Trump: Eine Entscheidung Gottes Biden nennt Abtreibungsurteil "tragischen Fehler"
24.06.2022, 18:51 Uhr
US-Präsident Biden verurteilt den Supreme Court und fürchtet um die Gesundheit schwangerer Frauen.
(Foto: AP)
Historische Zäsur in den USA: Der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof kippt das seit fünf Jahrzehnten geltende Recht auf Abtreibung. Während konservative Politiker jubeln, spricht US-Präsident Biden von einem tragischen Fehler. Sein Vorgänger Trump sieht dagegen Gott höchstpersönlich am Werk.
US-Präsident Joe Biden hat das Abtreibungsurteil des Obersten Gerichtshofs der USA als "tragischen Fehler" bezeichnet. Die Entscheidung gehe auf eine "extreme Ideologie" zurück und habe den Frauen in den USA ein verfassungsmäßiges Recht "weggenommen", sagte Biden in Washington. "Die Gesundheit und das Leben der Frauen dieses Landes sind jetzt in Gefahr", warnte der Präsident.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump feierte die Entscheidung des Supreme Court dagegen als Entscheidung Gottes. "Gott hat das entschieden", sagte der 76-Jährige dem Sender Fox News. Der Schritt stehe im Einklang mit der Verfassung und hätte schon "vor langer Zeit" geschehen sollen.
Nach der Entscheidung kam es vor dem Gerichtsgebäude in Washington zu Protesten. Dort hatten sich zuvor schon Gegner und Befürworter versammelt. Auch in anderen Städten des Landes werden Proteste erwartet. Die Stimmung war bereits aufgeheizt, nachdem vor rund zwei Monaten ein Entwurf der Entscheidung öffentlich wurde.
Pelosi: "Schlag ins Gesicht für Frauen"
Der mächtige Demokrat Chuck Schumer zeigte sich schockiert. "Heute ist einer der dunkelsten Tage, die unser Land je gesehen hat", schrieb der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat auf Twitter. Amerikanischen Frauen sei ihr Grundrecht auf Abtreibung von Trump-nahen Richtern "gestohlen" worden.
Auch die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verurteilte die Entscheidung gegen das liberale Abtreibungsrecht mit scharfen Worten. "Es ist ein Schlag ins Gesicht für Frauen", sagte die Demokratin. Die Beschränkung von Abtreibung sei erst der Anfang, warnte sie. "Das ist todernst." Pelosi verwies auf die Kongresswahlen im November - dort stehe das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, auf dem Wahlzettel.
Obama ruft zum Widerstand auf
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama nannte die Gerichtsentscheidung einen Angriff auf die "Grundfreiheiten" der US-Bürger. "Heute hat der Oberste Gerichtshof nicht nur einen fast 50 Jahre alten Präzedenzfall umgestoßen, sondern auch die persönlichste Entscheidung, die ein Mensch treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen unterworfen", schrieb der Demokrat auf Twitter.
Obama teilte zudem einen Bild mit einem Text: "Schließt Euch den Aktivisten an, die seit Jahren Alarm schlagen beim Zugang zu Abtreibungen, und handelt. Steht mit ihnen bei einem örtlichen Protest", hieß es dort. Seine Frau Michelle Obama schrieb: "Ich bin untröstlich für die Menschen in diesem Land, die gerade das Grundrecht verloren haben, fundierte Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen." Der Richterspruch müsse ein Weckruf vor allem für junge Menschen sein.
Trump Junior feiert Erfolg seines Vaters
Der Sohn von Ex-Präsident Donald Trump feierte die Supreme-Court-Entscheidung dagegen als Sieg seines Vaters. "Stolz auf meinen Vater für das, was er heute erreicht hat", schrieb Donald Trump Junior bei Twitter. Sein Vater habe für "unsere Bewegung" drei Richter am Obersten Gerichtshof eingesetzt, die gegen liberale Abtreibungsregeln seien. Auch der konservative texanische Gouverneur Greg Abbott begrüßte das Urteil: Texas sei ein Staat, der ungeborenes Leben schütze.
Der Supreme Court hatte 1973 in einer bahnbrechenden Entscheidung ein verfassungsmäßiges Grundrecht auf Abtreibungen verankert und damit landesweit Schwangerschaftsabbrüche legalisiert. Als Richtlinie galt seitdem, dass Schwangerschaftsabbrüche so lange erlaubt sind, bis der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wäre. Das ist in der Regel etwa ab der 24. Schwangerschaftswoche der Fall. Konservative Politiker und Aktivisten kämpften seit Jahrzehnten gegen das Grundsatzurteil an. Ihre Erfolgschancen stiegen tatsächlich erst, als Trump drei konservative neue Verfassungsrichter nominierte.
Durch die aktuelle Entscheidung wird die rechtliche Situation von vor 50 Jahren wieder hergestellt: Schwangerschaftsabbrüche sind zwar nicht automatisch illegal, den einzelnen US-Bundesstaaten steht es jedoch frei, Abtreibungen zu erlauben, sie einzuschränken oder gänzlich zu verbieten. Nach Angaben des Guttmacher Institutes dürften 26 und damit etwa die Hälfte der 50 Bundesstaaten Abtreibungen verbieten oder stark einschränken. 13 dieser konservativ geführten Bundesstaaten haben entsprechende Gesetze bereits vorbereitet. Sie könnten nun mit der Entscheidung des Supreme Court umgehend in Kraft treten. Als erster Bundesstaat verkündete Missouri bereits kurz nach dem Grundsatzurteil ein entsprechendes Verbot.
Dagegen wollen die von den Demokraten regierten Bundesstaaten am Recht auf Schwangerschaftsabbrüche festhalten. Viele Frauen könnten damit künftig gezwungen sein, in andere Bundesstaaten zu reisen, wenn sie eine Abtreibung vornehmen lassen wollen. Für viele dürfte das unter anderem aus finanziellen Gründen sehr schwierig werden.
Tränen bei Abtreibungsaktivisten
Vor dem Supreme Court in Washington brachen Abtreibungsgegner in Jubel aus, als die Entscheidung bekannt wurde. Konservative Politiker begrüßten den Schritt ebenfalls. Das Recht auf Abtreibung gehöre "auf den Müllhaufen der Geschichte", erklärte Trumps ehemaliger Stellvertreter, Mike Pence. Die Richter hätten "ein historisches Unrecht korrigiert". Der vehemente Abtreibungsgegner Pence ist ein potenzieller republikanischer Präsidentschaftskandidat.
Auch Aktivisten für das Recht auf Abtreibung hatten sich in Washington versammelt. Einige von ihnen brachen in Tränen aus. Der wichtigste Anbieter von Schwangerschaftsabbrüchen in den USA, Planned Parenthood, kündigte an, sich weiter für das Recht auf Abtreibung engagieren zu wollen. "Wir werden den Kampf niemals aufgeben", erklärte das Unternehmen.
Quelle: ntv.de, mau/AFP/dpa