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Finanzminister bei Miosga Christian Lindner: "Ich winke nicht alles durch"

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Miosga zählt auf, welche Ampelvorhaben die FDP unter Lindner blockiert oder kritisiert.

Miosga zählt auf, welche Ampelvorhaben die FDP unter Lindner blockiert oder kritisiert.

(Foto: ARD/ Thomas Ernst)

FDP-Chef Lindner will die Koalition nicht platzen lassen. Oder vielleicht doch? In der ARD-Talkshow Caren Miosga hält sich der Politiker am Sonntagabend alle Optionen offen.

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner gibt gerne Interviews. Das hat er besonders in den letzten Tagen gezeigt. Da hat er sich mit Kritik an den Beschlüssen der Ampelkoalition nicht zurückgehalten, obwohl er ihr selber angehört. Was ist sein Ziel? Bereitet er einen Koalitionsbruch vor? Der Eindruck könnte entstehen. Am Sonntagabend ist Lindner Gast in der Talkshow "Caren Miosga" im Ersten. Und natürlich fragt ihn die Moderatorin danach. Sein Ziel sei es, einen guten Haushalt vorzulegen und eine Wirtschaftswende zu erreichen, antwortet der Minister. Zur Koalition sagt er: "Ich bin mir sicher, dass sich die Frage so nicht stellt. Denn hier haben wir es nicht mit Hasardeuren zu tun." Doch dann fügt er hinzu: "Es gibt keinen Blankoscheck in der Politik. Dann wäre ich ja erpressbar." Kurz gefasst: Jein.

Caren Miosga hat die kleine Osterpause gut getan. Sie fragt kritischer als bisher, versucht, den Finanzminister aufs Glatteis zu führen. Doch in Lindner hat die Moderatorin einen Gesprächspartner auf Augenhöhe eingeladen. Er lässt sich nicht festnageln. Lieber schimpft er auf die Ampelpartner. Klar ist er vor allem, wenn es um die Schuldenbremse geht. Eine Reform, gar eine Aufweichung, ist mit ihm nicht zu machen. Aber er erneuert einen Vorschlag, den er schon häufiger gemacht hat, und der geht so: Deutschland sei durch die Corona-Krise hoch verschuldet. Jetzt müsse man noch drei Jahre lang Haushaltsdisziplin bewahren. "Nach drei Jahren Disziplin glaube ich, können wir es uns gut erlauben, auf die Tilgung der Pandemieverschuldung so schnell, wie das geplant ist, zu verzichten. Das bringt schon mal 10 Milliarden zusätzlich. Und wenn wir dann noch auf den Sport der Politik verzichten - jeden Tag eine neue Staatsausgabe, jeden Tag eine neue Subvention, und die Wirtschaft in Fahrt bringen, dann wird uns das gelingen." Was uns genau gelingen wird, lässt er offen. Vielleicht meint er den Wirtschaftsaufschwung.

Die Blockaden der anderen

Kurz nach dieser Äußerung ist die Sendung zu Ende. Sonst hätte Lindner sicherlich noch mehr gesagt. Das hat er vorher getan. Von seiner Liebe zur Jagd berichtet er, und wie er im Sommer darauf wartet, ein Stück Wild vor die Flinte zu bekommen, das sich meist jedoch nicht zeigt. Und wie er, wenn er doch etwas schießt, das Tier erst einmal ehrt, bevor er es ausweidet - und anschließend zu Gulasch verarbeitet, zu dem er seine Freunde einlädt. Überhaupt, die Freunde, und seine Frau, die er liebt. Unabhängigkeit sei für ihn besonders wichtig. "Und wenn man Freunde hat, die mit Ihnen befreundet sind, nicht weil sie ein Amt haben, und eine Familie, eine Frau, die sie in Ihrem Leben haben um ihrer selbst willen, eine Liebe, die nicht ein Interesse verfolgt - das macht unabhängig. Ich glaube persönlich: Menschliche Beziehungen und Liebe, das ist der größte Reichtum, den man im Leben haben kann."

