Große Aufgabe für Europa und USA Bundesregierung findet Debatte um Friedenstruppen verfrüht
17.02.2025, 16:24 Uhr Artikel anhören
Deutsche und ukrainische Soldaten stehen auf einem Truppenübungsplatz vor Flugabwehrraketensystemen des Typs "Patriot" im Juni 2024.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die USA wollen von den Europäern wissen, wer bereit wäre, im Rahmen einer Friedensregelung Truppen in die Ukraine zu entsenden. Die Briten wollen, Polen hingegen nicht. Für Kanzler Scholz kommt die Debatte zu früh.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält die Debatte um eine Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an einem möglichen friedenssichernden Einsatz in der Ukraine für verfrüht. "Es ist ganz wichtig, dass wir uns klar machen, da sind wir leider noch lange nicht", sagte Scholz am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Kassel. Es gehe jetzt um die Frage, wie Frieden gewährleistet werden könne, ohne dass über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg entschieden werde.
"Für mich ist ganz klar, dass im Mittelpunkt stehen muss, eine sehr starke ukrainische Armee, auch in Friedenszeiten", sagte Scholz. "Das wird eine große Aufgabe sein für Europa, für die USA und internationale Bündnispartner." Klar sei, solange Krieg herrsche, werde es gar nicht um europäische Truppen in der Ukraine gehen. "Und die Fragen, die dann zu diskutieren sind über die Sicherheitsarchitektur, die werden beredet, wenn es so weit ist."
Vor dem Ukraine-Gipfel in Paris hat auch die Bundesregierung klargestellt, dass sie den Zeitpunkt noch nicht gekommen sieht, um sich mit der Frage einer Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine zu befassen. "Grundsätzlich halten wir das für den jetzigen Zeitpunkt für verfrüht", sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Zunächst gelte es abzuwarten, "ob sich und wie sich ein Frieden für die Ukraine ergibt".
Erst danach "wird man über die Bedingungen reden können und sich damit beschäftigen, wie das ausgestaltet werden kann", sagte Hoffmann auch mit Blick auf die Ankündigung des britischen Premierministers Keir Starmer. Er hatte gesagt, sein Land könne "bei Bedarf" Truppen zur Verfügung stellen, um sich an Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu beteiligen.
Auch Frankreich und Schweden schließen die Entsendung von Truppen in die Ukraine zur Absicherung einer künftigen Friedensregelung nicht aus. Polens Regierungschef Donald Tusk hat hingegen bekräftigt, sein Land wolle keine Soldaten für eine Friedensmission in der Ukraine entsenden. Aber Polen werde "die Länder, die eventuell in Zukunft solche Garantien geben wollen, logistisch und politisch unterstützen", sagte Tusk in Warschau vor seinem Abflug nach Paris, wo ein Sondergipfel mehrerer europäischer Staaten zur Ukraine stattfindet.
Nicht ohne Beteiligung der USA
In deutschen Regierungskreisen wurde zudem hervorgehoben, dass es kein europäisches militärisches Engagement ohne Beteiligung der USA geben werde. "Wir werden uns in diesem Zusammenhang nicht an Szenarien beteiligen, in denen europäische und amerikanische Sicherheit auseinanderfallen, wenn also beispielsweise europäische Soldaten ohne volle US-Involvierung eingesetzt werden", hieß es.
Betont wurde weiter, es sei "eine gemeinsame transatlantische Aufgabe", eine Lösung zu erreichen, die dafür sorge, "dass der Krieg nicht in wenigen Jahren erneut ausbricht". Wichtig sei auch, dass "die Europäer Teil des Prozesses sein müssten", hieß es aus Regierungskreisen weiter mit Blick auf den sich anbahnenden Verhandlungsprozess.
Hintergrund sind die laufenden Vorbereitungen von Friedensgesprächen zwischen den USA und Russland für die Ukraine. Dazu soll es am Dienstag auch im saudi-arabischen Riad Gespräche zwischen Russland und den USA geben. Laut ukrainischer Regierung wird am Mittwoch auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Riad reisen.
Europäische Vertreter nehmen nach bisherigem Stand nicht teil. Ohne Beteiligung der Europäer sei eine Friedenslösung aber "gar nicht möglich", betonte Hoffmann. Für die Europäer gehe es darüber hinaus nicht in erster Linie um das, "was Russland möchte, sondern um das, was die Ukraine möchte".
"Erst einmal nichts Schlechtes"
Ein Sprecher von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte, dass es direkte Kontakte zwischen den USA und Russland gebe, sei mit Blick auf einen möglichen Frieden in der Ukraine "erst einmal nichts Schlechtes". Er könne aber nicht erkennen, dass es da schon "irgendeine Art von Prozess" gebe. Es handele sich um "explorative Gespräche". Europa stimme sich seinerseits nun ab und werde dann mit einer Stimme sprechen.
Mit Blick auf eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr betonte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, es sei klar, "dass sich Deutschland dann nicht wegducken wird", wenn die Rahmenbedingungen dafür geschaffen seien. Fragen nach Bundeswehr-Fähigkeiten oder Kräftestärken seien derzeit aber "Schritt fünf und sechs". Nötig sei zunächst, "dass wir erst mal über Schritte eins, zwei, drei vielleicht nachdenken". Es sei "viel zu früh, über Einzelbeiträge zu diskutieren".
Staats- und Regierungschefs europäischer Staaten beraten am Nachmittag in Paris über die Lage. An dem Treffen nehmen laut Hoffmann neben Kanzler Olaf Scholz die Regierungschefinnen und -chefs aus Großbritannien, Dänemark, Polen, Italien, Spanien und den Niederlanden teil. Nach Paris kommen demnach zudem Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Antonio Costa. Hoffmann dämpfte Erwartungen, dass es konkrete Beschlüsse geben könnte.
Deutschland befindet sich wegen der am Sonntag anstehenden Bundestagswahl in einer schwierigen Lage, Entscheidungen zu treffen. Eine neue Regierung dürfte erst Wochen oder Monate später nach Koalitionsverhandlungen im Amt sein. Auf die Frage, ob es zur Ukraine auch Absprachen mit dem in den Umfragen führenden Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz gebe, sagte Hoffmann, dazu könne sie nichts Konkretes sagen.
Quelle: ntv.de, gut/AFP/dpa