"Partygate"-Bericht liegt vor Boris Johnson sagt "Sorry", mehr nicht
31.01.2022, 16:44 Uhr
Zurücktreten will Boris Johnson nicht. Ob er gehen muss, hängt von seiner Partei ab, die ihn bisher stützt.
(Foto: dpa)
Der britische Premierminister Johnson entschuldigt sich für das Fehlverhalten seiner Regierung in der "Partygate"-Affäre. Die Fehler täten ihm leid. Zugleich lobt er seine Politik in den höchsten Tönen. An einen Rücktritt scheint er nicht mal zu denken.
Der britische Premier Boris Johnson hat sich für seinen Umgang mit den Vorwürfen über Partys im Lockdown in seinem Amtssitz entschuldigt. "Ich möchte 'Sorry' sagen", sagte ein betreten wirkender Johnson im Londoner Unterhaus. Unmittelbar zuvor war ein Untersuchungsbericht zu den Lockdown-Partys in 10 Downing Street veröffentlicht worden.
Johnson kündigte weitreichende Umstrukturierungen und Reformen in seinem Amtssitz und im Kabinett an. "Ich verstehe es und ich werde es in Ordnung bringen", sagte der Premier.
Ein Rücktritt, wie ihn die Opposition und einige Abgeordnete seiner eigenen Partei fordern, kommt für Johnson nicht infrage. Im Gegenteil: Schon nach wenigen Sätzen ging er dazu über, seine Politik im Brexit und in der Corona-Pandemie über den grünen Klee zu loben.
"Ein Mann ohne Scham"
Labour-Chef Keir Stamer sagte, Johnson müsse eigentlich zurücktreten, werde das aber nicht tun, denn er sei "ein Mann ohne Scham". Von Johnsons konservativer Partei fordert Stamer, den Premier loszuwerden. Der Chef der Schottischen Nationalpartei im Unterhaus, Ian Blackford, kassierte einen Ordnungsruf, weil er Johnson vorwarf, das Parlament bewusst hintergangen und belogen zu haben.
Johnsons Vorgängerin und Parteikollegin Theresa May sagte in der Debatte, der Premier habe die Regeln nicht gekannt, nicht verstanden oder geglaubt, dass sie für ihn nicht gelten. "Was davon war es?" Johnson wies auch dies zurück.
In ihrem Untersuchungsbericht schreibt die beamtete Staatssekretärin Sue Gray, einige der Veranstaltungen am Amtssitz des Premierministers hätten nach den damals geltenden Regeln nicht stattfinden dürfen, andere seien aus dem Ruder gelaufen. Sie attestierte Johnsons Regierung schweres Führungsversagen und ein mangelndes Urteilsvermögen.
In den vergangenen Wochen waren immer mehr Partys während der Corona-Lockdowns bekannt geworden. Angesichts scharfer Kritik auch aus den eigenen Reihen hatte Johnson auf Zeit gespielt und erklärt, zunächst den Gray-Bericht abzuwarten. Wegen parallel laufender Polizeiermittlungen wurde dieser nun nicht vollständig veröffentlicht. Auch das könnte Johnson bei seinem Zeitspiel helfen. Die Frage einer Labour-Abgeordneten, ob der Regierungschef den Bericht nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen veröffentlichen würde, beantwortete Johnson ausweichend.
"Übermäßiger Konsum von Alkohol"
Schon die veröffentlichten Passagen enthalten einigen politischen Sprengstoff. So forderte Gray klare Regeln, die Trinkgelage am Arbeitsplatz verhindern. "Der übermäßige Konsum von Alkohol ist an einem professionellen Arbeitsplatz zu keiner Zeit angebracht." In Medienberichten war in den vergangenen Wochen von Trinkgelagen berichtet worden, bei denen Regierungsmitarbeiter Koffer voller Alkohol angeschleppt hätten und bis in die frühen Morgenstunden tanzten. Zahlreiche Büros sollen mit Kühlschränken für Wein ausgestattet sein.
Während all dieser Partys galten in Großbritannien strenge Corona-Kontaktbeschränkungen, so dass Angehörige beispielsweise nicht einmal sterbende Verwandte besuchen oder an an Beerdigungen teilnehmen konnten.
Gray stellte zudem fest, dass sich Mitarbeiter unter Druck gesetzt fühlten. Einige hätten zwar Bedenken äußern wollten, seien aber davor zurückgeschreckt. Regierungsmitarbeiter müssten in der Lage sein, sich über ungebührliches Verhalten zu beschweren, schrieb Gray.
Quelle: ntv.de, hvo/rts