
Biden sprach in Philadelphia - wegen der Corona-Pandemie sind solche Auftritte selten.
(Foto: REUTERS)
Seit Tagen gehen in den USA aufgebrachte Menschen auf die Straße, sie eint die Wut über den neuerlichen Fall von Polizeigewalt, bei dem der Schwarze George Floyd starb. In einer Rede greift nun Trumps Rivale Biden den Präsidenten hart an.
Der voraussichtliche demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat die Amerikaner in einer emotionalen Rede dazu aufgerufen, in der Krise zusammenzustehen und sich nicht von Hass, Angst und Wut leiten zu lassen. Zugleich kritisierte der 77-Jährige US-Präsident Donald Trump für seinen Umgang mit den Unruhen in vielen Städten des Landes, forderte eine Polizeireform und ein entschlossenes Vorgehen gegen "systemischen Rassismus". "Wir können uns nicht einfach umdrehen und so tun als ob nichts gewesen wäre. Nicht dieses Mal!", sagte Biden bei einer Rede in Philadelphia mit Blick auf die Proteste nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis.
Der frühere Vizepräsident forderte eine Aufsichtsbehörde für die Polizei, die gewalttätige Beamte zur Rechenschaft ziehen soll. Das Würgen, das bei Floyd zum Tod führte, solle geächtet werden. Die Polizei dürfe auch nicht mehr mit Kriegswaffen ausgerüstet werden. Als Präsident wolle er sich auch für "wirtschaftliche Gerechtigkeit" in Form von fairen Löhnen und einem Recht auf Krankenversicherung einsetzen, so der langjährige US-Senator.
Bidens Auftritt hatte den Charakter einer Wahlkampfrede. Er beschwor die Amerikaner, sich nicht gegeneinander zu wenden, sondern gemeinsam ein besseres Land zu schaffen. Biden berief sich mehrfach auf die Geschichte, etwa auf den früheren Präsidenten John F. Kennedy und den Bürgerrechtler Martin Luther King. Amerikaner hätten es immer wieder geschafft, Krisen zu überwinden und sogar gestärkt daraus hervorzugehen. So sei etwa auf die Große Depression in den 30er Jahren das längste Wirtschaftswachstum aller Zeiten gefolgt.
"Ich wünschte, er würde die Bibel öffnen"
Biden sagte, er kandidiere, weil es um die Seele des Landes gehe. Der Kampf darum tobe bereits seit 400 Jahren. Trump warf er vor, Hass zu schüren. Dieser werde nicht mit dem Präsidenten enden, sagte er. "Aber die Wahrheit ist, dass wir am besten sind, wenn wir unsere Herzen öffnen und nicht, wenn wir unsere Fäuste ballen." Er warf Trump vor, dass dieser damit gedroht habe, das Militär gegen Demonstranten einzusetzen und zugleich die "legitimen Beschwerden" im Herzen des Protests zu missachten. Dieser Protest sei aber nötig, um auf Missstände hinzuweisen. Die Gewalt mancher Protestierender verurteilte Biden.
Trump habe mit Blendgranaten und Tränengas friedliche Demonstranten auseinandertreiben lassen, um sich mit der Bibel vor einer Kirche nahe des Weißen Hauses fotografieren zu lassen, kritisierte Biden. "Ich wünschte, er würde sie manchmal öffnen, dann könnte er etwas lernen." Die Menschen würden darin aufgerufen, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. "Das ist wirklich harte Arbeit!", sagte Biden. "Aber es ist die Arbeit Amerikas. Und Donald Trump hat kein Interesse an dieser Arbeit." Stattdessen arbeite er daran, die Leitplanken der Demokratie zu zerstören.
"Donald Trump hat das Land zu einem Schlachtfeld alter Ressentiments und neuer Ängste gemacht", so Biden. "Ich frage jeden Amerikaner: Sind wir so? Wollen wir so sein? Wollen wir das unseren Kindern und Enkeln mitgeben?" Er gelobte, als Präsident nicht "die Flammen des Hasses anzufachen" und nicht Angst und Gräben in der Gesellschaft zu vertiefen. Trump glaube, die Spaltung der Gesellschaft nutze ihm. Es sei aber Aufgabe eines US-Präsidenten, für alle da zu sein und nicht nur für die eigenen Wähler oder Spender.
Biden ist noch nicht offizieller Kandidat der Demokraten, sondern muss erst noch auf einem Parteitag gekürt werden. Es gibt aber keine anderen Bewerber mehr, so gilt es als sicher, dass er bei der Wahl am 3. November dieses Jahres antritt. In mehreren Umfragen liegt er knapp vor Trump. Beobachtern zufolge ist das Rennen offen. Eine Wiederwahl Trumps erscheint vielen möglich, da seine Anhänger ihm besonders treu ergeben scheinen.
Quelle: ntv.de