Politik

Kanzler wirbt für Kompromisse Scholz will "Fünfe grade sein lassen"

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In seiner jährlichen Sommer-Pressekonferenz kritisiert Bundeskanzler Scholz die häufigen Querelen in der Ampel. Im Ergebnis hält er das Heizungsgesetz allerdings für gut. Und dann erzählt Scholz noch, wann er das letzte Mal im Freibad war.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat öffentlich ausgetragene Streitigkeiten in der Ampelkoalition kritisiert. "Es ist ja kein Geheimnis: dass da so laut diskutiert worden ist, gefällt weder mir noch irgendwem sonst", sagte Scholz in seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin.

Vor allem zum Heizungsgesetz hatte es monatelang heftige Kontroversen innerhalb der Koalition gegeben. Scholz begründete die Konflikte damit, dass bestimmte Dinge dabei zum ersten Mal diskutiert worden seien. Nicht nur die Regierung, sondern auch die Gesellschaft brauche ein Verständnis dafür, dass Kompromisse gut und vernünftig seien. "Kompromisse finden und Fünfe grade sein lassen, das bringt Deutschland nach vorne", dafür werbe er. Im Ergebnis sei nun beim Heizungsgesetz eine gute Lösung gefunden worden.

"Beim Haushalt auf der richtigen Umlaufbahn"

Mit der Kindergrundsicherung wolle die Bundesregierung dafür sorgen, dass es keine Kinderarmut in Deutschland mehr gebe. Scholz bekannte sich zugleich zur Schuldenbremse. Dass der Etatentwurf nach den hohen Ausgaben wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs wieder eine Beschränkung der Neuverschuldung vorsieht, sei "ein richtiger Schritt", sagte er. "Wir sind bei dem Haushalt wieder auf der richtigen Umlaufbahn, und das finde ich ein gutes Zeichen."

Grundsätzlich sieht Scholz die Bundesregierung auf Kurs bei der Modernisierung Deutschlands. Er verwies auf das Ziel der Bundesregierung, dass 80 Prozent des Stroms im Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien kommen soll - derzeit liegt der Anteil nach Branchenangaben bei mehr als der Hälfte. Dazu werde das Stromnetz ausgebaut und das Ladenetz für E-Autos, so Scholz. Er nannte auch den geplanten Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke und den Aufbau eines Wasserstoffnetzes. Der Kanzler sagte weiter, Investitionen für die Zukunft fänden in Deutschland statt.

NATO-Ziel soll nächstes Jahr erreicht werden

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sicherte Scholz erneut zu, dass die Bundesregierung langfristig zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben will. "Wir haben uns entschieden, dass wir diese zwei Prozent für die Verteidigung für die Bundeswehr aufwenden wollen. Nächstes Jahr werden wir das aus Haushaltsmitteln und dem Sondervermögen das erste Mal erreichen", sagte Scholz. "Und ich wiederhole hier, was ich bei vielen Gelegenheiten gesagt habe: Das wird auch so bleiben, auch wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist."

Der NATO-Gipfel hatte in dieser Woche in der litauischen Hauptstadt Vilnius beschlossen: "Im Einklang mit unseren Verpflichtungen nach Artikel 3 des Vertrags von Washington verpflichten wir uns dauerhaft, jährlich mindestens 2 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung zu investieren." Mit dieser Kompromissformulierung haben die NATO-Staaten beim Gipfel ihren Streit um die Höhe der nationalen Verteidigungsausgaben vorerst beigelegt.

"Unverändert wird unser ganzes Leben beeinflusst vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine", sagte Scholz. Der russische Präsident versuche "mit größter Brutalität", sich einen Teil der Ukraine oder das ganze Land anzueignen. Deutschland unterstütze die Ukraine, damit sie sich verteidigen könne.

Vor vierzig Jahren zum letzten Mal schwimmen im Freibad

Mit Blick auf die jüngsten Gewaltausbrüche in Freibädern sagte Scholz, solche Vorfälle dürfe man nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen. "Wer so was macht, verhält sich nicht so, wie unsere Regeln sind." Deshalb sei es völlig richtig, wenn mehr Polizei an den Freibädern eingesetzt werde. Es müsse immer schnell klar werden, dass ein Staat ein solches Verhalten nicht dulde, "das halte ich für zentral".

Auf die Frage, wann er selbst zum letzten Mal in einem Freibad war, sagte Scholz schmunzelnd: "Im Freibad schwimmen war ich zuletzt in Rahlstedt-Großlohe. Das ist also über 40 Jahre her." Rahlstedt ist ein Stadtteil im Nordosten von Hamburg, wo Scholz aufgewachsen ist. Allerdings habe er im Vorjahr ein Freibad in seinem Potsdamer Wahlkreis besucht - allerdings nicht zum Schwimmen, sondern zum Dialog mit den Bürgern, so Scholz.

Pfeifen stört die Pressekonferenz - "kein Cyberangriff"

Einer der Höhepunkte der Pressekonferenz war ein penetrantes Piepen, das mehrfach die Pressekonferenz störte. Die Melodie erinnerte Scholz an einen Weihnachtslied-Klassiker: "Wer seinen Klingelton auf 'Jingle Bell' eingestellt hat, der ist es", analysierte Scholz lachend und ergänzte: "Ich glaube, das ist jetzt kein Cyber-Angriff." Ein Fotograf, dessen Equipment für die Störung verantwortlich war, musste den Saal verlassen.

Anfang kommender Woche nimmt der Kanzler noch am EU-Lateinamerika-Gipfel in Brüssel teil, dann macht er Urlaub. Auf die Frage, ob er urlaubsreif sei, sagte Scholz: "Ich freue mich darauf, dass ich in Urlaub fahre. Aber es ist nicht so, dass, wenn es jetzt nicht möglich wäre, ich das nicht hinkriegte."

Scholz sieht AfD-Hoch als europäische Normalität

Gleich bei der ersten Frage ging es um den aktuellen Umfrageerfolg der AfD. Scholz verwies darauf, dass rechtspopulistische Parteien in zahlreichen anderen europäischen Ländern erfolgreich seien - das seien häufig Länder mit "den wenigsten Problemen von allen". Der Grund für den Erfolg solcher Parteien sei aus seiner Sicht, dass viele Bürger "eben doch nicht so sicher sind, wie die Zukunft sein wird". Deshalb sei das Modernisierungsprogramm der Bundesregierung wichtig, weil es die Botschaft vermittele, dass die Zukunft gut werde.

Scholz sagte zudem, es brauche sowohl Respekt untereinander als auch "Gelassenheit im Hinblick auf das Miteinander". Er sei zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl "nicht viel anders abschneiden wird als bei der letzten".

Umfragewerte sind schlecht

Es ist die zweite Sommer-Pressekonferenz von Olaf Scholz, zudem eine, die für ihn in schwierigen Zeiten stattfindet: Seine Umfragewerte sind mäßig, die seiner Regierung ebenfalls. Aktuell sagen 64 Prozent der Deutschen, dass sie mit der Arbeit des Kanzlers weniger oder gar nicht zufrieden sind.

Würde in dieser Woche ein neuer Bundestag gewählt, kämen die Ampelparteien zusammen nur auf 39 Prozent. Die Kanzlerpartei SPD liegt im RTL/ntv-Trendbarometer derzeit auf dem dritten Platz hinter der AfD.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa

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