd nach eurer Liebe war". Außerdem beglückt er seine Follower mit Witzen. Die Bewertung fallen sehr unterschiedlich aus: Von "total peinlich" bis "Silvio, du bist die Nummer 1".

Unterstützung von der CSU

Doch nur mit Programm-Pillen und Tiktok kommt man nicht weit, das weiß auch der "Cavaliere". Vor allem, wenn seine Bündnispartner Meloni und Salvini jeden Tag für Schlagzeilen sorgen. Zwar versucht Berlusconi, sich programmatisch zu unterscheiden. Meloni etwa will das sogenannte Bürgereinkommen streichen, das einst die 5-Sterne-Bewegung durchgesetzt hatte. Berlusconi dagegen, der diese Maßnahme früher strikt abgelehnt hat, meint jetzt, sie soll nur verbessert werden. Salvini will die Neuverschuldung erhöhen, um Unternehmen und Familien wegen der hohen Energiepreise unter die Arme zu greifen, Berlusconi will das nicht. Doch letztlich sind das unbedeutende Scharmützel. Im Fall einer Regierungskoalition wird man sich schon arrangieren.

Immerhin leistete Manfred Weber, CSU-Vizechef und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei, Berlusconi einen Besuch ab. Der empfing ihn in seiner Villa in der Nähe von Mailand. Man saß in trauter Einigkeit zusammen, trank und unterhielt sich angenehm. Und am Ende sicherte Weber Berlusconi öffentlich seine Unterstützung zu. Für den war es in erster Linie eine persönliche Genugtuung und so etwas wie ein Persilschein. Weber musste sich dafür in Brüssel gegen scharfe Kritik aus anderen Parteien verteidigen. Seine Erklärung lautete: "Italien braucht eine proeuropäische Regierung und Stabilität." Dass ausgerechnet Berlusconi zum Garanten für "Stabilität" in Italien wird, hätte man sich in alten Bunga-Bunga-Zeiten auch nicht träumen lassen.

Aufgeben, sich zurückziehen, seinen Lebensabend genießen, für Berlusconi war das nie eine Option. Am 29. September wird er seinen 86. Geburtstag feiern. Das größte Geschenk, das ihm die Italiener machen könnten, wäre nicht nur, ihn wieder in den Senat zu wählen, sondern Forza Italia so stark zu machen, dass seine Partei stark genug wird, damit Meloni und Salvini überhaupt auf seine Drohungen hören. Bleibt seine Partei unter 10 Prozent, könnte das sein politisches Ende bedeuten. Ein Albtraum für den "Cavaliere".

Quelle: ntv.de

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