Politik

Trump duelliert sich in Hochform Bidens Bombe platzt zum Schluss

Joe Biden vertut sich offenbar bei den Erläuterungen zu seinem Klimaplan.

Joe Biden vertut sich offenbar bei den Erläuterungen zu seinem Klimaplan.

(Foto: AP)

Beim letzten Fernsehduell des US-Wahlkampfes geht es zur Sache: US-Präsident Trump verhält sich fast wie ein Herausforderer. Und Biden macht am Ende eine Aussage, die ihn entscheidende Wähler kosten könnte.

Nun steht nichts mehr zwischen US-Präsident Donald Trump, seinem Konkurrenten Joe Biden und der Wahl am 3. November. Das zweite Fernsehduell ist vorüber und damit die letzte große Chance, sich den noch verbliebenen unentschlossenen Wählern zu präsentieren. Trump zeigte sich im Verhalten gezähmt, aber in seinen Angriffen auf Biden messerscharf. Der lieferte eine solide bis gute Leistung ab, ließ aber einige Gelegenheiten ungenutzt, den Präsidenten mit dessen Politik zu konfrontieren.

Der Präsident hatte einen Balanceakt vor sich: Er musste Biden attackieren, durfte aber nicht respektlos wirken wie beim ersten TV-Duell. Dies war vor allem wegen Trump in eine wilde Unterbrechungsorgie ausgeartet. Danach wuchs Bidens Vorsprung in den Umfragen deutlich. Trump hat die Aufgabe erfüllt, wirkte größtenteils fokussiert und verhielt sich der Situation angemessen. Biden hatte wie üblich einige sprachliche Aussetzer, wurde aber mit fortschreitender Diskussion dynamischer. Die Themen waren die Corona-Krise, Wahlbeeinflussung aus dem Ausland, Rassismus, Einwanderung, Krankenversicherung und Klimawandel.

In der ersten Viertelstunde hat Biden einen schweren Stand - unverständlich, denn das Thema ist das weitere Vorgehen gegen Corona. Der Demokrat wirkt leicht unkonzentriert und weist erst spät darauf hin, dass Trump für die aktuelle Lage mitverantwortlich sei. Trump hingegen sagt: Wir hatten die beste Wirtschaft aller Zeiten, bald gibt es einen Impfstoff. Nicht er, sondern China sei schuld an der Situation. Dann versucht er, das Mitgefühl der Zuschauer für Unternehmer zu wecken: "New York stirbt", klagt Trump, die Straßen seien leer: "Wir müssen unsere Unternehmen schützen."

Joe Biden beginnt schwach

Die Fernsehdebatten sind die einzigen von einem breiten Publikum wahrgenommenen Wahlkampfveranstaltungen, bei denen Demokraten, Republikaner und - besonders wichtig für die Kandidaten - die wenigen Wechselwähler zugucken. 2016 hatten zwei Wochen vor dem Wahltag 5 Millionen US-Amerikaner ihre Stimme abgegeben, aktuell sind es bereits mindestens 47 Millionen. Das ist fast ein Drittel der 2016 abgegebenen Stimmen insgesamt. Corona und die Wirtschaft sind für Wähler besonders wichtig bei dieser Wahl.

Doch von Biden bleibt beim Auftakt nur eine Situation wirklich hängen. Als er sagt, Trump habe gewusst, dass Corona viel gefährlicher als eine gewöhnliche Grippe sei, dies aber verschwiegen, um Panik zu verhindern. Dabei war es vielmehr Trump gewesen, der panisch geworden sei. Ab diesem Zeitpunkt kommt Biden besser in Fahrt. Stark ist er besonders, wenn er die Zuschauer direkt anspricht und Themen mit seinen persönlichen Erfahrungen verknüpft.

Als es um die versuchte Beeinflussung der Wahl aus dem Ausland geht, ist Trumps Gelegenheit gekommen, auf der angeblichen Korruption seines Konkurrenten und dessen Sohn Hunter herumzureiten. Biden versichert, er habe niemals Geld angenommen, von keinem Land der Welt. Nach einem Konter, Trump kündige seit Jahren an, seine Steuererklärung zu veröffentlichen, tue es aber nie, rutscht die Diskussion in einen Wettstreit darüber ab, wer wohl eher unter dem Einfluss eines anderen Landes steht und vor allem, wer "Geschäfte" mit China macht. Biden grinst irgendwann nur noch kopfschüttelnd, während Trump das unschuldige Opfer mimt und mit dem Finger auf seinen Konkurrenten zeigt.

Dann reißt Biden das Ruder an sich und macht eine persönliche Ansprache ans Publikum: Es gehe nicht um seine Familie, sondern um ihre. Trump lästert: "Typisch Politiker. [..] Ich bin nicht der typische Politiker, deshalb bin ich gewählt worden."

Gutes Verhältnis zu Anführern

Trump behauptet, wegen seiner persönlichen Beziehung zu Nordkoreas Diktator Kim Jong Un habe er einen Atomkrieg verhindert. "Ein gutes Verhältnis zu Anführern zu haben, ist etwas Gutes", sagt Trump und klagt, Ex-Präsident Barack Obama und dessen Vize Biden hätten ihm ein "Chaos" hinterlassen. Biden erwidert, Trump habe nichts erreicht. Kim sei ein Verbrecher und Nordkoreas Atomwaffen so gefährlich wie nie zuvor, da sie inzwischen auch das US-amerikanische Festland erreichen könnten.

