Wer bekommt wie viel?Das bedeuten die Änderungen beim Bürgergeld
Regelmäßig kocht die Debatte um die Kosten des Bürgergelds hoch. Nun einigt sich die Koalition und verspricht ein "treffsicheres und gerechteres" System. Doch was bringen die Reformen? Und wen betreffen sie?
Aus nach nur drei Jahren: Das Bürgergeld dürfte bald Geschichte sein. In seiner letzten Sitzung in diesem Jahr hat das Bundeskabinett die Reform beschlossen, die das Bürgergeld durch eine neue Grundsicherung ersetzen soll. Bis zuletzt gab es noch Unstimmigkeiten zwischen Union und SPD.
Für beide Regierungspartner ist das Vorhaben sensibel: Die Union setzt damit ein zentrales Wahlversprechen um, die SPD stimmt der Rückabwicklung ihres eigenen Projekts aus der Vorgängerregierung zu - auch gegen Widerstände aus der eigenen Parteijugend, die sogar ein Mitgliederbegehren gegen die Reform angestrengt hat.
Was soll geändert werden?
Das neue Grundsicherungs-System soll "treffsicherer und gerechter" werden als das bisherige Bürgergeld. Mitwirkungspflichten sollen stärker eingefordert werden: Wer zwei Termine beim Arbeitsamt ohne wichtigen Grund schwänzt, bekommt künftig 30 Prozent weniger Geld. Beim dritten versäumten Termin werden die Zahlungen vorerst gestrichen, die Miete wird direkt an den Vermieter überwiesen.
Bis zuletzt stritt die Koalition noch über eine Detailregelung: Sollen Betroffene vor der Komplettstreichung noch eine persönliche Anhörung beim Amt bekommen? SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas war dafür; die Union war dagegen, weil sie dies als Aufweichung der Verschärfungen sah. Der Kompromiss sieht nun so aus, dass Betroffene nur dann persönlich angehört werden, wenn dem Amt Anhaltspunkte für eine Erkrankung vorliegen.
Wie soll verhindert werden, dass es die Falschen trifft?
Alle, die mit den Jobcentern zusammenarbeiten oder Termine aus wichtigen Gründen nicht wahrnehmen können, müssen nicht mit Kürzungen rechnen, betonte Bas immer wieder. Bei Kindern und Jugendlichen wird nicht gekürzt. Mit dem Recht auf eine Anhörung vor der Komplettstreichung will Bas aber sicherstellen, dass nicht solche Menschen bestraft werden, die etwa wegen einer Erkrankung oder aus Angst vor Behörden Termine versäumen.
Unstrittig ist die in der Koalition vereinbarte Härtefallprüfung. Dafür ist auch geplant, dass Jobcenter-Mitarbeitende die Betroffenen zu Hause besuchen. Bei einem Gespräch sollen dann besondere Umstände wie psychische Erkrankungen vorgetragen werden können. Die Union argumentiert, diese Härtefallregelung reiche aus - es müsse nicht in jedem Fall eine persönliche Anhörung geben.
Bekommen Bedürftige also künftig weniger Geld?
Nicht direkt. Das Arbeitsministerium betont, dass die allermeisten Bürgergeldempfänger kooperativ sind und Termine wahrnehmen - erst recht unter den neuen verschärften Bedingungen. Als sogenannte Totalverweigerer galt zuletzt weniger als ein Prozent der Bürgergeldempfänger. Die Verschärfungen zielen vor allem auf diese Gruppe ab.
Wer bekommt überhaupt Bürgergeld?
Alle Erwerbsfähigen, die ihren Lebensunterhalt nicht komplett aus eigenem Einkommen decken können. Das sind derzeit etwa 5,5 Millionen Menschen, davon sind rund 800.000 sogenannte Aufstocker, deren Gehalt unter dem Bürgergeld-Niveau liegt. Wer den Job verliert, erhält ein Jahr lang Arbeitslosengeld und danach Bürgergeld. Unter den 5,5 Millionen Menschen sind etwa 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Der Ausländeranteil im Bürgergeld liegt bei knapp 48 Prozent.
Wie viel Geld bekommen Bürgergeldempfänger?
Alleinstehende oder Alleinerziehende bekommen 563 Euro, Menschen in einer Partnerschaft 506 Euro und Minderjährige zwischen 357 und 451 Euro plus 20 Euro Sofortzuschlag. Miete inklusive Nebenkosten und - in angemessener Höhe - Heizkosten werden übernommen. Die Sätze sind seit Januar 2024 stabil, nachdem sie zuvor innerhalb eines Jahres um rund zwölf Prozent gestiegen waren.
Was kostet das Bürgergeld den Steuerzahler?
In den vergangenen Jahren immer mehr. Die Ausgaben lagen 2024 bei einem Rekordwert von 51,7 Milliarden Euro. Darunter entfielen auf die Zahlung der Regelsätze 29,2 Milliarden Euro, auf Miet- und Heizkosten 12,4 Milliarden Euro und auf Leistungen zur Arbeitsintegration 3,7 Milliarden Euro. 6,5 Milliarden Euro waren Verwaltungskosten. Für 2025 wird mit ähnlichen Höhen gerechnet.
Und wie viel soll die Reform nun einsparen?
Das ist umstritten. Unionspolitiker, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU, verwiesen stets auf Einsparpotenziale im Milliardenbereich. Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Arbeitsministerin Bas erwartet hingegen "keine nennenswerten Einsparungen" allein durch die Reform.
Die Koalition hofft allerdings, durch Sanktionsverschärfungen mehr Menschen in Arbeit zu bringen. 100.000 Menschen, die kein Bürgergeld mehr bekommen, sollen rund 850 Millionen Euro einsparen, rechnet das Arbeitsministerium vor.
Bekommen Menschen auch Bürgergeld, wenn sie noch Erspartes haben?
Ja, aber eingeschränkt. Seit der Bürgergeldreform von 2003 dürfen im ersten Jahr im Bezug sogenannte Schonvermögen bis 40.000 Euro und weitere 15.000 Euro für Lebenspartner behalten werden. Nach Ablauf dieser sogenannten Karenzzeit wird zum Beispiel die Verhältnismäßigkeit von Mietkosten geprüft, die das Jobcenter übernimmt. Gegebenenfalls müssen Bürgergeldempfänger umziehen oder Mieten teilweise selbst zahlen. Autos, selbstbewohnte Immobilien und die Altersvorsorge werden nicht angerechnet.
Die neue Bürgergeldreform sieht nun die komplette Abschaffung der Karenzzeit vor. Vermögen würden also vom ersten Tag an angerechnet. Das betrifft nur das Bürgergeld und nicht das Arbeitslosengeld. Wer den Job verliert, muss also nicht sofort ans Ersparte.
