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"Werden diesen Kampf gewinnen" Demos gegen Rechtsextremismus - Mehr als 100.000 auf der Straße

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In Frankfurt sprach die Polizei von 35.000 Teilnehmern.

In Frankfurt sprach die Polizei von 35.000 Teilnehmern.

(Foto: REUTERS)

Die Proteste gegen Rechtsextremismus und für Demokratie gehen weiter. Erneut sind Menschen in zahlreichen Städten aufgerufen, auf die Straße zu gehen. In zahlreichen Städten gingen mehrere zehntausend Menschen auf die Straße. Für Verfassungsschutzchef Haldenwang haben inzwischen alle Parteien den Ernst der Lage erkannt.

Deutschlandweit sind die Menschen an diesem Wochenende erneut aufgerufen, gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit und für Demokratie zu demonstrieren. Bis zum Nachmittag waren bei etlichen Protestaktionen deutlich mehr als 100.000 Menschen auf der Straße. Die größten Demonstrationen gab es in Frankfurt und Hannover, wo sich jeweils mehr als 30.000 Teilnehmer versammelte. Dort sowie in Frankfurt war der Versammlungsraum zeitweise überlaufen, sodass zahlreiche Menschen nicht mehr teilnehmen konnten. Bei ähnlichen Protesten waren bereits in den vergangenen Tagen bereits Zehntausende im Land auf den Straßen. Zu den Demonstrationen rufen zumeist Gewerkschaften, Parteien und Jugendverbände sowie lokale Bündnisse auf.

In Frankfurt haben sich nach Polizeiangaben rund 35.000 Menschen bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und die AfD versammelt. Die Veranstaltung habe sehr schnell großen Zulauf bekommen, sagte ein Polizeisprecher. Der Römer als Versammlungsort biete nicht genügend Platz, mittlerweile erstrecke sich die Demonstration vom Mainkai bis zum Liebfrauenberg. Die Stimmung unter den Demonstrierenden sei friedlich.

In Hannover sprachen die Veranstalter von 35.000 Teilnehmenden. Diese Zahl sei mit der Polizei abgestimmt, hieß es. Bei der Kundgebung auf dem Opernplatz traten unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und der frühere Bundespräsident Christian Wulff auf. Mit Blick auf die Wannseekonferenz in Berlin vor 82 Jahren sagte Wulff, man dürfe "nie wieder zulassen, dass in Deutschland über die Selektion von Menschen nach Herkunft, nach Aussehen, nach Religion, nach Handicap oder irgendeines Kriteriums beraten wird". Weil rief die Menschen auf, im eigenen Umfeld klare Kante gegen rechts zu zeigen und für Menschenrechte und Demokratie einzutreten.

20.000 Menschen beteiligten sich nach Veranstalterangaben in Braunschweig an einer Demonstration "Alle zusammen gegen Faschismus". Mit bis zu 25.000 wurde die Zahl der Teilnehmenden auf dem Marktplatz in Karlsruhe angegeben. Vorgesehen war dort vor dem Hintergrund der Diskussionen über ein AfD-Verbot ein Zug zum Bundesverfassungsgericht.

In Kassel folgten nach Polizeiangaben rund 12.000 Teilnehmer dem Aufruf. Die Versammlung verlaufe friedlich, sagte der Sprecher. "Wir werden für die Demokratie und unsere Werte kämpfen, und wir werden diesen Kampf gewinnen", sagte Oberbürgermeister Sven Schöller. Ein Demozug durch die Innenstadt hatte sich anschließend wieder am Marktplatz versammelt. Als der erste Teil des Zuges nach rund 1,5 Kilometern wieder ankam, stand der Schluss den Angaben zufolge immer noch am Platz. Der Veranstalter sprach von 15.000 Teilnehmern

Rund 2800 Teilnehmer - und damit deutlich mehr als ursprünglich erwartet - versammelten sich zudem bereits am Vormittag in Limburg. In Freiburg und Koblenz waren es laut Polizei jeweils rund 5000 Teilnehmer.

In Halle in Sachsen-Anhalt haben rund 16.000 Menschen nach Angaben der Polizei demonstriert. Auch hier blieben die Proteste friedlich. Die Veranstaltung in der Innenstadt stand unter dem Motto "Dem Rechtsruck widersetzen - Solidarisch. Vielfältig. Demokratisch." Aufgerufen hatte das Bündnis "Halle gegen Rechts", das sich nach eigenen Angaben aus 30 Organisationen und mehr als 100 Einzelpersonen zusammensetzt. Mehr als 70 Organisationen hätten den Aufruf des Bündnisses zu der Demo geteilt, darunter Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchen.

In Erfurt folgten 9000 Menschen den Aufrufen.

In Erfurt folgten 9000 Menschen den Aufrufen.

(Foto: dpa)

In Erfurt, wo ebenfalls gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert wurde, war der Domplatz am Nachmittag überfüllt. "Klare Kante gegen Nazis" und "Wir haben keinen Bock auf Höcke", den AfD-Landeschef, hieß es auf Plakaten. Die Zahl der Teilnehmenden wurde mit 9000 angegeben.

Selbst auf Sylt haben nach Angaben der Polizei rund 600 Menschen gegen rechts demonstriert. Der Veranstalter, die Initiative Sylt gegen Rechts, sprach von 1000 Teilnehmern. Auf einer Kundgebung vor dem Rathaus in Westerland sprachen der stellvertretende Bürgervorsteher Peter Marnitz, die Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Sylt, Andrea Dunker, Lokalpolitiker sowie Sylter und Hamburger Journalisten. Bei teilweise sonnigem und windigem Wetter mit Temperaturen um fünf Grad zogen die Demonstranten nach der Kundgebung durch die Straßen von Westerland.

In Dortmund gab die Polizei die Teilnehmerzahl mit 30.000 an. In Wuppertal schätzte die Polizei etwa 7000 Protestierer. In Stuttgart versammelten sich die Menschen unter dem Motto "Alle zusammen gegen die AfD2. Ein Sprecher des Veranstalters schätzte die Teilnehmerzahl auf 20.000 Menschen - ein Polizeisprecher hielt das für möglich. Tausende Menschen gingen auch in Bayern auf die Straße, darunter laut Polizei mindestens 15.000 in Nürnberg.

Eine Demonstration in Hamburg musste am Freitagabend wegen des großen Menschenandrangs abgebrochen werden. Einer der Organisatoren verwies auf Sicherheitsbedenken. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 80.000.

Verfassungsschutz begrüßt Demonstrationen

Ausgelöst wurden die bundesweiten Proteste durch Berichte des Medienhauses Correctiv über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.

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Unterdessen hat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz die zahlreichen Demonstrationen begrüßt. "Es wäre wünschenswert, wenn die schweigende Mehrheit unserer Bevölkerung klar gegen Extremismus und Antisemitismus Position beziehen würde", sagte Behördenchef Thomas Haldenwang der "Westdeutschen Zeitung". Weiter sagte er: "Und erfreulicherweise demonstrieren aktuell viele Menschen dagegen."

Die Demokratie in Deutschland sei durch verschiedene Entwicklungen in Gefahr. Alle demokratischen Parteien der Mitte hätten den Ernst der Lage mittlerweile erkannt, sagte der Verfassungsschützer. "Das sieht man auch daran, dass das Thema Umgang mit der AfD deutlich intensiver diskutiert wird, als das noch vor einigen Monaten der Fall war." Inzwischen werde sogar ein AfD-Parteiverbot diskutiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft, was auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa Observation erlaubt. Die Partei versucht, sich dagegen mit juristischen Mitteln zur Wehr zu setzen.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP

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