Schutz für Gazas Zivilisten Blinken: Hamas-Gräuel sind "kein Freibrief" für Entmenschlichung
08.02.2024, 02:08 Uhr Artikel anhören
Blinken bei der Ankunft in Tel Aviv. Der US-Außenminister dringt unter anderem auf mehr humanitäre Hilfe im Gazastreifen.
(Foto: AP)
Seit Monaten versuchen die USA, Israel im Krieg gegen die Hamas zu einem umsichtigeren Vorgehen gegenüber Zivilisten zu drängen. Als Außenminister Blinken in Tel Aviv ist, macht er die Botschaft mehr als deutlich.
US-Außenminister Antony Blinken hat die israelische Führung bei einem Besuch in Israel in verschärfter Tonlage ermahnt, im Krieg gegen die islamistische Hamas mehr für den Schutz von Zivilisten zu tun. Die Entmenschlichung, die Israel bei dem Massaker durch die Hamas im Oktober erlebt habe, könne "kein Freibrief" sein, um selbst andere zu entmenschlichen, sagte Blinken nach Gesprächen in Tel Aviv.
Die USA drängten Israel schon länger, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken und mehr Hilfe für die Bevölkerung in Gaza zu ermöglichen, betonte er. "Und in den vergangenen vier Monaten hat Israel wichtige Schritte unternommen, um genau das zu tun." Doch die täglichen Opfer, die die Militäroperationen der unschuldigen Zivilbevölkerung abverlangten, seien "immer noch zu hoch". Das habe er auch dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und anderen Regierungsmitgliedern bei seinen Gesprächen gesagt.
Er habe auch mehrere wesentliche Schritte genannt, die Israel unternehmen sollte - unter anderem, um mehr humanitäre Hilfe für den Gazastreifen zuzulassen. "Die Israelis wurden am 7. Oktober auf grausamste Weise entmenschlicht", betonte Blinken mit Blick auf das Massaker von Hamas-Terroristen in Israel vor vier Monaten. Die damals verschleppten Geiseln seien seitdem jeden Tag entmenschlicht worden. "Aber das kann kein Freibrief dafür sein, selbst andere zu entmenschlichen."
Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Gaza habe nichts mit dem Angriff der Hamas vom Oktober zu tun. Die Familien in Gaza, deren Überleben von israelischen Hilfslieferungen abhängig sei, seien wie Familien überall auf der Welt, die ein normales Leben leben und ihre Kinder zur Schule schicken wollten. "Wir können und dürfen unsere gemeinsame Menschlichkeit nicht aus den Augen verlieren", mahnte Blinken.
Blinken sieht Chancen auf Hamas-Deal
Anders als Netanjahu äußerte sich Blinken nach den Gesprächen in Israel verhalten optimistisch zu einem möglichen Deal mit der Hamas, bei dem es im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln eine Waffenruhe geben könnte. In der Reaktion der Hamas auf einen internationalen Vermittlungsvorschlag seien zwar einige "Rohrkrepierer" vorhanden, sagte Blinken. "Aber wir sehen in dem, was zurückkam, auch Raum, um die Verhandlungen fortzusetzen und zu sehen, ob wir zu einer Einigung kommen können", betonte er. "Und wir glauben, dass wir ihn nutzen sollten."
Netanjahu hatte die Hamas-Reaktion zuvor vehement zurückgewiesen. Die von der Islamistenorganisation gestellten Bedingungen würden zu einem weiteren Massaker wie dem am 7. Oktober führen, sagte Netanjahu. Die Bedingungen der Hamas zu erfüllen, käme einer Katastrophe gleich. Es sei stattdessen nötig, weiter militärischen Druck auf die Hamas auszuüben, um die Geiseln freizubekommen. Es gebe keine Alternative zu ihrem militärischen Zusammenbruch.
Die islamistische Palästinenserorganisation fordert im Gegenzug für eine weitere Freilassung von Geiseln, dass Israel mehr als 1500 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlässt - unter ihnen 500 Häftlinge, die zu lebenslangen oder sehr langen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Hamas pocht zudem weiterhin auf einen Waffenstillstand, was Israel ablehnt. Aus israelischer Sicht ist im Rahmen einer Vereinbarung nur eine vorübergehende Feuerpause denkbar.
Quelle: ntv.de, ino/dpa