Politik

Recherchen zur "Einheitsfront" China unterwandert Deutschland - Spuren führen ins Kölner Rathaus

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Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (rechts) posiert in Peking für ein Foto mit Lu Wei, dem einstmals obersten Internetzensoren Chinas und hohen Funktionär der Propagandaabteilung der KPCh. Links daneben "Einheitsfront"-Kontaktfrau Zhou Meng.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (rechts) posiert in Peking für ein Foto mit Lu Wei, dem einstmals obersten Internetzensoren Chinas und hohen Funktionär der Propagandaabteilung der KPCh. Links daneben "Einheitsfront"-Kontaktfrau Zhou Meng.

Der Machthunger von Chinas Präsident Xi kennt wortwörtlich keine Grenzen: Mit klandestinen Operationen nimmt Peking Einfluss auf in Deutschland lebende Chinesen und deren Nachkommen. Auch die deutsche Politik hat China im Visier, wie der Fall einer hochrangigen Mitarbeiterin des Kölner Rathauses zeigt.

Im Frühjahr 2017 reichte in Köln eine illustre Runde chinastämmiger Kaufleute beim örtlichen Finanzamt einen Satzungstext ein, um einen Verein zu gründen. Auf den ersten Blick wirkt der Deutsche Zhejiang Unternehmen Verein e. V. (DZU e. V.) wie der harmlose Zusammenschluss von Einwanderern aus Fernost, die sich für florierende Geschäfte untereinander vernetzen wollen. Doch der Eindruck dürfte trügen. Der Verein hat zumindest auch eine politische Agenda.

Laut Homepage des Vereins will der DZU sich aktiv am Aufbau und der Entwicklung des angestammten Heimatlandes beteiligen und helfen, die große Sache der friedlichen Wiedervereinigung Chinas zu unterstützen, sich entschieden gegen die 'Unabhängigkeit Taiwans' stellen. Außerdem wollen die rheinischen Kaufleute "zur Anti-Unabhängigkeit in Übersee beitragen", also anscheinend die Bande zwischen chinesischer Diaspora und Volksrepublik China wieder fester zurren. Versucht der DZU e.V. also in Deutschland die Stimmung im Sinne des kommunistischen Regimes in Peking anzuheizen?

Einfallstor für Einflussnahme des Regimes

Dass lokale Unternehmer in Köln eine Ansage an Taiwan richten, dessen Unabhängigkeit in Frage stellen und gegen die demokratische Regierung agieren, muss als einigermaßen bizarr erscheinen. Allerdings dürfte nach ntv-Recherchen dahinter ein klarer Plan stehen. Der Verein unterhält enge Verbindungen zur sogenannten "Einheitsfront". Dabei handelt es sich um eine Strategie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), alle Vereinigungen und wichtigen Personen außerhalb der Partei in den eigenen Machtbereich zu integrieren und auf Linie zu bringen.

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Seit Xi Jinping 2012 in China an die Macht kam, weitet er die "Einheitsfront"-Arbeit immer mehr auch auf das Ausland aus, um die weltweit 60 Millionen "Auslandschinesen" quasi gleichzuschalten. Die "Einheitsfront" bezeichnet das kommunistische Regime schon lange als seine "Zauberwaffe". Vereine wie der Zusammenschluss der Kölner Kaufleute scheinen zentral für die Strategie, worauf schon die Gründungsversammlung einen Hinweis gibt.

So strömten im Juni 2017 auch hohe Repräsentanten aus China ins Hotel Hyatt Regency Köln, wo die konstituierende Sitzung stattfand. Vor beachtlichen 380 Gästen wurde Zheng Xuhan zum ersten Präsidenten des Vereins bestimmt, ein lokaler Unternehmer. Ebenfalls in den Vorstand gewählt wurde Zhang Xiangguo, auch ein Geschäftsmann, der in mehreren chinesischen Vereinigungen in Deutschland mitmischt und enge Kontakte zur "Einheitsfront" in China unterhält. Bereits mehrfach traf er sich in der Volksrepublik mit Vertretern der Abteilung der kommunistischen Partei.

Dafür, dass sich soeben ein örtlicher Verein in Köln erstmalig personell aufgestellt hatte, stand eine beeindruckende Phalanx von Gratulanten bereit - der Direktor des Wirtschafts- und Handelsbüros im chinesischen Generalkonsulat Düsseldorf, der Vize-Chef des Handelsministeriums in Zhejiang sowie Vertreter der Stadt Köln. Mehr als hundert Glückwunschschreiben aus dem In- und Ausland seien eingegangen, vermeldete der Verein anschließend stolz. Darunter auch eine Botschaft des Büros für Auswärtige Angelegenheiten und Überseechinesische Angelegenheiten der Volksregierung der Provinz Zhejiang, das zum Apparat der "Einheitsfront" gehört.