Das private Glück zeigt sich in der Politik nicht. Denn leider hat sich schon kurz nach Bildung der Ampelkoalition herausgestellt: Eine Liebesheirat war das nicht. Gerade in den letzten Wochen drang bei Lindner immer wieder der Jäger durch. Er veranstaltete eine Treibjagd auf die Beschlüsse der Ampelkoalition - und zerlegte sie wie der Waidmann das Damwild. Caren Miosga zählt auf: Lindner und seine Parteikollegen haben ein Bürgergeld-Update gefordert, den Termin des Kohleausstiegs bezweifelt, das Rentenpaket als zu niedrig beklagt, die Kindergrundsicherung ein Bürokratiemonster genannt, rasche Steuerentlastungen versprochen und eine Wirtschaftswende verlangt.

Aber gerade die sei besonders wichtig, verteidigt sich Lindner. "Wir haben dramatisch an wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit verloren", sagt er. Innerhalb von zehn Jahren sei Deutschland im internationalen Standardvergleich von Platz 6 auf Platz 22 zurückgefallen. "Und mich lässt das nicht kalt", so der Finanzminister: "Denn ich weiß: Alle die sozialen Ziele, die wir verfolgen, und die ökologischen Vorhaben, die unsere Gesellschaft hat, die haben eine Voraussetzung: nämlich ein stabiles wirtschaftliches Fundament. Und darum sorge ich mich. Und ich mache Vorschläge, wie wir dieses stabile wirtschaftliche Fundament wiedergewinnen."

Aber die Anderen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat seinem CDU-Kollegen Friedrich Merz Gespräche zur Reform der Schuldenbremse angeboten. "Wenn Merz das angenommen hätte, das wäre der Koalitionsbruch gewesen", betont Lindner. Gegen den Wegfall der Agrardieselsubvention habe sich zuerst Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ausgesprochen. Und wer habe denn die Bezahlkarte für Geflüchtete blockiert? Wer blockiere die rückwirkende Senkung bei der Steuer? Oder das marktwirtschaftliche und weniger bürokratische Klimaschutzgesetz? "Ich bin total offen und bekenne: Ich winke nicht alles durch. Aber einseitig zu sagen, die FDP sei Opposition in der Regierung, das trifft den Sachverhalt nicht." Trotz allen Streites habe es die Ampelkoalition immer geschafft, auf einen Nenner zu kommen, auch wenn es mitunter Arbeit und Anlauf bedeutet habe, sagt Lindner.

Die Unbeliebtheit der FDP

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Viele Menschen haben von der ständig streitenden Ampelregierung die Nase voll. Aber irgendwie auch von der FDP. Dafür kann Lindner nun nicht die Schuld den anderen Koalitionsparteien geben. Er versucht es aber doch. Die FDP sei gewählt worden, weil sie sich für Freiheit einsetze. Und für den Respekt vor Leistung und Eigentum. Er mache das täglich, sagt Lindner. Nun hätten aber manche Wähler den Eindruck, die FDP könne ihre Überzeugung in der Koalition nicht vertreten. Lindner: "Das ist nicht richtig. Wir tun es. Aber die Realitäten zwingen eben zu Kompromissen."

Das ist der Tenor fast der gesamten Sendung. Am Ende kann man den Eindruck gewinnen, die FDP sei nicht wirklich Bestandteil der Koalition, sondern die bilden die anderen Ampelparteien. Sie sei so etwas wie der Pianist auf der Titanic, der noch spielte, als ihm das Wasser schon bis zum Hals stand. Trotzdem gelingt es Lindner irgendwie, Vertrauen in die Ampelkoalition zu schaffen, wenn er Sätze voller Selbsterkenntnis sagt wie diesen: "Wer interessiert sich für die FDP und die Karriere von Christian Lindner? Den Bürgern geht es doch um die Frage: Was wird aus diesem Land?" Die Antwort weiß ganz allein Lindner.

Quelle: ntv.de

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