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Pflegekräfte dringend gesucht Bund lässt trotz Notstand Anwerbe-Fördertopf auslaufen

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Ausländische Pflegekräfte sollen helfen, den Mangel in Deutschland zu lindern - doch die bürokratischen Hürden sind hoch.

Ausländische Pflegekräfte sollen helfen, den Mangel in Deutschland zu lindern - doch die bürokratischen Hürden sind hoch.

(Foto: dpa)

Annalena Baerbock und Hubertus Heil werben in Brasilien um Pflegekräfte. Ein Bericht, der ntv.de exklusiv vorliegt, zeigt aber ausgerechnet jetzt: Ein wichtiger Fördertopf für die Anwerbung aus dem Ausland ist leer und soll nicht wieder aufgefüllt werden. Zum Ärger vieler Einrichtungen.

Deutschland braucht dringend Pflegekräfte, um in Zukunft einen Notstand in der Gesundheitsbranche abwenden zu können. Neue Pflegerinnen und Pfleger müssen deswegen auch zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem Ausland abgeworben werden.

CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge spricht während einer Debatte im Bundestag.

CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge spricht während einer Debatte im Bundestag.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Dafür gibt es Programme von Ministerien und Absprachen zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Ländern wie Indien, Brasilien oder Mexiko. Die deutsche Politik verspricht sich davon viel, die Realität sieht anders aus: Es kommen immer noch viel zu wenig Pflegekräfte aus diesen Ländern. Vor allem sind die bürokratischen Hürden für die Integration der Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt viel zu hoch.

Nun zeigt ein interner Bericht des Bundesfinanzministeriums, der ntv.de vorliegt, dass die Bundesregierung für das Förderprogramm "Faire Anwerbung Pflege Deutschland" den Geldhahn zugedreht hat - ein Programm aus dem Bundesgesundheitsministerium, in dem es um ebendiese Anwerbung von Pflegekräften aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) geht. "Die Laufzeit des Förderprogramms endet am 31. Dezember 2023", heißt es in dem Bericht. Bis jetzt seien 4,7 Millionen Euro für das Programm abgeflossen, nun ist der Topf alle: "Für die Restlaufzeit (bis Ende 2023) stehen keine ungebundenen Fördermittel mehr zur Verfügung."

Kritik an dem Ende der Förderung kommt aus der Opposition: "Die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte wird vor allem durch die Haushaltsblockade der Bundesregierung ausgebremst. Es ist höchste Zeit für eine klare Prioritätensetzung im Gesundheitsressort. Die Pflege braucht eine neue Anwerbe-Offensive", sagt Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, gegenüber ntv.de.

"Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut"

Ausgerechnet in diesen Tagen waren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock unterwegs in Brasilien. Ein Schwerpunkt der Reise: Die Anwerbung von Fachkräften, vor allem Pflegekräften, aus dem Land mit 214 Millionen Einwohnern. "Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker finden in Deutschland bereits offene Arme. Diese Partnerschaft wollen wir ausbauen", sagte Baerbock am Montag. Hubertus Heil erklärte wiederum, dass die BA die Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften aus Brasilien pro Jahr für möglich halte - aktuell arbeiteten bis zu 200 brasilianische Pflegekräfte in Deutschland.

Da stellt sich die Frage: Fehlt es an Abstimmung zwischen dem Bundesarbeitsministerium und dem Bundesgesundheitsministerium? Und warum endet die Finanzierung eines so wichtigen Programms für die Anwerbung von ausländischer Pflegekräften? "Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut", sagt CDU-Mann Sorge.

Denn das Interesse der Einrichtungen an dem Pflegeprogramm war groß: ntv.de liegt eine Liste an Einrichtungen vor, die von dem Fördertopf profitieren konnten - es sind über 100. "Insgesamt haben wir seit 2019 35 Pflegefachkräfte von den Philippinen angeworben, davon waren über das Bundesprogramm 25 Personen gefördert", sagt Michael van Meerbeck, Caritasdirektor in Voerde am Niederrhein, gegenüber ntv. 150.000 Euro seien eigentlich über das Programm bewilligt und von den Einrichtungen eingeplant worden, aber: "Mit erneutem Bescheid wurde uns mitgeteilt, dass die von der bewilligten Summe noch ausstehenden 75.000 Euro wegen nicht ausreichend zur Verfügung stehender Haushaltsmittel nicht mehr ausgezahlt werden." CDU-Politiker Sorge kritisiert, dass der aktuelle Zustand für Pflegeheime und Kliniken frustrierend sei: "Die staatliche Unterstützung läuft aus, und es gibt keinerlei Planungssicherheit für die Zukunft."

Arbeitsministerium will Sprachkurse verbessern

Auf Anfrage heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium, dass Deutschland "dringend" Pflegekräfte brauche und der Bedarf weiter steigen werde. Deshalb arbeite man mit den zuständigen Ministerien zusammen, um Pflegerinnen und Pfleger aus dem Ausland anwerben zu können. Zudem verweist das Ministerium auf das von der Ampel-Koalition neu beschlossene Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, in dem u.a. die Möglichkeit geschaffen wurde, dass Drittstaatsangehörige eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten können, wenn sie in Deutschland eine Ausbildung als Pflegehilfskraft abgeschlossen haben oder über eine im Ausland erworbene und in Deutschland entsprechend anerkannte Berufsqualifikation verfügen - auch wenn sie im aufenthaltsrechtlichen Sinne keine Fachkraft sind.

Zudem sollen offenbar die Berufssprachkurse für den Medizin- und Pflegebereich verbessert werden, die wiederum wichtig für die Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikation sind. Auf ntv.de-Anfrage sagte eine Sprecherin: "Derzeit wird geprüft, wie die Berufssprachkurse insbesondere für Fachkräfte aus dem Ausland noch attraktiver und besser erreichbar gemacht werden können."

Für Caritasdirektor Michael van Meerbeck ist jedenfalls klar: Es braucht vor allem eine verlässliche Integrationsbegleitung der Menschen, die zu uns kommen. Sein Fazit: "Mit den bisherigen bürokratischen Hürden und den damit verbundenen Kosten werden wir unseren Pflegenotstand nicht mildern."

Quelle: ntv.de

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