Lkw-Flut auf dem Alpenpass Brennergipfel sucht Transitidylle
05.02.2018, 08:13 Uhr
Wegen der österreichischen Blockabfertigung staut sich der Verkehr bei Rosenheim.
(Foto: dpa)
Mehr als zwei Millionen Lastwagen rattern 2017 über den Brenner durch die Alpen. Das spült Geld in die Kassen, bedeutet für die Anwohner aber Lärm und Abgase. Der Brennergipfel mit Vertretern aus Österreich, Italien und Deutschland soll Abhilfe schaffen.
Lastwagen, Staus, Blockabfertigung - Alpenidylle sieht anders aus. Die Brenner-Autobahn von Österreich über den Alpenpass nach Italien gilt als eine der meistbefahrenen Transitstrecken Europas - und der Verkehr nimmt weiter zu. An die 2,25 Millionen Lastwagen ratterten 2017 nach Angaben des Landes Tirol an der Zählstelle in Schönberg vorbei, 8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anwohner entlang der Strecke stöhnen über Lärm und Abgase. Die Belastungsgrenze sei erreicht, sagen sie.
Unter Leitung von EU-Koordinator Pat Cox treffen sich nun die Verkehrsminister von Deutschland, Österreich und Italien sowie Vertreter von Bayern, Tirol, Südtirol und Trentino in München. Beim Brennergipfel wollen sie gemeinsam Lösungen suchen, denn zwischen den Ländern sorgt das Thema Transitverkehr immer mehr für dicke Luft.
Für jüngsten Ärger sorgte das Tiroler Vorgehen, mit einer Blockabfertigung für Lastwagen an der bayerisch-österreichischen Grenze den eigenen Brennerabschnitt zu entlasten. Seitdem dürfen nur höchstens 300 Lastwagen pro Stunde einreisen. Doch was Tirol entlastete, traf Bayern, wo sich plötzlich bis zu 30 Kilometer lange Staus bildeten. "Österreich verstößt klar gegen den EU-Grundsatz des freien Warenverkehrs", kritisierte im Dezember Bundesminister Christian Schmidt. "Die Lkw-Blockabfertigung muss ein Ende haben."
Nun sitzt Schmidt mit seinen Kollegen aus Österreich und Italien, Norbert Hofer und Graziano Delrio am Tisch. Dabei ist auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, der die Blockabfertigungen beibehalten möchte. "Wir werden diesen Weg im Jahr 2018 fortsetzen", erklärte er. Zusätzlich will er eine Obergrenze von einer Million Lastwagen pro Jahr durchsetzen - weniger als die Hälfte von 2017.
"Die Kapazitätsgrenze ist erreicht"
Tirol, Südtirol und Trentino haben schon Mitte Januar in Bozen den Schulterschluss geübt und sich zur sogenannten Korridormaut bekannt. Die Mautgebühren zwischen München und Verona sollen angeglichen und dabei teils angehoben werden. Wegen der streckenweise günstigen Maut und des billigen Diesels in Österreich wählen manche Spediteure den Brenner, obwohl das ein Umweg ist. Das, so heißt es in Tirol, müsse aufhören.
"Es liegt auf der Hand, dass der Verkehr verlagert werden muss. Die Kapazitätsgrenze ist erreicht", sagte auch Südtirols Landeshauptmann Arnold Kompatscher. Allerdings sei der Transitverkehr stark mit wirtschaftlichen Interessen verbunden. "Schnellstens" müsse auch der Verkehr auf die Schiene verlagert werden. Der Brennerbasistunnel sei mit seinen Zulaufstrecken eine gemeinsame Lösung, in die noch mehr Energie fließen müsse.
Auch Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann will mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen. Doch der Brennerbasistunnels wird erst 2026 fertig. Und während am Tunnel längst gebaut wird, haben im bayerischen Inntal für den nördlichen Zulauf gerade Probebohrungen begonnen. Leidtragende des Verkehrs bleiben vorerst die Anwohner an der Brenner-Autobahn.
Neue Krebsfälle durch Verkehr?
"Der Schwerlastverkehr ist zur extremen Belastung für die Bevölkerung geworden", sagt Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der österreichischen Gemeinde Gries am Brenner. Er mutmaßt, dass der Verkehr Mitschuld trägt an neuen Krebsfällen in seiner Gemeinde. Auch sein Kollege Franz Kompatscher von der Gemeinde Brenner auf der italienischen Seite, die der Route ihren Namen gab, sagt, es gehe um die Gesundheit der Menschen. "Wir wünschen uns zu allererst weniger Verkehr." Es gehe aber auch um einen finanziellen Ausgleich. "Wir profitieren überhaupt nicht. Das ist das Leidwesen." Die Maut müsse angehoben und die Gemeinden mit einer Umweltabgabe entschädigt werden - um mit dem Geld etwas für ihre geschundene Bevölkerung zu tun.
Die Bürgermeister von Ebbs, Kiefersfelden, Niederndorf, Oberaudorf und Kufstein im bayerisch-österreichischen Grenzland haben sich laut Lokalzeitungen vorab bereits an die Teilnehmer des Brennergipfels gewendet. Die Grenzregion sei vor allem an den Ferien- und Skiwochenenden völlig überlastet, schrieben sie in einem gemeinsamen Brief. Denn Autofahrer, vor allem auf dem Weg in die Skigebiete, umgehen die Grenzkontrollen oder wollen sich kein Mautpickerl kaufen - und fahren durch den Ort.
Jetzt ruhen ihre Hoffnungen auf München. Franz Kompatscher aus Brenner sagt: "Ich bin guter Dinge, dass da etwas herauskommt."
Quelle: ntv.de, Sabine Dobel, dpa