In der zweiten Hälfte des Duells wird Biden dann besonders stark. Es geht um die Zukunft der Krankenversicherung, ein weiteres Schlüsselthema für die Wähler. Trump behauptet, Biden wolle den US-Amerikanern ihre Versicherungen wegnehmen und durch ein staatliches System ersetzen. Biden wehrt die Angriffe im Vorbeigehen ab und spottet: "Ich warte immer noch auf den neuen Krankenversicherungsplan der Republikaner" - wahrscheinlich komme der zusammen mit dem Infrastrukturplan. Auch der ist seit Jahren angekündigt.

Emotional wird es, als die Moderatorin auf das Thema Einwanderung zu sprechen kommt. Seit Tagen diskutieren die USA darüber, dass die Bundesbehörden an der Südgrenze zu Mexiko Einwandererkinder allein einsperrte - und nun ihre Eltern nicht mehr finden. Mehr als 500 Kinder sind betroffen. Biden nennt das kriminell. Trump stichelt immer wieder mit der Frage, wer denn die Käfige gebaut habe. "Acht Jahre hat er nichts getan", klagt Trump. Biden kündigt indes an, dass die 11 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land eingebürgert werden sollen.

Als es um Rassismus geht, wird es hitzig. Biden spricht an, was es für Afroamerikaner bedeutet, sich in der Öffentlichkeit unter Generalverdacht der Polizei zu bewegen. An dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, dass sich Trump in dieser Debatte häufig nicht wie ein Präsident verhält, sondern eher wie ein Herausforderer. Er attackiert Biden sofort und erwähnt das Anti-Kriminalitätsgesetz aus den 1990er Jahren, wegen dem so viele Afroamerikaner ins Gefängnis gingen und das Biden mitgetragen hat.

Biden entschärft die Situation mit Menschlichkeit: Das Gesetz war ein Fehler, gibt er zu und verspricht umfassende Reformen. Trump tritt nach und sagt: "Nur Worte, keine Taten - diese Politiker. Warum haben Sie es acht Jahre lang nichts gemacht? Weil Sie eben das sind." Bidens Antwort ist kurz: Der von den Republikanern kontrollierte Kongress habe es nicht zugelassen.

Biden wird persönlich

Zum Schluss geht es um den Klimawandel. Trump sagt, er werde nicht Zehntausende Jobs opfern wegen des Pariser Klimaabkommens. Biden führt Details seines grünen Wirtschaftsplans aus. Er wolle 50.000 Elektrotankstellen an den Highways errichten lassen und insgesamt 18,5 Millionen Jobs schaffen: "Die am schnellsten wachsende Industrie ist Solar- und Windenergie, und das sind gute Jobs für 45 bis 50 Dollar die Stunde." Trump lästert, er wisse mehr über Wind als Biden: "Es ist sehr teuer, tötet alle Vögel und Windräder stellen sie in Deutschland und China her." Bidens Vorhaben nennt er den "verrücktesten Plan aller Zeiten". Sie wollten Gebäude abreißen und mit kleineren Fenstern wieder aufbauen.

Trump will wissen, was Biden mit der Ölförderung per Fracking zu tun gedenkt. Biden erklärt, wie schädlich es sei und wie er es selbst als Kind in Delaware erlebte, dass das Öl die Windschutzscheibe verklebte und die Leute deshalb an Krebs starben. "Wir werden der Ölindustrie keine Zuschüsse mehr geben und sie der Wind- und Solarindustrie zahlen", kündigt der Demokrat an. Mit der Zeit müsse sie durch erneuerbare Energien ersetzt werden.

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Dann lässt Biden eine vermeintliche Bombe platzen: Bis zum Jahr 2025 wolle er null Kohlendioxid-Emissionen bei der Stromerzeugung. Offenbar ein Versprecher: In Bidens offiziellem Plan ist von sauberer Energie bis 2035 die Rede und komplettem Herunterfahren der Emissionen bis 2050. Derzeit kommen in den USA fast 80 Prozent der Energie aus Öl und Gas. Trump tönt triumphierend: "Er will die Ölindustrie zerstören! Merkt ihr euch das, Texas? Merkt ihr euch das, Pennsylvania? Ohio?" Alle drei Bundesstaaten werden den Umfrageergebnissen zufolge nicht sicher Demokraten oder Republikaner wählen und könnten der Wahl eine entscheidende Richtung geben.

Vom Duell bleibt, dass Biden seine Stärken deutlich zeigte, mit Empathie und bei seinen Themen. Trump meisterte zugleich seinen Balanceakt sehr gut - er war nicht unhöflich und griff Biden so an, wie er es wollte: zu dessen Vergangenheit, in Sachen Wirtschaft und über die angeblichen Verbindungen ins Ausland. Ob es für eine Wiederwahl reicht? Die Umfragen haben bislang etwas anderes nahegelegt. Doch die Auswirkungen dieses TV-Duells werden erst in den kommenden Tagen zu sehen sein. Und dann steht schon die Wahl vor der Tür.

Quelle: ntv.de

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