Festnahmen bei Palästina-Protest Besetzer lehnen Frist der Humboldt-Uni ab
23.05.2024, 16:37 Uhr Artikel anhören
Die Aktivisten werfen Israel einen "Völkermord" vor.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bis zum Abend duldet die Berliner Humboldt-Universität die Besetzung ihrer Räume durch propalästinensische Aktivisten. Die machen bereits deutlich, nicht nachgeben zu wollen. Kritik am Verhalten des Präsidiums kommt von der CDU, Verständnis dagegen von der SPD.
Propalästinensische Aktivisten wollen Räume der Berliner Humboldt-Universität laut einer Vertreterin so lange besetzen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Am Nachmittag, während einer geplanten Diskussionsveranstaltung, wolle man mit der Hochschulleitung über eine Verlängerung der Besetzung verhandeln, erklärte die Sprecherin. Aktivisten haben am Mittwoch aus Protest gegen Israel und zur Unterstützung der Palästinenser Räume des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hochschule besetzt. Außerdem waren nach Polizeiangaben etwa 320 Personen zu einer unangemeldeten Kundgebung zusammengekommen.
Im Zuge der Proteste wurden demnach 23 propalästinensische Aktivisten kurzzeitig festgenommen, um deren Identität festzustellen. Es handelte sich um 18 Männer und fünf Frauen, wie die Polizei nun mitteilte. Es wurden 25 Strafermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Ein Polizist wurde bei dem Einsatz verletzt, konnte seinen Dienst aber fortsetzen.
Besetzung bis zum Abend geduldet
Laut der Aktivisten-Sprecherin haben etwa 100 Personen von verschiedenen Berliner Hochschulen am besetzten Sozialwissenschaftlichen Institut übernachtet. Sie dürfen ihren Protest bis zum Abend fortsetzen. Bis 18 Uhr ist die Besetzung laut Hochschulsprecherin Christiane Rosenbach geduldet. Wie das weitere Vorgehen aussehe, könne sie nicht sagen. "Es ist eine dynamische Situation", sagte sie. Am Donnerstag war die Berliner Polizei vor dem besetzten Institut präsent. Vor dem Gebäude hielten sich Aktivisten auf - zum Teil mit Palästinensertüchern vermummt. Am Gebäude hingen Transparente, unter anderem mit der Aufschrift "Free Palestine".
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra stellte sich hinter die Linie der Universität im Umgang mit den Demonstranten. Im Hinblick auf protestierende Studenten und Besetzer müsse man differenzieren, sagte die SPD-Politikerin im Abgeordnetenhaus. "Es gibt verbotene Volksverhetzung, und es gibt den Wunsch, zum Beispiel über Perspektiven für Frieden in Gaza zu reden." Letzteres sei in einem demokratischen Rechtsstaat von der Meinungsfreiheit gedeckt. Darüber zu reden, sei ein Wunsch vieler Studierender, nicht nur der Beteiligten an Protestaktionen.
Aufgabe einer Hochschulleitung sei es, Raum für diesen Dialog zu geben. Gegen Gewalt, antisemitische Hetze oder Sachbeschädigung werde jedoch eingeschritten, so Czyborra. Und den Hochschulleitungen obliege es, im Rahmen ihres Hausrechts "im Zweifelsfall" auch räumen zu lassen. "Zum gegebenen Zeitpunkt wird das sicherlich geschehen, wenn es dort weiter zu Sachbeschädigungen oder der Fortsetzung der Besetzung kommt", sagte Czyborra
Wegner fordert konsequentes Vorgehen
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner teilte kurz vor Ablauf der Duldungsfrist mit, er erwarte von der HU, dass sie Verantwortung übernehme und nun konsequent handle. Universitäten seien Orte des Wissens und des kritischen Diskurses - "und keine rechtsfreien Räume für Antisemiten und Terrorsympathisanten".
Die Duldung der Besetzung sei falsch, denn sie könnte als Ermunterung für weitere Straftaten missverstanden werden, erklärte Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. "In Berlin und an unseren Hochschulen ist kein Platz für Hass und Antisemitismus. Wir werden nicht zulassen, dass irrlichternde Aktivisten unsere Forschungsstätten als Bühne missbrauchen", betonte er.
Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU, Adrian Grasse, sagte: "Eine kleine Gruppe verblendeter, menschenverachtender Antisemiten diskreditiert seit dem 7. Oktober den exzellenten Ruf unserer Hochschulen. Deshalb dürfen wir nichts dulden, auch nicht wegsehen, sondern die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen."
Kritik kam auch von der Gewerkschaft der Polizei: "Es gilt die Autonomie der Lehre, und gerade Universitäten sollten als Ort des Austauschs und der Diskussion gelten", betonte Sprecher Benjamin Jendro. Das sei aber keine Legitimationsgrundlage, um sich außerhalb des demokratischen Rahmens zu bewegen, antisemitische und menschenverachtende Parolen zu grölen, verfassungsfeindliche Plakate hochzuhalten und Sachbeschädigungen zu begehen.
Besetzer fordern Israel-Boykott
Die Besetzer der Gruppe namens Student Coalition Berlin werfen Israel in einer Mitteilung "Völkermord" und "laufende Massenmorde" vor. Es gehe um die "bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Volk". Von Berliner Hochschulen fordern sie unter anderem, dass diese sich für einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand von Israel einsetzen und Druck auf die deutsche Regierung ausüben solle. Diese solle ein Waffenembargo gegen Israel verhängen und alle militärischen, finanziellen und diplomatischen Hilfen an Israel beenden.
Der Konflikt im Nahen Osten ist inzwischen an deutschen Hochschulen angekommen. Immer wieder gibt es Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg und Aktionen Studierender für eine Solidarität mit den Palästinensern. Eine Besetzung an der Freien Universität Berlin vor wenigen Wochen war von der Polizei aufgelöst worden.
Nach dem Massaker der Hamas mit mehr als 1200 Toten am 7. Oktober in Israel kamen im folgenden Gaza-Krieg laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 35.000 Palästinenser ums Leben, wobei die unabhängig kaum zu überprüfende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa