"Das ist eine Chance für Syrien" Die Waffen schweigen fast überall
12.09.2016, 21:34 Uhr
In Damaskus gedenkt ein Mann zum Islamischen Opferfest Eid al-Adha seinen getöteten Familienangehörigen.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Es ist eine Atempause für die Menschen im Bürgerkriegsland Syrien: Seit wenigen Stunden gilt die von den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe. Doch dass sich die Konfliktparteien sehr lange daran halten werden, mag niemand so recht glauben.
Mit Beginn der Waffenruhe in Syrien sind die Kämpfe zunächst deutlich abgeflaut. Kurz nach Beginn der Feuerpause um 18 Uhr (MEZ) sei es in allen Teilen des Landes zunächst ruhig geblieben, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die Hilfsorganisation Weißhelme berichtete, dass zunächst keine Kampfjets mehr über der besonders umkämpften Großstadt Aleppo geflogen seien. Die von Russland und den USA ausgehandelte Feuerpause soll für alle Kräfte gelten, die nicht von den Vereinten Nationen als Terroristen eingestuft werden. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist von der Vereinbarung ausgenommen. Unklar ist, ob sich die Konfliktparteien an die Waffenruhe halten werden.
Die Armee von Machthaber Baschar al-Assad kündigte an, die Kämpfe gegen die Rebellen zunächst für sieben Tage einstellen zu wollen. Man behalte sich aber das Recht vor, Vergeltung für jegliche Verletzung von anderer Seite zu üben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf die Militärspitze. Die moderate Opposition in Syrien hatte die Feuerpause begrüßt, aber "Garantien" gefordert, dass sich die syrischen Truppen an die Absprachen halten. Sie befürchtet, das Regime könnte die Feuerpause nutzen, um Gebiete zurückzuerobern. Das Rebellenbündnis Syrische Koalition bezeichnete die Waffenruhe als "Schritt in die richtige Richtung".
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte die Konfliktparteien auf, die Feuerpause nun auch einzuhalten. "Wir haben jetzt zumindest wieder eine halbwegs realistische Chance, den vom Krieg gebeutelten Menschen in Syrien tatsächlich Hilfe zukommen zu lassen", sagte Steinmeier. "Spiele auf dem Rücken der Menschen und Taktierereien um Geländegewinne, das muss jetzt ein Ende haben." Ähnlich äußerte sich US-Außenminister John Kerry. "Das ist eine Chance für Syrien", sagte er in Washington.
Opposition fordert Europas Engagement
Irans Präsident Hassan Ruhani sprach sich derweil erneut für eine diplomatische Lösung im Syrien-Konflikt aus. "Extremismus, Terrorismus und Gewalt überschatten derzeit unsere Region und haben uns alle in eine äußerst prekäre Lage gebracht", sagte Ruhani in einem Telefonat mit dem Emir von Katar. Der Syrien-Konflikt müsse daher schnellstens diplomatisch gelöst werden. Alle Länder in der Region hätten die Pflicht, sich für Frieden, Stabilität und den Schutz der Muslime vor Terroristen einzusetzen. Der Iran und Russland unterstützen im Syrienkrieg die Regierung von Präsident Baschar al-Assad.

Salim Muslit, Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees der Regimegegner (HNC).
(Foto: picture alliance / dpa)
Syriens wichtigstes Oppositionsbündnis forderte die europäischen Länder auf, sich politisch stärker für ein Ende des Krieges zu engagieren. Salim Muslit, Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees der Regimegegner (HNC), sagte der "Süddeutschen Zeitung", es gehe nicht um ein militärisches Engagement. Von den Verhandlungen für die Waffenruhe seien die Europäer "ausgeschlossen" gewesen. "Ich glaube, der Effekt, ob er negativ oder positiv sein wird, betrifft vor allem Europa", sagte Muslit. Je früher die Probleme in Syrien gelöst würden, "desto früher werden auch Syrer in ihre Heimat zurückkehren können", so der Sprecher.
13 tote Zivilisten nach Luftangriff in Aleppo
Die Feuerpause ist Voraussetzung dafür, dass Millionen Menschen in belagerten und umkämpften Gebieten wie etwa Aleppo humanitäre Hilfe erhalten. Syriens Partner Russland kündigte an, seine Luftangriffe auf Terroristen in dem Bürgerkriegsland trotzdem fortsetzen zu wollen. Moskau wolle die Attacken aber koordinieren, meinte General Sergej Rudskoj in Moskau. Für die Feuerpause seien alle nötigen Voraussetzungen geschaffen.
Machthaber Baschar al-Assad hatte sich vor Inkrafttreten der Feuerpause noch hart gegeben. "Die Streitkräfte machen ohne zu zögern und unabhängig aller inneren und äußeren Bedingungen weiter, um die Sicherheit in allen Gebieten Syriens wiederherzustellen". Moskau zufolge war das Vorgehen aber mit Damaskus abgesprochen gewesen. In den Stunden vor der Waffenruhe waren bei Luftangriffen und Kämpfen noch viele Zivilisten in Syrien getötet worden - unter anderem starben 13 Zivilisten bei einem Bombardement in der nordwestlichen Provinz Aleppo.
Quelle: ntv.de, jug/dpa