Politik

Scholz‘ Sommer-Pressekonferenz "Die Frage könnte ich beantworten, mache ich aber nicht"

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Auf seiner Sommer-Pressekonferenz zeigt sich Kanzler Scholz in aufgeräumter Stimmung. Von A wie AfD bis Z wie Zeitenwende beantwortet er fast zwei Stunden die Fragen der Hauptstadtpresse. Was zu mehr als einem Lacher führt.

"Wo ist Scholz?", fragt die Opposition gerne mal, wenn sie ihm vorwirft, nicht genügend Führung zu zeigen, also beispielsweise Habeck und die anderen an einen Tisch zu bringen und die Sache mit den Heizungen ein für alle Mal zu klären. Die Frage nach seinem Aufenthaltsort ließ sich an diesem Vormittag einfach beantworten. Der Regierungschef saß in der Bundespressekonferenz, deren Gebäude dem Kanzleramt in Sichtweite gegenüberliegt, aber das Terrain der Hauptstadtjournalisten ist, die Scholz zur jährlichen Sommer-Pressekonferenz eingeladen hatten. Motto der Veranstaltung war also eher: "Wofür steht Scholz?"

Themenmäßig geht es querfeldein, von der AfD zur Zeitenwende, rüber zu besagtem Gebäudeenergiegesetz, mit Abstechern zum Ehegattensplitting, Stromtrassen und Freibädern. Letzteres Thema brachte eine der wenigen neuen Erkenntnisse, nämlich, dass der Bundeskanzler zuletzt vor 40 Jahren im Freibad schwimmen war, daheim in Hamburg-Rahlstedt und dass er es in Ordnung findet, wenn Polizisten dort für Sicherheit sorgen. Es sind vor allem solche Momente, die hängen bleiben.

Ansonsten ist vieles wie gehabt: Wir sind zweitgrößter Waffen-Geber für die Ukraine und das soll auch so bleiben, das neue Gebäudeenergiegesetz wird super, auch wenn etwas weniger Streit schön gewesen wäre. Bis 2045 klimaneutral zu werden, wird schwer, ist aber machbar. Außerdem sei es gut, dass jetzt wieder die Schuldenbremse eingehalten wird. Immerhin: Diesmal bemüht Scholz nicht seine Lieblingsformulierung, dass wir uns alle gemeinsam unterhaken müssen.

Volksabstimmungen müsste man gewinnen

Ein paar Einblicke in sein Denken gibt der Kanzler aber dann doch noch. Wie er die Klimaziele im Gebäudesektor bis 2030 erreichen will, wird er gefragt. Jetzt, da das Heizungsgesetz so "verwässert" worden sei. Scholz bedankt sich für die Frage, weil sie ihm die Gelegenheit gebe "zu widersprechen". "Meine Überzeugung ist, wer zum Beispiel Klimapolitik machen will, muss sich zutrauen, dass jede einzelne gesetzliche Regelung in einer Volksabstimmung eine Mehrheit fände. Das muss der Ehrgeiz sein."

Die Meinungsbildung müsse im ganzen Volk stattfinden und dürfe nicht auf eine "bestimmte Instanz" delegiert werden, die das dann "rücksichtslos" durchziehe. "Das ist ein Fehler. Das ist etwas, das ich für falsche Politik halte. Deswegen werbe ich dafür, dass man auch mal Fünfe gerade sein lässt, aber ambitioniert die Klimaziele verfolgt." Ob er hier an Staatssekretär Patrick Graichen denkt, auf den der ursprüngliche Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz zurückging, lässt er offen.

Selbstbewusst zeigt Scholz sich, als er nach den starken Umfragewerten der AfD gefragt wird. "Ich bin ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht viel anders abschneiden wird als bei der letzten." Verunsicherten Menschen müsse klargemacht werden, dass jeder einzelne eine sichere wirtschaftliche Zukunft habe. Und: "Wir brauchen Gelassenheit im Hinblick auf das Miteinander." Das könne ganz gut funktionieren, wenn man dem anderen nicht mitteile, dass das genau "nach der eigenen Fasson" gehen müsse. Als er gefragt wird, ob er die Grünen damit meinte, sagte er lächelnd, das gelte für alle Parteien, in und außerhalb der Regierung.

Was war das für ein Pfeifen?

Wie üblich frönt Scholz über weite Strecken einer seiner Lieblingsbeschäftigungen: Fragen slalomartig aus dem Weg zu tänzeln. Bei aktuellen Themen reagiert er ausweichend, etwa zum Ehegattensplitting. Auf die Frage, ob er eine Abschaffung befürworte, antwortet er wolkig, es sei ja ein "Missverständnis, zu interpretieren, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger sich selbst betroffen fühlen müssen". Es gehe nur um jene, die viele Hunderttausend Euro verdienten. "Darauf hinweisend habe ich gesagt, wir müssen die Besteuerung von Frauen und Männern gerechter machen."

Ob mit der neuen China-Strategie ein Einstieg der Chinesen in ein Hamburger Hafenterminal noch möglich gewesen wäre, möchte ein anderer Journalist wissen. Genau das hatte Scholz gegen Widerstand im Kabinett, insbesondere seitens des Wirtschaftsministers, durchgesetzt. Auch hier keine klare Antwort, nur der Verweis darauf, dass deutsche Unternehmen ohnehin schon im Einklang mit der China-Strategie handelten und es wichtig sei, neue Lieferketten aufzubauen.

Als er sich gerade daran macht, der Frage auszuweichen, ob er noch einmal per Gesetz den Mindestlohn erhöhen würde, lenkt ein seltsames Geräusch vom Thema ab. "Geht das nur mir so, oder hören Sie auch so ein Pfeifen?", fragt die Gastgeberin von der Bundespressekonferenz plötzlich in die Runde. Tatsächlich ist da etwas zu hören, etwas, das so klingt, als ob jemand eine Melodie pfeift. Hektisches Überprüfen eigener Handys und Laptops, ratlose Blicke in die Runde. Lacher, als der Kanzler grinsend sagt: "Das ist jetzt kein Cyberangriff." Dann ist der Schuldige gefunden, ein Fotograf in der ersten Reihe, der ratlos nach draußen läuft - unter dem Pfeifen seines Klingeltons, den Scholz als "Jingle Bells" erkannt zu haben meint.

Was denkst du zu Schweden?

"Die Frage war nach dem Mindestlohn", versucht es der Fragesteller noch einmal, als das Pfeifen verklungen ist. Scholz' Antwort geht in allgemeiner Erheiterung fast unter. Aufgeräumt ist auch die Stimmung als ein schwedischer Journalist den Kanzler duzt und fragt, wann Schweden denn nun in die NATO aufgenommen wird. "Was denkst du?", fragte er. Lachen und Spontan-Applaus erntet Scholz für einen Versprecher: "Ich unterstütze den NATO-Beitritt der Ukraine", um sich kurz danach zu korrigieren. Den Beitritt Schwedens!

Er habe ja kürzlich gesagt, er sei kein John Wayne und mache keine Alleingänge, fragt ihn jemand gegen Ende. Welche Filmfigur denn zu ihm passen würde. "Hehe!", entfährt es Scholz und fährt erfrischend originell fort: "Die Frage könnte ich beantworten, mache ich aber nicht." In dem Moment scheint er ganz bei sich zu sein.

Quelle: ntv.de

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