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Experte sieht Milliardenlücke Bundesrechnungshof nennt Haushalt "äußerst problematisch"

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Am Dienstag werden Sachverständige im Haushaltsausschuss des Bundestags befragt.

Am Dienstag werden Sachverständige im Haushaltsausschuss des Bundestags befragt.

(Foto: dpa)

Die Haushaltsverhandlungen gehen auf die Zielgerade, doch die Kritik bleibt: Der Bundesrechnungshof äußert Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Etats. Doch auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds weckt Skepsis - Strom, Gas und Fernwärme könnten laut Habeck teurer werden.

Der Bundesrechnungshof hält nach dem Karlsruher Haushaltsurteil die Bundeshaushalte für dieses und das kommende Jahr "in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch". Das geht aus der Stellungnahme des Rechnungshofs für die Sachverständigenanhörung am Dienstag im Haushaltsausschuss des Bundestags hervor. Den Etat für 2024 in der aktuellen Lage zu beschließen, sei riskant.

Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg, der die Unions-Klage gegen den Klimafonds vor dem Bundesverfassungsgericht mitvertreten hatte, rät in seiner Stellungnahme von einem Beschluss des Haushalt 2024 ab. "Der vorliegende Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 könnte verfassungswidrig sein", schreibt er. Offen sei, ob einzelne Posten aus dem Klima- und Transformationsfonds nun in den Kernhaushalt überführt werden müssten.

Der Finanzwissenschaftler Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg sieht in der Haushaltsplanung eine Lücke von mindestens 52 Milliarden Euro. "Um einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, muss die Bundesregierung den geplanten Einsatz aller Sondervermögen ohne eigene Kreditermächtigung auch jenseits des Sondervermögens 'Klima- und Transformationsfonds' überprüfen", heißt es in seiner Stellungnahme. Das würde dann auch für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gelten, aus dem die Regierung etwa die Gas- und Strompreisbremsen durch Kreditermächtigungen aus dem Jahr 2022 finanziert.

Die meisten der von den Fraktionen berufenen Sachverständigen halten Auswirkungen auf das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen für denkbar. Sie äußern sich in ihren Stellungnahmen jedoch nicht eindeutig zu den Konsequenzen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte bereits vor möglicherweise steigenden Energiepreisen. "In der Begründung bezieht sich das Urteil, weil es so fundamental gesprochen ist, in der Tat im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind", sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk.

Die Energiepreisbremsen sollten den rasanten Preisanstieg bei Gas und Strom nach dem russischen Angriff auf die Ukraine abmildern. Dafür wurde das vom Kernhaushalt wirtschaftlich unabhängige Sondervermögen mit Krediten in Höhe von 200 Milliarden Euro gefüttert. Ob die Mittel im kommenden Jahr noch zur Verfügung stehen, wird genauso bezweifelt wie, ob das Geld in diesem Jahr überhaupt hätte gezahlt werden dürfen. Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Ramona Pop, warnte vor einem Ende der Strom- und Gaspreisbremsen. "Die Bundesregierung muss die Preisbremsen auch in diesem Winter wie versprochen fortführen. Ein vorzeitiges Ende wäre für viele Menschen nicht zu schultern", sagte sie dem "Handelsblatt". Verbraucherinnen und Verbraucher dürften nicht das Nachsehen haben.

Südekum sieht Kernhaushalt nicht direkt betroffen

Der Rechtsprofessor Henning Tappe äußert in seiner Stellungnahme Bedenken mit Blick auf die Praxis, dass die Regierung etwa den WSF 2022 mit Krediten gefüllt hatte, die zum Teil erst 2023 und 2024 genutzt werden. "Ein Haushaltsgesetz, das Einnahmen aus Krediten zulässt, um Ausgaben zu finanzieren, die erst in Zukunft zu leisten sind, verfehlt die haushaltsverfassungsrechtlichen Grundsätze der Fälligkeit und Jährigkeit", schreibt Tappe.

Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum dagegen sieht den Kernhaushalt des kommenden Jahres von dem Karlsruher Urteil nicht direkt betroffen. Solange ein Ausgabenstopp im Klima- und Transformationsfonds verhängt würde, könne der Etat 2024 verabschiedet werden. Es sei allerdings ein baldiger Nachtragshaushalt wahrscheinlich. Weil offene Fragen zum Urteil realistischerweise nicht bis Jahresende geklärt werden könnten, solle der Etat trotzdem erst einmal beschlossen werden, rät er.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages will am Dienstag Sachverständige anhören zu den Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils auf die Etatplanung 2024. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will am Donnerstag im Haushaltsausschuss den Etat beschließen, der nach bisheriger Planung am 1. Dezember vom Bundestag verabschiedet werden soll.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts

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