Falls Freiwilligkeit scheitert Chef des Verteidigungsausschusses will 2027 über Wehrpflicht abstimmen

Nach langem Streit einigt sich Schwarz-Rot auf ein neues Wehrdienstmodell, das auf Freiwilligkeit beruht. Im Verteidigungsausschuss und bei den Grünen spekuliert man schon über den Fall, dass die Zahl neuer Rekruten nicht reicht.
Vor der für Freitag geplanten Verabschiedung des Wehrdienstmodernisierungsgesetzes pocht der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp, auf eine Entscheidung über die Wiedereinführung der Wehrpflicht bis 2027 - falls sich nicht genügend Freiwillige finden. "Das Gesetz ist ein politischer Kompromiss zweier sehr unterschiedlicher politischer Ansichten", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Ich hoffe sehr, dass der der Nato zugesagte ehrgeizige personelle Aufwuchs freiwillig gelingt. Ich habe aber wie viele Experten erhebliche Zweifel. Deshalb müssen wir spätestens im Sommer 2027 entscheiden, ob wir die im Gesetz vorgesehene Wehrpflicht aktivieren, um unsere Freiheit und unseren Frieden zu sichern." Der der Nato zugesagte Aufwuchs liegt bei 80.000 zusätzlichen Soldaten.
Im Gesetzentwurf steht, "dass der Deutsche Bundestag über die Einsetzung einer Bedarfswehrpflicht entscheidet, insbesondere wenn die verteidigungspolitische Lage oder die Personallage der Streitkräfte dies erforderlich macht. Damit wird sichergestellt, dass der Gesetzgeber auf die Entwicklungen bei diesen beiden Parametern reagieren kann, um den notwendigen Aufwuchs der Streitkräfte zu gewährleisten. Für den Fall, dass die Zahl der zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen den Bedarf überschreitet, kann auch ein Zufallsverfahren für die Auswahl vorgesehen werden, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind."
13 Grüne für verpflichtendes Gesellschaftsjahr
Vor der Bundestags-Abstimmung sprechen sich 13 teils prominente Mitglieder der Grünen-Bundestagsfraktion wie die gesamte Fraktion gegen das Gesetz, aber zugleich für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres aus und dokumentieren dies in persönlichen Erklärungen, die dem RND vorliegen. Zu den Unterzeichnenden zählen Sebastian Schäfer, Katrin Göring-Eckardt, Tarek Al-Wazir, Ophelia Nick und Sandra Stein.
Im Wehrdienstmodernisierungsgesetz werde "schon skizziert, dass der nächste Schritt, falls sich nicht genügend Freiwillige melden, die Wiedereinsetzung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht alten Typs wäre", heißt es da. "Wir sind uns bewusst, dass in der gegenwärtigen Bedrohungslage eine Pflicht zum Wehrdienst nicht ausgeschlossen werden kann, aber wenn eine Dienstpflicht nötig wäre, dann müsste sie nicht nur für Männer gelten und nicht wieder ein gesondertes Verfahren für die Verweigerung beinhalten. Stattdessen sollte es die freie Wahl geben, ob dieser Dienst bei der Bundeswehr, im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz oder im sozialen oder ökologischen Bereich geleistet wird: Ein Gesellschaftsjahr für alle."
Als Minimalziel wird bis 2029 ein Aufwuchs der Bundeswehr von heute 183.000 auf 198.000 aktive Soldaten genannt. Dies geht im Wesentlichen auf Forderungen der Union zurück. Allerdings wird betont: "Einen Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht wird es ausdrücklich nicht geben." An der Stelle hat sich die SPD durchgesetzt. Was das konkret bedeutet, wenn das Aufwuchs-Ziel verfehlt wird, ist ungewiss.