"Einheitsfront" bringt Taiwan-Frage nach Deutschland

Ein zentrales Anliegen der weltweiten "Einheitsfront"-Arbeit der KPCh ist es, politische Positionierungen zur Taiwan-Frage zu erzwingen. Entsprechend äußern sich viele mit dem Regime verbandelte Diaspora-Vereine, eben auch in Deutschland. So soll vermutlich der Eindruck erweckt werden, dass alle chinesischstämmigen Personen zu Taiwan mit einer Stimme sprechen - nämlich für eine Wiedervereinigung mit Festland-China.

Wenn diese Auseinandersetzung nun in die Reihen der zugewanderten Chinesen getragen wird, birgt das ein erhebliches Konfliktpotenzial für die deutsche Gesellschaft: Deutsche mit chinesischen Wurzeln geraten unter Druck, sich öffentlich im Sinne Pekings zu äußern und zu verhalten.

Ferner könnte die Kölner Vereinsspitze mit ihrem Mini-Manifest einen weiteren Keil zwischen die Auslandschinesen und ihre neue Heimat treiben. Wie sonst ließe sich der Appell zur "Anti-Unabhängigkeit" verstehen? Schließlich ist die Bundesregierung mit dem demokratisch regierten Taiwan wirtschaftlich eng verbandelt und pflegt auch gute politische Kontakte. Eine Win-win-Situation, wie es die Vereinsvertreter behaupten, ergibt sich für Deutschland nicht.

Warum offizielle Vertreter der Domstadt die Vereinsgründung dennoch durch ihre Anwesenheit aufwerten, ist fragwürdig. Und dazu äußert sich die Pressestelle im Rathaus auch nicht. Angeblich wollen die Stadtoberen von Kontakten des örtlichen Vereins zum chinesischen Regime nichts wissen. "Der DZU e.V. ist der Stadt Köln als Unternehmerverein bekannt", heißt es in einer schriftlichen Antwort. "Informationen, wie sie in der Frage beschrieben werden, liegen der Stadt Köln nicht vor."

Kontaktfrau der "Einheitsfront" in der Rathausspitze

Allerdings reichen die Bande zum Regime sogar bis in die Rathausspitze. Auf einer geleakten Liste mit Kontaktpersonen der "Einheitsfront" in Deutschland steht eine Frau, die seit Jahren eng mit der Kölner Stadtregierung zusammenarbeitet. Zhou Meng fungiert als Chefin der China-Beratung Join Universe am Rhein. Gleichzeitig wird sie als "China-Beraterin und Wirtschaftsbotschafterin" der Domstadt aufgeführt. Auf Fotos, die einige Jahre alt sind, posiert Zhou mit dem ehemaligen Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) und dessen Nachfolgerin Henriette Reker (parteilos).

Kölns früherer Oberbürgermeister Jürgen Roters und Zhou Meng

Kölns früherer Oberbürgermeister Jürgen Roters und Zhou Meng

Auf einem weiteren Bild ist Zhou mit dem damaligen Botschafter Shi Mingde zu sehen, der ein Foto mit einem chinesischen Zeitungsartikel über die Frau in die Kamera hält. Köln und Peking sind Partnerstädte. Als Oberbürgermeisterin Reker mit einer hochrangigen Stadtdelegation auf China-Reise ging, wurde sie von Zhou Meng begleitet. Zusammen mit der deutsch-chinesischen Unternehmens­beraterin besuchten die Vertreter aus der Domstadt ein Werk von Huawei.

Anschließend traf die Gruppe um Reker einen hohen Verantwortlichen aus dem Apparat der "Einheitsfront". Ji Lin, der Vorsitzende der Politischen Konsultativkonferenz der Stadt Peking, ernannte dabei die Kölner Geschäftsfrau Zhou zur "Übersee-Beraterin" der chinesischen Hauptstadt. Anschließend lotste Zhou das Kölner Stadtoberhaupt noch in eine Sendung von Bejing TV. 200 Millionen Zuschauer verfolgten den Auftritt der deutschen Politikerin im staatlich gelenkten Fernsehen.

Verbindungsfrau streitet Verbindung ab

Als RTL Zhou mit den Recherchen zu ihren Verbindungen zum Machtapparat der kommunistischen Partei konfrontiert, leugnet sie diese zuerst. "Ich bin kein Mitglied der 'Einheitsfront'", antwortet die Frau auf eine schriftliche Anfrage. Mit der "Einheitsfront" habe sie "keinen unmittelbaren Berührungspunkt". Doch dann schränkt sie die eigene Aussage ein: "Ich bin allerdings 2019 als Mitglied der 'China Overseas Friendship Association' gewählt worden." Die Organisation gehört zum Apparat der "Einheitsfront", untersteht dem 'Chinesischen Amt für Angelegenheiten der Überseechinesen' und stellt somit ein zentrales Werkzeug für die Einflussnahme im Ausland dar.

