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"Bock zum Gärtner gemacht" Chef der Klimakonferenz nutzte Treffen für Öl-Deals

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Al-Dschaber selbst sieht sich als Manager von Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung. Aber er ist auch Chef des staatlichen Ölkonzerns der VAE.

Al-Dschaber selbst sieht sich als Manager von Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung. Aber er ist auch Chef des staatlichen Ölkonzerns der VAE.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Ausgerechnet die Vereinigten Arabischen Emirate richten den diesjährigen Klimagipfel aus. Was seltsam klingt, ist bei genauerem Hinsehen noch dubioser. Der BBC zufolge hat der Gastgeber Vorbereitungstreffen für geschäftliche Interessen genutzt.

Bei Klimakonferenzen geht es nicht in erster Linie ums Klima. Zentrales Thema bei den jährlichen Treffen unter dem Dach der UN ist letztlich die Verteilung von Wohlstand - denn wenn CO2-Emissionen reduziert werden, gibt es Gewinner und Verlierer. Für Staaten wie Bangladesch oder Fidschi ist eine Begrenzung der Erderwärmung überlebenswichtig. Daneben gibt es eine ganze Reihe von Staaten, deren Regierungen eingesehen haben, dass etwas getan werden muss, die aber auch nicht bereit sind, der heimischen Wirtschaft zu schaden. Und dann gibt es die Gruppe der Blockierer.

Zu dieser Gruppe gehören Staaten, die in besonderer Weise auf das Verfeuern fossiler Energieträger angewiesen sind - Staaten, die Gas und Öl exportieren. Beim anstehenden Klimagipfel in Dubai gilt das sogar für den Gastgeber. Und nicht nur das: Der Industrie- und Technologieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Sultan Ahmed al-Dschaber, will seine Rolle als Vorsitzender der Konferenz offenbar nutzen, um Öl- und Gasabkommen abzuschließen.

Das berichtet die BBC, die eine ganze Reihe von Quellen für ihre Meldung anführen kann. Dabei reicht kurzes Googeln, um Dubai als Gastland kurios zu finden. Noch immer stammen rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der VAE aus der Öl- und Gasproduktion. Schätzungen zufolge verfügen die Emirate über die siebtgrößten nachgewiesenen Öl- und Erdgasreserven weltweit. Das Land will seine Abhängigkeit von diesen Exporten zwar reduzieren, strebt aber gleichzeitig eine Ausbeutung von sogenannten unkonventionellen Gasressourcen an, die schwieriger zu gewinnen sind.

Der Minister ist Chef des Ölkonzerns

Mit anderen Worten: An einem Ende des fossilen Zeitalters haben die Vereinigten Arabischen Emirate keinerlei Interesse. Das dürfte auch ganz persönlich für al-Dschaber gelten. Er ist nicht nur Minister, sondern auch Chef der staatlichen Ölgesellschaft der VAE, der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), dem weltweit zwölftgrößten Ölkonzern. Falls es da Interessenkonflikte geben sollte, so hat al-Dschaber sie für sich gelöst: Mit 15 Nationen will er über Verträge über fossile Brennstoffe sprechen.

Die BBC konnte Dokumente einsehen, die vom Team der VAE für die Vorbereitung der Klimakonferenz für al-Dschaber erstellt wurden. Im UN-Jargon heißt der Gipfel "COP28"; die Abkürzung steht für das 28. Treffen der "Conference of the Parties", der Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention.

LNG für Deutschland

Aus den Dokumenten ist laut BBC ersichtlich, dass das COP28-Team der VAE im Vorfeld des Gipfels Treffen mit mindestens 27 ausländischen Regierungen vorbereitet hatte. Treffen des gastgebenden Konferenzleiters mit wichtigen Teilnehmerstaaten sind vor Klimagipfeln üblich. Allerdings geht es dabei normalerweise nicht darum, bilaterale Geschäfte anzubahnen, sondern auszuloten, inwieweit Staaten bereit sind, sich auf ehrgeizige Bemühungen verpflichten zu lassen.

Für das Treffen mit China schlägt das Team vor, darauf hinzuweisen, dass ADNOC "bereit ist, gemeinsam internationale Möglichkeiten für LNG in Mosambik, Kanada und Australien zu bewerten". Einem kolumbianischen Minister soll mitgeteilt werden, dass ADNOC das südamerikanische Land bei der Entwicklung seiner fossilen Brennstoffressourcen unterstützen könnte. Laut BBC gibt es auch für Deutschland Gesprächsthemen, die darauf hindeuten, dass ADNOC mit der Bundesrepublik an der Entwicklung fossiler Projekte zusammenarbeiten möchte. Konkret sollte Deutschland mitgeteilt werden: "Wir sind bereit, unsere LNG-Lieferungen fortzusetzen." Gastgeber der Vorbereitungstreffen war der BBC zufolge al-Dschaber.

Die COP28 startet an diesem Donnerstag und soll am 12. Dezember enden. Neben dem britischen König Charles III. wird an diesem Freitag und Samstag auch Bundeskanzler Olaf Scholz in Dubai erwartet. Eigentlich soll es bei Klimakonferenzen darum gehen, wie die Welt die in Paris beschlossene Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad schaffen kann. Erforderlich dafür wäre eine deutliche Reduzierung des Ausstoßes von Klimagasen wie CO2 - dem Gas also, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht.

"Private Treffen sind privat"

Das Vorbereitungsteam der VAE bestritt laut BBC nicht, die Treffen für geschäftliche Besprechungen genutzt zu haben. "Private Treffen sind privat", habe das Team mitgeteilt.

Die BBC schreibt, es sei unklar, ob und wie häufig die vorgeschlagenen Diskussionspunkte bei den Vorbereitungstreffen tatsächlich zur Sprache kamen. "Wir wissen, dass bei mindestens einer Gelegenheit ein Land die kommerziellen Diskussionen weiterverfolgte, die bei einem vom COP28-Team der VAE organisierten Treffen angesprochen wurden", so der britische Sender. Allerdings hätten zwölf Staaten der BBC mitgeteilt, dass bei den Treffen entweder keine Diskussionen über kommerzielle Aktivitäten stattgefunden hätten oder dass es kein Treffen gegeben habe.

Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser hatte schon vor den jüngsten Veröffentlichungen kritisiert, mit al-Dschaber als Vorsitzender der COP sei der "Bock zum Gärtner" gemacht worden. Al-Dschaber selbst wies den Vorwurf zurück, er sei ein Trojanisches Pferd der Ölindustrie. "Die Leute, die mir einen Interessenkonflikt vorwerfen, kennen meinen Werdegang nicht", sagte er der Nachrichtenagentur AFP im Juli. Er habe sich einen Großteil seiner Karriere mit Nachhaltigkeit beschäftigt.

Tatsächlich hat al-Dschaber 2006 das Unternehmen Masdar gegründet, den Staatskonzern für erneuerbare Energien, er sitzt auch weiterhin im Masdar-Verwaltungsrat. Aber ob das den Minister entlastet? Der BBC zufolge hat al-Dschaber bei Vorbereitungstreffen auch die Geschäftsinteressen von Masdar vertreten. Bei einem Treffen mit britischen Vertretern sollte al-Dschaber vorschlagen, einen Windpark vor der Küste von Norfolk auszuweiten, an dem Masdar beteiligt ist. Dieses Treffen kam allerdings nicht zustande.

Quelle: ntv.de

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