"Hart aber fair" zu Deutschland Chrupalla sagt absolute AfD-Mehrheit im Osten voraus
26.09.2023, 03:09 Uhr Artikel anhören
Er sei stolz, Ostdeutscher zu sein: AfD-Vorsitzender Chrupalla bei "Hart aber fair".
(Foto: picture alliance / Panama Pictures)
Trotz dringend zu lösender Probleme entwickelt sich im Osten Deutschlands ein neues Selbstbewusstsein. Das ist der Eindruck der Gäste in der ARD-Sendung "Hart aber fair" nach 33 Jahren Wiedervereinigung. Der AfD-Vorsitzende Chrupalla nennt das Heimatliebe.
Jedes Jahr kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit diskutieren die Talkshows in ARD und ZDF über die Lage in Ostdeutschland. Das ist auch in diesem Jahr der Fall. Doch es scheint sich etwas zu verändern in den ostdeutschen Bundesländern. Zwar fühlen sich noch immer viele Ostdeutsche als Menschen zweiter Klasse, doch mitunter ist auch ein neues Selbstbewusstsein festzustellen. Der Begriff "ostdeutsch" ist nicht mehr nur negativ besetzt. Das Gefühl bekommt man, wenn man am Abend den überwiegend aus dem Osten Deutschlands stammenden Gästen in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" zuhört. Die Leiterin der Redaktion Ostdeutschland der "Zeit", Anne Hähnig, erklärt es so: "Damals nach der Wiedervereinigung gab es die Illusion, dass Ost und West ganz schnell zusammenwachsen, dass es ein paar Jahre braucht, bis der Osten das Wirtschaftswachstum nachholen kann, das der Westen erleben durfte. Heute stellen wir fest, dass das nicht der Fall ist, sondern dass ein paar Unterschiede noch immer existieren. Und ich glaube, mit der Enttäuschung darüber ist auch eine stärkere Identifikation mit dem Osten gekommen, die es so vor einigen Jahren noch nicht gab."
Tatsächlich sagen Politiker wie der CDU-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Mario Voigt, oder der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, sie fühlten sich als Ostdeutsche. Voigt sieht sich in erster Linie als Thüringer, Chrupalla sagt klar: "Ich bin stolz, Ostdeutscher zu sein." Aber er habe auch Deutschland immer geliebt. "Wir haben Patriotismus, aber auch Heimatliebe in der DDR nicht abgewöhnt bekommen", so Chrupalla.
"Viele fühlen sich gerade an die DDR erinnert"
Zwar hätten die Klischees über Ostdeutsche in den vergangenen Jahren nachgelassen, sagt Chrupalla, aber viele Ostdeutsche mit DDR-Erfahrung erlebten in letzter Zeit immer wieder Déjà-vus, besonders in der aktuellen Politik. "Viele Menschen fühlen sich an die DDR erinnert", sagt Chrupalla. Als Beispiel nennt er die Diskreditierung oder Ausgrenzung seiner eigenen Partei. "Mir wurde am Freitag mein Konto bei der Postbank gekündigt, weil ich AfD-Mitglied bin", behauptet er. Man dürfe in Deutschland in der Öffentlichkeit seine eigene Meinung nicht mehr frei sagen, so die Meinung des AfD-Vorsitzenden.
Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen sieht das anders. "Sie können Ihre Meinung sagen, überall, jeden Tag. Und es ist sogar so, dass wir uns das jeden Tag anhören müssen in diesem freien Land. Es ist total albern, zu sagen, man dürfte das nicht." Anders in einer Diktatur wie der ehemaligen DDR. "Man sagt einen falschen Satz, und schon ist man im Gefängnis oder irgendwo. Das ist der relevante Unterschied zwischen der Diktatur und der Demokratie."
Thüringen: Keine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD
In den vergangenen Wochen hatte es harsche Kritik an der CDU in Thüringen gegeben, nachdem sie gemeinsam mit FDP und AfD ein Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer durch den Landtag gebracht hatte. Während Chrupalla von Pragmatismus spricht, erklärt Voigt, es habe sich um ein CDU-Gesetz gehandelt, das von der rot-rot-grünen Minderheitsregierung zwei Jahre lang abgelehnt worden sei. "In Thüringen haben wir eine besondere Situation. Wir haben eine Minderheitskoalition, und das heißt auch, dass jeder verantwortungsvoll damit umgehen muss." Die CDU habe die Grunderwerbssteuer, die beim Kauf eines Grundstücks anfällt, auf das übliche bundesdeutsche Maß senken wollen, und das sei verantwortungsbewusst.
Das sieht Chrupalla ähnlich. Die AfD werde immer den Gesetzen anderer Parteien zustimmen, wenn es um die Interessen der Bürger gehe. In Thüringen sei die Grunderwerbssteuer doppelt so hoch wie in Bayern, so Chrupalla. "Wir haben für eine Senkung gestimmt, und das kommt allen Thüringern zugute." Selbstverständlich gebe es vor jeder Abstimmung Gespräche zwischen den Parteien, und deswegen habe es vorher Gespräche zwischen der CDU und der AfD gegeben. Das sei absoluter Unfug, wehrt sich Voigt: "Wir reden mit der AfD nicht." Eine Zusammenarbeit gebe es auch nicht, weder mit der AfD noch mit der Linken. Und außerdem habe auch die Minderheitsregierung von Linken, SPD und Grünen schon mit der AfD zusammengearbeitet, und darüber habe sich niemand aufgeregt.
Das stimmt. Ende April hatte die rot-rot-grüne thüringische Minderheitsregierung mit den Stimmen der AfD einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich mit angeblicher Vetternwirtschaft bei der Besetzung von Staatssekretären in der aktuellen und den vorherigen Landesregierungen beschäftigen soll. Immerhin kein Gesetz, dennoch eine wichtige Entscheidung.
Nächste Abstimmung zum "Korrekte-Sprache-Gesetz"
Für die CDU in Thüringen steht bald eine weitere Abstimmung an, bei der sie die AfD-Abgeordneten braucht. Mit einem "Korrekte-Sprache-Gesetz" will sie das Gendern an Schulen verbieten. Doch wenn es wirklich darauf ankäme, würde die Brandmauer der CDU zur AfD stehen, suggeriert Voigt. In seinem Bundesland wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt, und die AfD könnte dort nach letzten Umfragen stärkste Partei werden. "Ich würde mich von der AfD als möglicher Ministerpräsident nicht tolerieren lassen", verspricht Voigt.
Chrupalla kommt es darauf erst einmal nicht so an. Er hat ein anderes Ziel. "Sie werden Wahlergebnisse in Ostdeutschland erleben, wo sich für uns vielleicht die Frage gar nicht mehr stellt, ob wir überhaupt einen Koalitionspartner brauchen. Das ist unser Ansporn."
Quelle: ntv.de