Auch dass sie 2016 zur "Übersee-Beraterin der Politischen Konsultativkonferenz der Stadt Peking" ernannt worden ist, bestätigt die China-Lobbyistin. Damit will sie nun eine "Brückenbauerin" sein, wie sie sagt. Dass Zhou für beide Seiten arbeitet, sei ein Vorteil. "Gerade in der Doppelfunktion als 'China-Beraterin und Wirtschaftsbotschafterin' von Köln und 'Übersee-Beraterin' der Politischen Konsultativkonferenz von Peking kann ich die Brückenfunktion zum kulturellen und wirtschaftlichen Austausch der beiden Städte bestens ausüben", schreibt Zhou.

Viele Probleme ließen sich heutzutage nur auf globaler Ebene lösen. "Ich sehe deshalb keinen Interessenkonflikt bei meiner Arbeit", so Zhou weiter zu ntv. Dass die Pekinger Gesprächspartner der Kölner Wirtschaftsdelegation vor einigen Jahren zur Einheitsfront gehörten, bestreitet die Rheinländerin mit chinesischen Wurzeln. "Die Politische Konsultativkonferenz ist eine Organisation von Vertretern demokratischer Parteien und parteilosen Persönlichkeiten", schreibt Zhou Meng. Das aber ist ja Ziel und Wesenskern der "Einheitsfront ": Akteure, die nicht Teil der KPCh sind, auf Linie zu bringen und in den kommunistischen Apparat zu integrieren. Dabei spielt die Konsultativkonferenz eine zentrale Rolle.

Rathaus weiß von nichts, Reker reist weiter

Von den Verbindungen von Zhou Meng zur "Einheitsfront" will man in der Stadtverwaltung nichts wissen. Auffällig ist allerdings, wie wenig sich die Rathausspitze offenbar dafür interessiert, mit wem sie sich da in China trifft. Die Kölner Delegation habe Ji Lin im Jahr 2016 "als Vorsitzenden der Politischen Konsultativkonferenz der Stadt Peking" getroffen, teilt die Pressestelle schriftlich mit. Dass die Politische Konsultativversammlung zum Apparat der "Einheitsfront" gehört, scheint im Rathaus nicht bekannt zu sein. Dabei gibt es seit Jahren einen regen Austausch zwischen der Domstadt und Peking.

Vor wenigen Wochen war Oberbürgermeisterin Henriette Reker wieder auf Besuch in der Volksrepublik, im vergangenen Jahr besuchte sie Peking und Schanghai. Schon vor Corona gab es ebenfalls mehrere Reisen nach Fernost. Entsprechend positiv sieht das Regime das Kölner Stadtoberhaupt. Über Rekers Wiederwahl 2020 mit "fast 60 Prozent der Stimmen" wurde sogar auf offiziellen Seiten in China berichtet. "2019, dem 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China, hat sie den Freundschaftspreis der Chinesischen Regierung erhalten", hieß es dort.

An den Kölner Verbindungen kann beobachtet werden, wie die "Einheitsfront" in Deutschland arbeitet. Auch in anderen Städten wie Düsseldorf, Frankfurt, Schwetzingen oder Hamburg reichen die Kontakte hoch hinauf in den lokalen Regierungen. Persönliche Kontakte in politische Kreise werden im Sinne der Volksrepublik geknüpft und gepflegt - Landsleute werden eng an das Mutterland und damit an die KPCh gebunden.

Über mehrere Monate hat ntv versucht, Kontakt zum Deutschen Zhejiang Unternehmen Verein aufzunehmen. Doch weder reagierte jemand auf Anrufe, noch wurde eine der Mails mit ausführlichen Fragen beantwortet. Vor allem hätten wir gerne den Vereinsvorsitzenden Zheng Xuhan gehört. Doch auch er nahm zu keiner Nachfrage Stellung. An den Aktivitäten und Verbindungen der chinesischen Kaufleute in Köln lässt sich erahnen, wie strategisch und wie politisch die Unterwanderung der deutschen Gesellschaft angelegt ist. Doch von der Gefahr weiß in Deutschland bislang kaum jemand.

Die ganze Recherche finden Sie im am Montag, den 14. Oktober, erschienenen Buch "ChinaLeaks: Pekings geheimes Netzwerk in Deutschland" von Markus Frenzel.

Quelle: ntv.de

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