Verteidigungsetat steigt "Die Bundeswehr ist zu teuer"
18.03.2015, 13:49 Uhr
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen darf mehr Geld ausgeben. Aber wofür eigentlich?
(Foto: picture alliance / dpa)
Ursula von der Leyen kann sich über zusätzliche Milliarden freuen. Der Verteidigungsexperte der Grünen, Tobias Lindner, glaubt nicht, dass sich die Probleme der Bundeswehr damit lösen lassen.
n-tv.de: Der Etat des Verteidigungsministeriums soll steigen. Was sagen die Grünen dazu?
Tobias Lindner: In den vergangenen zwei Jahren wurden zwei Milliarden Euro aus diesem Etat anders als vorgesehen oder gar nicht ausgegeben. Jetzt wird eine ungeheure Menge Geld zusätzlich in diesen Etat geschüttet. 1,2 Milliarden Euro kommen allein 2016 dazu, bis 2019 gibt es ganze 8 Milliarden zusätzlich. Und das, obwohl Ministerin Ursula von der Leyen die Managementprobleme im Haus nicht angeht und keine Prioritäten setzt. Bislang ist gar nicht geklärt, wofür das Geld eingesetzt werden soll. So wird Frau von der Leyen die Probleme der Bundeswehr nicht lösen können.
Was ist das Problem? Wenn das Geld nicht ausgegeben wird, kommt es halt zurück und kann für andere Zwecke verwendet werden.
Ganz so einfach ist es leider nicht. Es wird vor allem sehr deutlich, dass es im Verteidigungsministerium an vielem mangelt, aber mit Sicherheit nicht am Geld.
Die Grünen waren in der Vergangenheit immer strikt gegen höhere Verteidigungsausgaben. Ihr Argument ist sehr formal. Hat sich etwas geändert?
Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass eine Bundeswehr, die weniger Geld kostet, möglich ist. Das setzt aber voraus, dass Frau von der Leyen eine grundsätzliche Aufgabenkritik bei der Bundeswehr betreibt. Bislang gilt das Dogma ihres Vorgängers Thomas de Maizière: "Breite vor Tiefe". Das bedeutet, dass die Bundeswehr alles kann, aber nichts richtig. Das ist extrem teuer und für die Soldaten belastend. Anstatt alles zu können, sollte man EU-weit kooperieren und sich auf wichtige Dinge konzentrieren. Wenn man das tut, benötigt man nicht mehr Geld im Verteidigungshaushalt.
Was wären die Fähigkeiten, die auf jeden Fall erhalten bleiben müssen?
Die Stärken der Bundeswehr liegen im Lufttransport, im Sanitätswesen und in der Führungsinfrastruktur. Wir müssen Gewehre und Panzer deswegen nicht aufgeben. Aber brauchen wir wirklich zwei verschiedene Kampfflugzeuge? Brauchen wir das Programm der nuklearen Teilhabe noch? Ich könnte viele Dinge aufzählen, von denen der normale Bürger gar nicht weiß, dass sie existieren und die auch niemand vermissen würde. Mehr Geld in die Modernisierung von Kasernen zu stecken ist sinnvoll. Aber dazu braucht es keinen höheren Etat.
Auf welche geplanten Anschaffungen würden Sie verzichten?
Wir diskutieren gerade über eine neue 3D-Landkarte für die Bundeswehr. Die kostet zwischen 450 und 500 Millionen Euro. Mit diesem Geld könnten wir eine Menge Kasernen instand setzen. Wir sprechen über ein neues Luftabwehrsystem, von dem nicht klar ist, ob es überhaupt zu unserer Bedrohungsanalyse passt. Die Kosten liegen alleine hier im Milliardenbereich.
Frau von der Leyen hat einige Reformen angeschoben. Warum fällt Ihre Einschätzung so kritisch aus?
Ich will ihre Arbeit nicht grundsätzlich verdammen. Aber wir müssen uns erst einmal fragen, welche Aufgaben die Bundeswehr innerhalb der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wahrnehmen soll. Wozu wollen wir die Bundeswehr einsetzen und wozu nicht? Wie wirkt die Bundeswehr international in den Vereinten Nationen? Erst wenn wir das beantwortet haben, wissen wir, welche Fähigkeiten notwendig sind. Frau von der Leyen hat diese überfällige Debatte jetzt mit dem neuen Weißbuchprozess, der 2016 abgeschlossen sein soll, angestoßen. Erst danach können wir überlegen, was daraus für die Struktur der Bundeswehr und für ihren Finanzbedarf folgt. Die Ministerin schafft jetzt schon Fakten und führt damit den Prozess zur Erstellung des Weißbuchs ad absurdum. Das geht nicht.
Mit Tobias Lindner sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de